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Alle Kinder, die bei uns leben, sind unsere Kinder, da darf es keine Unterschiede geben

Die CDU-Bildungspolitikerin Karin Prien warnt vor Pauschalisierungen in der Debatte um die Kindergrundsicherung und kritisiert: Finanzminister Lindners Vorstoß sei legitim, aber widersprüchlich.

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Artikelbild: Alle Kinder, die bei uns leben, sind unsere Kinder, da darf es keine Unterschiede geben

Karin Prien ist Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung,Wissenschaft, Forschung und Kultur in Schleswig-Holstein und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Foto: Ministerium.

Frau Prien, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Debatte um die Kindergrundsicherung angeheizt mit der Aussage, es bringe armen Kindern wenig, wenn der Staat ihren Eltern zusätzliche Transfers zahlen würde. Hat er Recht?

Die Beseitigung der Bildungsarmut und die Schaffung von mehr Chancengerechtigkeit sind für die Entwicklung unseres Landes so entscheidende Themen, dass sie sich nicht mit unterkomplexen Antworten lösen lassen. Christian Lindner hat einen Punkt, wenn er die Bedeutung insbesondere der Sprachförderung betont und die Unterstützung von Schulen in besonders herausragenden Lagen, die wir verstärken müssen. Das heißt aber nicht, die Sozialleistungen für Kinder schon so hoch sind, dass wir da nichts mehr machen müssen.

Also mehr Geld für Bildung und mehr Geld für Transfers?

Mehr Geld für Bildung: auf jeden Fall. Mehr Geld für Transfers: Es kommt darauf an. Wir müssen die Sozialleistungen bündeln, wir müssen die Zugänge vereinfachen und digitalisieren. Vor allem aber müssen wir für die Kinder von Alleinerziehenden mehr tun, wir müssen sie in der Steuerpolitik besserstellen und zugleich schauen, wo mehr finanzielle Unterstützung nötig ist. Aber eben nicht pauschal für alle gleich, sondern abhängig von den tatsächlichen Bedarfen, um die Teilhabe der Kinder zu verbessern: bei Sport, Kultur, bei Bildungsangeboten, bei Nachhilfe und digitaler Ausstattung.

Christian Lindner betont den Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut. Sie haben gerade auf die Kinder von Alleinerziehenden hingewiesen. Die gab es ja nun schon vor 2015.

Natürlich beobachten wir unter Einwanderern einen hohen Anteil armer Kinder. Und ja, wir müssen darüber sprechen, was besonders diesen Kindern hilft.

Nur klingt die Verknüpfung von Zuwanderung und Armut in der öffentlichen Debatte schnell so, als seien die Zuwanderer selbst schuld.

Die Debatte wird emotional sehr aufgeladen geführt. Trotzdem lohnt es sich genau hinzuschauen, weshalb ich den Vorstoß von Christian Lindner für legitim halte. Nur ist es für mich ein Widerspruch, einerseits die Stärkung von Kitas und Schulen als entscheidendes Mittel für mehr Lebenschancen zu propagieren – zugleich aber als Bundesregierung das Sprachkita-Programm zu streichen und die Mittel für das geplante Startchancen-Programm so stark zu reduzieren, dass es kaum noch einen Effekt haben kann. Und die Widersprüche gehen noch weiter.

Was meinen Sie?

Es passt nicht zusammen, wenn die Bundesregierung einerseits den Kurs vertritt, weiter sehr vielen Geflüchteten und Asylbewerbern den Zugang nach Deutschland zu ermöglichen – dann aber durch ihre mangelnde Bereitschaft auffällt, den Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Integration alle dieser Menschen finanziell angemessen zu helfen. Allein im vergangenen Jahr sind über 200.000 Kinder und Jugendliche nach Deutschland gekommen. Viele Bundesländer führen daher jetzt die Sprachkitas auf eigene Kosten weiter, doch seien wir ehrlich: Das Geld, das wir dafür einsetzen, hätten wir für ihren Ausbau gebraucht, nicht für das mühsame Aufrechterhalten eines schon vorher unzureichenden Status Quo.

Also nicht die Einwanderer versagen bei der Integration, sondern der Staat tut das?

Kein Kind trägt Verantwortung für die Situation, in der es aufwächst, wenn seine Eltern sich auf den Weg machen, um Krieg, Verfolgung oder Wirtschaftsnot zu entfliehen. Und natürlich ist es die Aufgabe des Staates, den Start in ein selbstbestimmtes und möglichst erfolgreiches Leben zu ermöglichen. Alle Kinder, die bei uns leben, sind unsere Kinder, da darf es keine Unterschiede geben. Aber über das Wie der richtigen Förderung lohnt es sich zu diskutieren.

Die Soziologin Bettina Kohlrausch schreibt auf X (Twitter), es sei eine "entwürdigende Unterstellung, dass arme Eltern das Geld nicht an ihre Kinder weitergeben würden, für die es keine empirischen Belege gibt".

Und die ich nie machen würde. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir Kinder und Jugendliche zielgerichteter unterstützen können. Das, was die Ampel als Kindergrundsicherung diskutiert, halte ich übrigens nicht für ein geeignetes Instrument. Dafür das bewährte Instrument des Kindergeldes abzuschaffen, scheint mir doch sehr stark von den Versprechungen in den Parteiprogrammen der Koalitionspartner geprägt.

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