Direkt zum Inhalt

Jetzt spricht die SPD

Nach den forschungspolitischen Sprechern der Union haben nun auch die SPD-Bildungspolitiker aus Bund und Ländern ein Positionspapier verfasst. Wo die Sozialdemokraten klare Akzente setzen, wo sie lavieren – und was sie auslassen.
Spitze des Willi-Brandt-Hauses vor leicht bewölktem Himmel.

SPD-Parteizentale in Berlin. Foto: Gertrud K., CC BY-NC-SA 2.0.

IM OKTOBER hatten die wissenschaftspolitischen Sprecher aller CDU-/CSU-Landtagsfraktionen ein Forderungspapier an die Bundesregierung vorgelegt, inklusive eines Abgesangs auf die Exzellenzstrategie, der Forderung nach mehr Geld für den Hochschulbau und einer Ablehnung großflächiger Stellenentfristungen in der Wissenschaft. Jetzt haben die forschungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Fraktionen nachgezogen und ebenfalls eine Erklärung verfasst. Überschrift: "Sozialdemokratische Wissenschaftspolitik: zuerst die Menschen".

Schaut man sich die zwei Seiten genauer an, fällt allerdings zuerst auf, dass sie deutlich weniger fordernd gegenüber der Bundesregierung daherkommen als das Unionspapier aus dem Herbst. Was zwei Gründe haben dürfte: Erstens haben auch die für Wissenschaft zuständigen SPD-Bundestagsabgeordneten mitgeschrieben. Zweitens wollten die Sozialdemokraten, siehe Titel, offenbar eine grundsätzlichere Perspektive einnehmen und die Frage beantworten: Was ist eigentlich sozialdemokratische Wissenschaftspolitik? Das allerdings gelingt ihnen nur in Ansätzen.

Heiße Eisen beim WissZeitVG

Im Wesentlichen bewegt sich die Erklärung auf dem Boden des Koalitionsvertrags – und geht nur an wenigen Stellen darüber hinaus. Das zeigt sich etwa bei dem Abschnitt zu den geforderten "soliden Arbeitsbedingungen". Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) müsse nun "zügig" ins parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gebracht werden, steht da, plus dem im Koalitionsvertrag enthaltenen Bekenntnis zu Mindestvertragslaufzeiten vor und nach der Promotion und ausgeweiteten Schutzklauseln für Drittmittelbefristungen.

Wichtig ist zugleich, was fehlt: vor allem jede Erwähnung des heißen Themas Postdoc-Befristung. Das Unionspapier hatte auch Postdoc-Stellen als "Qualifikationsstellen" bezeichnet, die "bewusst als Durchlaufstationen angelegt" seien, und betont: "Mehr Fluktuation schafft zudem Raum für Innovation und verhindert die Blockade von Stellen durch Dauerbeschäftigungen."

Keinerlei Positionierung zu dem Thema findet sich dagegen in der SPD-Erklärung. Weil man den öffentlichen Streit über eine verkürzte Höchstbefristung und/oder Anschlusszusagen wie in der vergangenen Legislaturperiode vermeiden will – oder weil das Thema in den Verhandlungen womöglich gar keine Rolle mehr spielt? Was erstaunlich wäre, wenn doch für viele genau hier ein Unique Selling Point sozialdemokratischer Wissenschaftspolitik liegen dürfte. Fest steht: Die wissenschaftlichen Arbeitgeber ebenso wie die "#IchbinHanna"-Community werden in dem Text auf jede Nuance achten.

Oliver Kaczmarek, der als für Bildung und Forschung zuständige Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion das Papier maßgeblich mitverantwortet, sagt: Die Forschungspolitiker der SPD im Bundestag und in den Landtagen seien der Überzeugung, "dass Forschung einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Landes, zu seiner Innovationskraft und zum Erhalt des Wohlstands leisten wird. Die dazu notwendigen Entscheidungen für diese Wahlperiode sind im Koalitionsvertrag festgeschrieben und haben in der Wissenschaft viel Zustimmung erfahren." Die SPD setze sich nach wie vor für verlässliche Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft ein, unterstreicht Kaczmarek und betont: "Die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes werden wir in der Koalition plangemäß bis Mitte 2026 umsetzen." Aber auch er sagt nichts zur Postdoc-Höchstbefristung.

Hightech-Agenda nur mit Geistes- und Sozialwissenschaften

Auch bei den Ausführungen zur "Hightech-Agenda Deutschland" bleibt die SPD-Erklärung nah am Koalitionsvertrag, fokussiert allerdings auf bestimmte Details. So werden einige Forschungsfelder explizit genannt, darunter die Künstliche Intelligenz, das Quanten-Computing, die Gesundheitsforschung und die Biotechnologien. Einen Unterstrich machen die SPD-Forschungspolitiker unter den Geistes- und Sozialwissenschaften, die sie als "genauso wichtig und fördernswert" bezeichnen – was man als Signal in Richtung Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) interpretieren kann, nicht zu einseitig technologiebegeistert unterwegs zu sein. In dem Sinne ist aufschlussreich, dass zum Beispiel deren Lieblingsthema Kernfusion mit keinem Wort erwähnt wird.

Wo sich die SPD-Erklärung der Förderung von Transfer widmet, bestehen die Abweichungen zum Koalitionsvertrag ebenfalls nur in Nuancen. Hier wie dort findet die Konsortialführerschaft der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) Eingang, bei der SPD als Teil einer eigenen HAW-Förderlinie und der Konsortialführerschaft zur Bildung regionaler Innovationsnetzwerke. Im Koalitionsvertrag allgemeiner unter dem Stichwort Transferprogramme des Bundesforschungsministeriums "inklusive DATI-Pilot unter Konsortialführerschaft der HAW".

Interessant ist, dass das im Koalitionsvertrag versprochene Innovationsfreiheitsgesetz im SPD-Papier mit keinem Wort erwähnt wird. Vermutlich nur der Knappheit geschuldet, aber das Ganze vor dem Hintergrund, dass auch das Thema Entbürokratisierung – ein Kernvorhaben der Koalition – nur am Rande vorkommt. Hier wünschte man sich mehr Klarheit, zumal eine Abgrenzung vom Entbürokratisierungs-Sprech des Unionspapiers dem SPD-Pendant durchaus Kontur hätte geben können. "Bei vielen Antragsformaten müssten inzwischen auch Fragenkataloge von eher wissenschaftsfernen Themen abgehakt werden – von der Nachhaltigkeit bis hin zur Gleichstellung", kritisierten die CDU-/CSU-Sprecher. Gleichstellung als wissenschaftsfremdes Ziel, deren Entfernung aus Anträgen als Entbürokratisierungsmaßnahme? Hier hätte man gern die SPD-Position vernommen.

BAföG als Kernversprechen

Weit über den Koalitionsvertrag hinaus geht die Sozialdemokraten dagegen beim BAföG. Der Abschnitt "Gute Ausbildungsförderung" folgt direkt auf die Präambel der Erklärung. "Die Beschleunigung, Digitalisierung und Entbürokratisierung der Antragsverfahren sind für uns ein zentrales Anliegen bei der anstehenden Reform", steht da. "Weiterhin wollen wir die Freibeträge und Bedarfssätze verlässlich steigern und dynamisieren." Entspricht in anderen Worten weitgehend dem Koalitionsvertrag. Nicht so die folgenden Sätze: "Langfristig wollen wir das BAföG elternunabhängiger machen. Eine schrittweise Rückkehr zum Vollzuschuss streben wir an."

Den SPD-Forschungspolitikern sei besonders wichtig, sagt Kaczmarek, Forschungspolitik nicht "rein technisch" zu verstehen, "sondern immer mit dem Blick auch auf den Nutzen für die Gesellschaft und auf die einzelnen Menschen in der Forschung. Deshalb stellen wir auch die nächste BAföG-Reform in den Mittelpunkt, denn sie ist Teil eines Versprechens auf die Zukunft."

Hier ist sie, die sozialdemokratische Note. Die umgekehrt bei den Plädoyers für "Verlässlichkeit in der Forschungsförderung" und die angekündigten Investitionen in die Forschungsinfrastruktur wiederum sehr allgemein ausfällt. Vor allem ohne die Erwähnung des im Koalitionsvertrag genannten Ziels, bis 2030 3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aufzuwenden. Die Zahl fehlte schon im Unionspapier – vielleicht weil man hier wie dort die Beteuerungen leid ist, die dann doch immer aufs Neue nicht eingehalten werden?

Wer ist "Wir"?

Und sonst? Unter der Überschrift "Wissenschaft weltoffen und international" steht bei der SPD nicht viel anderes als im Koalitionsvertrag. Vor allem die seit Jahren wiederholte Betonung einer zügigeren Visa-Vergabe für internationale Talente. In der Wissenschaft sorgen solche Ankündigungen mittlerweile für frustrierte Heiterkeit. Schließlich fehlen zwei aus Sicht der Hochschulen zentrale Themen komplett in der SPD-Erklärung: Wie soll es mit der Exzellenzstrategie weitergehen? Und was ist mit dem Hochschulbau? Zu beidem hatten die Unionsfraktionen im Herbst besonders klar Position bezogen: Es müsse Schluss sein mit der Antragsmühle. Beim Umbau der Forschungsförderung in Deutschland dürfe es "keine Tabus" geben. Die Exzellenzstrategie habe sich "in ihrer heutigen Form überlebt", es brauche ein "neues Fördermodell", sagte der CSU-Wissenschaftspolitiker Robert Brannekämper im Blog-Interview. Und was sagen die SPD-Wissenschaftspolitiker?

Bundespolitiker Oliver Kaczmarek spricht auf Anfrage deutlicher als das Papier selbst: Debatten, die "sämtliche Erfolgsmodelle des deutschen Wissenschaftssystems von Exzellenstrategie bis Pakt für Forschung und Innovation" grundsätzlich in Frage stellten, seien nicht konstruktiv. "Die SPD konzentriert sich darauf, kluge und fokussierte Innovationsimpulse zu setzen, die erreichte Erfolge absichern und unsere Potentiale in der Wissenschaft noch besser heben." Was dann doch viel von der Koalitionsvertrags-Nähe erklärt: Offenbar wollen sich die SPD-Wissenschaftspolitiker genauso dadurch vom Papier der Unions-Kollegen abheben, die diesen an mehreren Stellen, so der Eindruck auf Seiten in der SPD, in Frage gestellt hätten.

Am Ende noch eine grundsätzliche Frage. Mehrfach ist im SPD-Papier von "Wir" die Rede. "Wir haben die global minds Initiative auf den Weg gebracht." "Wir werden den Weg der missionsorientierten Bündelung in der Forschungsförderung mit zusätzlichen Investitionen fortsetzen." Oder auch: "Dies wollen wir im Rahmen der High-Tech Agenda Deutschland umsetzen." Jeweils in Bezug auf Projekte der schwarz-roten Koalition. Bedeutet das in einem Papier zur SPD-Wissenschaftspolitik, dass die SPD jeweils die Urheberschaft für sich reklamiert? Weil sie fürchtet, das könnte mit einer in Sachen Öffentlichkeit so umtriebigen Forschungsministerin wie Dorothee Bär sonst anders rüberkommen?

Kein ganz abwegiger Gedanke. Der weniger aufkommen würde, wenn die SPD das Eigene ihrer Wissenschaftspolitik noch stärker herausstellen würde. Ihre aktuelle Erklärung kann hier bestenfalls ein Anfang sein, eine Momentaufnahme. 

Mehr, sagt Oliver Kaczmarek – freilich in einem gewissen Widerspruch zur Überschrift des Papiers –, könne so ein Statement der forschungspolitischen Sprecher auch gar nicht bieten. Dafür sei das geplante neue Grundsatzprogramm der richtige Ort, für dessen wissenschaftspolitischen Teil eine Gruppe um Kaczmarek und die SPD-Wissenschaftsministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Bettina Martin, bereits am Arbeiten sei. Beide sind zugleich Mitglied im SPD-Parteivorstand. Ende 2027 soll das neue Grundsatzprogramm beschlossen werden. JMW

Neuen Kommentar hinzufügen

Ihr E-Mail Adresse (wird nicht veröffentlicht, aber für Rückfragen erforderlich)
Ich bin kein Roboter
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.