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Reisen statt reden?

Die CDU-/CSU-Opposition im Bundestag ärgert sich über Stark-Watzingers Kommunikation zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz und fordert von der Forschungsministerin Rechenschaft über ihren persönlichen Einsatz.

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Artikelbild: Reisen statt reden?

Bettina Stark-Watzinger soll sich endlich um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz kümmern, fordert die Union. Foto: picture alliance.

SPEIST BUNDESFORSCHUNGSMINISTERIN Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Opposition im Bundestag zum wiederholten Male mit Allgemeinplätzen ab? So jedenfalls empfindet das die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, die eine erneute parlamentarische Anfrage zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) gestellt hatte und jetzt von der Bundesregierung auf 27 ihrer 50 Fragen die immer gleichlaufende Antwort bekam: Es werde auf die am 17. März 2023 veröffentlichten Eckpunkte verwiesen. Ansonsten gelte: Spezifische Fragestellungen zu Änderungen des WissZeitVG seien "Gegenstand laufender Gespräche".

Mit derselben Abwimmel-Rhetorik, kritisiert die Union, habe die Bundesregierung im vergangenen halben Jahr bereits zweimal konkrete Auskünfte zu ihren WissZeitVG-Plänen überwiegend verweigert. Wie aber gehe es denn nun weiter, will die Opposition wissen, nachdem das BMBF seine zitierten Eckpunkte nach nur zwei Tagen teilweise zurückgezogen habe?

Einen gewissen Einblick immerhin hatte BMBF-Staatssekretär Jens Brandenburg im Interview hier im Blog gegeben. So sagte er, bis auf die Regeln zur Postdoc-Phase gälten die veröffentlichten Eckpunkte weiter. Und: Einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, bis der Referentenentwurf vorliege, sei angesichts der laufenden Diskussionen und Verhandlungen "unseriös", in jedem Fall aber werde in der zweiten Jahreshälfte 2023 das parlamentarische Verfahren starten.

Die CDU-/CSU-Opposition findet trotzdem, die Bundesregierung lasse die Forschenden ohne Zeitplan und Ziel weiter im Regen stehen. "Die Argumente sind längst ausgetauscht. Alles ist bekannt und liegt auf dem Tisch", sagt Lars Rohwer, Berichterstatter seiner Fraktion für das WissZeitVG und spricht von "Hinhaltetaktik": "Wir brauchen endlich den Referentenentwurf, damit die junge Generation von jungen Wissenschaftlerinnen weiß, woran sie mit der Ampel ist."

Union will Tabelle mit persönlichen Gesprächen der Ministerin

Rohwer zweifelt jetzt sogar die Angaben aus dem BMBF an. "Seit Monaten ist die Bundesministerin angeblich im Austausch mit Verbänden und den Ländern – ist sie das wirklich?", fragt er. Sein Kollege Thomas Jarzombek hat deshalb in einer weiteren parlamentarischen Anfrage von der Bundesregierung eine tabellarische Aufstellung verlangt, mit wem Stark-Watzinger seit dem 17. März "persönlich" Gespräche zur geplanten Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes geführt habe.

Bekommen hat der wissenschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion die Liste nicht. Das BMBF verweigerte das Stöckchenspringen und gab – ohne Tabelle – an, es habe ein Pressegespräch mit der Ministerin zur WissZeitVG-Reform gegeben, darüber hinaus "wurden und werden fortlaufend Gespräche auf Minister- und Staatssekretärsebene geführt".

Die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sei das Top-Thema in der Wissenschaft, erregt sich Jarzombek. Die vorgestellten Eckpunkte hätten in der gesamten Breite der deutschen Wissenschaftslandschaft zu Verunsicherung und scharfer Kritik geführt. "Ich finde es bemerkenswert, dass die zuständige Ministerin seit Vorstellung der Eckpunkte nahezu vollständig abgetaucht ist." Stark-Watzinger reise seit Wochen um die Welt, kümmere sich aber nicht um ihr Kerngeschäft. "Gespräche mit Betroffenen der geplanten Novelle hat die Ministerin anscheinend nicht geführt."

Ist das Populismus oder berechtigte Kritik? Jedenfalls handelt es sich um harsche Vorwürfe au der Opposition, die das BMBF auf meine Anfrage hin mit lediglich einem Satz kommentiert: "Bekanntermaßen finden noch einmal koalitionsinterne Gespräche über die Post-Doc-Phase statt, um in Kürze einen Referentenentwurf vorlegen zu können." Mangelnde Stimmigkeit zumindest kann man der BMBF-Kommunikation zurzeit nicht unterstellen.

Aufschlussreiche Hinweise und virtuos unverbindliche Formulierungen

Liest man die Antworten auf die jüngste parlamentarische Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion genau, so finden sich denn auch sehr wohl ein paar aufschlussreiche, obgleich nicht wirklich neue Hinweise, wo das BMBF bereit sein könnte, sich in der WissZeitVG-Debatte zu bewegen – und wo nicht. "Die Bundesregierung betrachtet die Phase direkt nach der Promotion weiterhin als Qualifizierungsphase", heißt es da – wobei das "direkt" auf eine kürzere Befristung im Rahmen einer Orientierungsphase hindeuten könnte als die – wieder zurückgenommenen – drei Jahre in den veröffentlichten Eckpunkten.

Tatsächlich hatte sich auch die SPD-Fraktion zuletzt nachdrücklich für eine Höchstbefristung ohne Anschlusszusage von nur noch zwei Jahren ausgesprochen.

Umgekehrt ermöglichen die virtuos unverbindlich formulierten BMBF-Antworten dann aber doch meist kaum mehr als Kaffeesatzleserei. In einer anderen Antwort betont das BMBF nämlich, die Rahmenbedingungen sollten "nicht allein mit Blick auf möglichst niedrige Befristungsquoten gestaltet werden, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Wissenschaftsbereichs und zum Erhalt notwendiger Handlungsspielräume auf ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen zielen."

Was deutlich mehr nach der Argumentation der entsprechenden Papiere von Hochschulrektorenkonferenz und Allianz der Wissenschaftsorganisationen klingt.

Bereits Ende März hatte der wissenschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Seiter, gesagt, "dem wissenschaftlichen Nachwuchs müsse auch in Zukunft ausreichend Zeit für die notwendigen Qualifikationen für eine Laufbahn hin zur Professur eingeräumt werden".

BMBF-Plädoyer für mehr unbefristete Stellen "mithilfe von Drittmitteln"

Auf die Unionsfrage, ob die Bundesregierung künftig "Drittmittelforschungen grundsätzlich als Daueraufgaben" deklarieren und für befristet finanzierte Projekte "die Möglichkeit von Mischfinanzierungen von Stellen aus Dritt- und Haushaltsmitteln sowie Drittmittelpools" gesetzlich verankern wolle, lautet die kurze Antwort aus dem BMBF: "Dieses Ziel wird seitens der Bundesregierung nicht verfolgt."

Dafür aber betont das Ministerium an anderer Stelle, die Bundesregierung sehe "großes Potential" in der unbefristeten Anstellung von Wissenschaftlern "auch mithilfe von Drittmitteln": Beispielsweise ermöglichen die Regularien der BMBF-Projektförderung grundsätzlich auch, die Tätigkeit von unbefristet angestelltem Personal in Projekten zu finanzieren. Auch in Projekten der DFG können unbefristet Beschäftigte mitarbeiten. Dass Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Hinsicht mutiger werden müssten, hatte Staatssekretär Brandenburg auch in seinem Interview hier im Blog gefordert.

CDU-Mann Jarzombek fordert, dass Stark-Watzinger selbst dringend tätig werden solle. "Ich erwarte von der Ministerin, dass sie die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz endlich zur Chefinsache erklärt und sich kümmert."

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