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Die Streichliste des DAAD

Weniger Stipendien und Dozenturen, tiefe Einschnitte bei der Betreuung internationaler Studierender: Was die von der Ampel geplanten Kürzungen für den akademischen Austausch bedeuten.

DER KAHLSCHLAG hatte sich abgezeichnet, jetzt macht der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ihn und seine Folgen öffentlich. "Die vom Bundeskabinett beschlossenen Kürzungen unserer Grundfinanzierung durch das Auswärtige Amt sind ein erheblicher Einschnitt in die finanzielle Ausstattung und damit in die weltweite Arbeit des DAAD", kommentierte DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee heute per Pressemitteilung. "Sie werden unsere Fördermöglichkeiten für Hochschulen, Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Jahre deutlich reduzieren."

 

Wie berichtet müssen DAAD, Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und Goethe-Institut dieses und nächstes Jahr massive Kürzungen ihrer Grundhaushalte hinnehmen: im Falle des DAAD um rund 13 Millionen von 204 Millionen Euro 2021 auf nur noch 191 Millionen 2023. Außerdem sollen die Organisationen jetzt auch im laufenden Betrieb massiv einsparen in Form "globaler Minderausgaben", deren Höhe noch unklar ist, aber offenbar erheblich auszufallen droht. Für die Grundfinanzierung von DAAD, AvH und Goethe-Institut ist das Auswärtige Amt zuständig.

 

Bereits ohne die jetzt noch zusätzlich befürchteten Einschnitte zu berücksichtigen, werde es zu "schmerzhaften Einschnitte kommen", kündigte der DAAD heute an und konkretisierte, was das heißt: 50 Prozent weniger langfristige Studien- und Promotionsstipendien für ausländische Studierende, Doktoranden und Wissenschaftler, das entspreche etwa 700 Stipendien pro Jahr. Außerdem wird unter anderem die Förderung von Vortrags- und Kongressreisen, Sommer- und Winterkursen  gestrichen. Betroffen davon, sagt der DAAD, seien rund 5.000 Personen pro Jahr.

 

Und so geht es weiter: Lektorate und Dozenturen an ausländischen Hochschulen könnten nicht nachbesetzt werden, an den deutschen Hochschulen sollen die Mittel für die Betreuung internationaler Studierender halbiert werden. Gespart wird auch bei regional ausgerichteten Kooperationsprogrammen der deutschen Hochschulen, bei der Germanistikförderung und bei der DAAD-Alumniarbeit. Und der DAAD warnt: "Mittelfristig fallen rund 100 der weltweit knapp 450 Standorte weg, an denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das deutsche Hochschulsystem vertreten". Auch die sechs Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser verlören erheblich an finanziellem Gestaltungsspielraum.

 

Auch die Humboldt-Stiftung
muss streichen

 

Die AvH muss 2023 mit 5,5 Millionen Euro weniger auskommen, als ihr 2021 für ihren Grundhaushalt 55 Millionen Euro zur Verfügung standen. Die Investitionen, die noch dazu kamen, sollen wie beim DAAD 2023 komplett auf null gefahren werden. Zur möglichen globalen Minderausgabe, heißt es bei der Stiftung, könne man sich noch nicht äußern, da hierzu aktuell noch Gespräche mit dem Auswärtigen Amt liefen.

 

Aber auch so schon hat auch die AvH Streichungen geplant oder bereits umgesetzt. So seien für das laufende Jahr die Bewilligungszahlen in AA-finanzierten Programmen um bis zu 30 Prozent gesenkt worden, "im Forschungsstipendienprogramm etwa bedeutet dies einen Rückgang von 380 Stipendien im Jahr 2021 auf 264 im Jahr 2022", sagt ein AvH-Sprecher. "Die nun konkreter absehbaren Kürzungen zwingen uns, zusätzlich einzelne Programme für neue Anträge ganz zu schließen, vor allem die Forschungshubs in Afrika und unser Residency-Programm."

 

DAAD-Präsident Mukherjee sagt, die Einsparungen konterkarierten "die konzeptionell richtigen Festlegungen und finanziellen Zusagen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung". Zugleich hoffe man, dass die Kürzungen noch zurückgenommen würden. Sie senkten die internationale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland und seiner Hochschulen, "und das in einer Zeit, in der außenwissenschaftspolitisch eine Vorbildfunktion und eine Führungsrolle Deutschlands in besonderer Weise notwendig wären".

 

Auswärtiges Amt: Austausch
über "strategische Priorisierung"

 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) selbst hat sich bislang zu den Kürzungsbeschlüssen und -plänen nicht offiziell geäußert. 

 

Am Freitagabend sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes auf Anfrage, Baerbock habe sich in den Haushaltsverhandlungen "mit Nachdruck" dafür eingesetzt, "dass gerade in Zeiten schwerster internationaler Krisen ausreichende Mittel für die Außen- und Sicherheitspolitik, und gerade auch für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik notwendig sind". Dennoch sei wie der Großteil der Ressorts auch der Haushalt des Auswärtigen Amts von Einsparungen betroffen und damit auch die vom AA institutionell geförderten Mittlerorganisationen.

 

Tatsächlich soll der Haushalt des Außenministeriums insgesamt 2023 ebenfalls stark schrumpfen, um 10,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während beispielsweise das BMBF noch 0,9 Prozent mehr erhält. Erstaunlich tiefe Einschnitte angesichts der internationalen Sicherheitslage, die Baerbock nicht hat verhindern können.

 

Ihr Sprecher fügt hinzu: "Das Auswärtige Amt steht mit den Mittlern in engem Austausch über eine strategische Priorisierung, um deren wichtige Arbeit möglichst effizient und zielgerichtet fortzusetzen."

 

Klingt nach Gestaltung der Kürzungen und nicht so, als könnten DAAD, AvH und Goethe-Institut hier noch auf eine Abmilderung der Sparvorgaben hoffen.

 

Dieser Artikel wurde am 08. Juli um 18.30 Uhr aktualisiert.



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Kommentare: 3
  • #1

    B. Ebert (Sonntag, 10 Juli 2022)

    13 Millionen sind viel Geld, aber rechnerisch eben auch nur 6% des DAAD-Haushalts. Ich verstehe nicht ganz, wie das zu so drastischen Kürzungen bei einzelnen Aktivitäten führt (50% weniger Stipendien, 25 % der Standorte). Was ist der Kontext, hat der DAAD so hohe Fixkosten, oder gab es vorher schon Sparprogramme?

  • #2

    Johanna Pink (Sonntag, 10 Juli 2022 09:10)

    Naja, sie haben erstens in der Tat hohe Fixkosten (und vermutlich viel faktisch unkündbares Personal) und zweitens sparen sie dort, wo es kurzfristig möglich ist und keine längerfristigen Verpflichtungen existieren. Im Übrigen heißt 50% weniger Stipendien ja zunächst "nur", dass 50% weniger Stipendien neu vergeben werden. Die bestehenden Stipendien werden nicht gestrichen, so dass der Gesamtanteil der Kürzungen im Stipendienbereich anfänglich deutlich unter 50% liegen dürfte.

  • #3

    Prof. Dr. Dorothée de Nève (Mittwoch, 13 Juli 2022 16:24)

    Bei den angekündigten Kürzungen geht es nicht „nur“ um die dramatischen Einschnitte. Vielmehr wird die Streichung jener Programme, die viele kleinere Stipendien betreffen, auch die soziale Ungleichheit verstärken. Es liegt in der Verantwortung des DAAD, wie die reduzierten Mittel verwendet werden. Kurzzeitstipendien für Forschung, Vorträge und Kongressreisen wird vor allem jene hart treffen, die ohnehin materiell benachteiligt sind: #FirstGen.