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Wissenschaftszeitvertragsgesetz: SPD will Tarifsperre weit öffnen

Nach dem Kabinettsbeschluss bringen sich die Ampelfraktionen in Stellung. Streitpunkt ist weiter die maximal erlaubte Postdoc-Befristung.

Screenshot aus dem WissZeitVG-Erklärvideo des BMBF (von 2021).

ÄNDERT SICH WIRKLICH noch etwas Grundlegendes an der geplanten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), nachdem der Gesetzentwurf durchs Bundeskabinett ist und der Ball jetzt beim Parlament liegt? Social-Media-Posts aus dem BMBF von Bettina Stark-Watzinger (FDP) lasen sich so, als gehe man dort eigentlich nicht davon aus. "Das Bundeskabinett hat heute die Reform des #WissZeitVG beschlossen", verkündete das Ministerium am 27. März zum Beispiel auf "X" – fast so, als sei der verabschiedete Entwurf bereits die fertige Reform. Es folgte die fettgedruckte Botschaft: "Mit der WissZeitVG-Reform verbessern wir die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft."

 

Tatsächlich hatte der Kabinettsbeschluss jedoch wie berichtet bei einer zentralen Streitfrage, der maximal erlaubten Postdoc-Befristung, kaum mehr als einen Formelkompromiss zwischen den Ampel-Koalitionspartnern enthalten. SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil und sein grüner Kollege im Wirtschaftsministerium, Robert Habeck, hatten ihren monatelangen Widerstand gegen den Entwurf nämlich erst aufgegeben, nachdem im sogenannten Zuleitungsschreiben, mit dem der Gesetzentwurf ins Kabinett ging, folgender Passus ergänzt wurde: Im weiteren Gesetzgebungsverfahren solle eine Erweiterung der Tarifklausel im WissZeitVG in der Postdoc-Phase geprüft werden, und zwar um die Aspekte Höchstbefristungsdauer und Zeitpunkt der Anschlusszusage. Ziel dabei sei, "einen angemessen Zeitraum zur Qualifizierung zu gewährleisten und eine frühere Perspektive auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu eröffnen".

 

Die SPD bekräftigt jetzt, dass sie im Bundestag damit ernstmachen will. Die zuständige Berichterstatterin Carolin Wagner sagt auf Anfrage, sie begrüße "die Auffassung der Bundesministerin Stark-Watzinger", die in ihrem

Zuleitungsschreiben an das Bundeskabinett Nachbesserungen in der Postdoc-Phase und in der Tariföffnung angeregt habe. Was natürlich angesichts der Genese des Zuleitungsschreibens, siehe oben, schon eine etwas provokante Interpretation ist. Jedenfalls fügt Wagner hinzu: "Dies betrachten wir als Arbeitsauftrag für das parlamentarische Verfahren, das jetzt beginnt."

 

Was aber genau haben die Sozialdemokraten vor? Für die Postdoc-Phase, erläutert Wagner, sehe der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf vier Jahre als zulässige Befristung ohne Anschlusszusage vor – "ohne dass eine tarifliche Abweichung möglich wäre. Gerade in dieser sehr relevanten Frage wollen wir als SPD den Tarifparteien überhaupt ermöglichen, hierüber zu verhandeln." Ziel sei, "eine sinnvolle Handhabe etwa der Befristungsregelung in der Postdoc-Phase in einen praktikablen Einklang zu bringen mit dem Anspruch, der im Koalitionsvertrag festgehalten wurde – nämlich eine frühe Perspektive auf eine Entfristung zu ermöglichen." Das entspreche, fügt Wagner hinzu, ja auch dem im Zuleitungsschreiben erklärten Willen der Ministerin.

 

Inspiration Hessen?

 

Lässt man die Verhandlungen der Ampel-Berichterstatter mit dem BMBF vom Frühjahr 2023 Revue passieren (auf deren Scheitern bei der Postdoc-Frage hin Stark-Watzinger im Alleingang den diesbezüglichen Passus im Gesetzentwurf festlegte), gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit, was die SPD erreichen will: dass es für die Tarifverhandlungen von Gewerkschaften und Hochschulen einen Postdoc-Befristungskorridor zwischen zwei und vier Jahren geben soll, wobei es inklusive Anschlusszusage immer sechs Jahre wären. Warum zwei? Weil das BMBF in den Verhandlungen Teilnehmern zufolge bereits einen Korridor zwischen drei und höchsten sechs Jahre angeboten hatte – was Grüne und SPD damals ablehnten. 

 

Und die SPD-Bundestagsfraktion hat offenbar noch Weiteres im Sinn. Wagner verweist auf die kürzlich abgeschlossenen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in Hessen und "die beiden schuldrechtlichen Absprachen" zu Mindestvertragslaufzeiten für studentische Hilfskräfte und einer Erhöhung der Dauerstellen-Zahl an den hessischen Hochschulen. Beides zeige, dass die Tarifsperre im WissZeitVG zu restriktiv sei. Ihre weitere Öffnung, sagt die Wissenschaftspolitikerin, ohne konkreter zu werden, führe "zu einer notwendigen Liberalisierung des akademischen Arbeitsrechts und ermöglicht tarifrechtlich geordnete Regelungen."

 

Ob die Gesprächsbereitschaft, die die FDP-Bundestagsfraktion bereits im März signalisiert hatte, so weit geht, bleibt abzuwarten. Ihr forschungspolitischer Sprecher, Stephan Seiter, hatte gesagt, er begrüße, dass die Ressortabstimmung "letztendlich das Verhandlungsergebnis zwischen den Koalitionsfraktionen aus dem vergangenen Jahr übernommen" habe, zugleich halte er Prüfaufträge "im Rahmen evidenzbasierter Politik für sinnvoll".

 

Was die Grünen, neben SPD und FDP der dritte Ampel-Partner, wollen, hatte im März in recht kämpferischer Tonlage bereits Wagners Berichterstatter-Kollegin Laura Kraft zu Protokoll gegeben. Es sei gut, sagte Kraft damals, dass der Referentenentwurf "nach monatelanger Hängepartie" endlich ins Kabinett und dann auch ins Parlament komme."Von einer Einigung kann aber noch keine Rede sein! Im parlamentarischen Verfahren muss insbesondere die Postdoc-Phase unter anderem in Bezug auf die Tarifsperre und die Höchstbefristungsdauer dringend überarbeitet werden." Als Abgeordnete werde sie sich im Parlament dafür einsetzen. 

 

Warten auf ein Programm-Konzept

 

Außerdem pochen die Grünen darauf, dass das BMBF wie vom Bundestags-Haushaltsausschuss gefordert gemeinsam mit den Ländern ein "Konzept für ein befristetes Programm zum Ausbau wissenschaftlicher Dauerstellen neben der Professur" vorlegt. Bis September 2024, so die Vorgabe der Haushaltspolitiker aus dem Oktober 2023, hat Stark-Watzingers Ministerium dafür Zeit. In der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern, wo ein solches Programm verhandelt werden müsste, war in der jüngsten Sitzung im März davon jedoch noch keine Rede. Im Juni trifft man sich das nächste Mal.

 

Das BMBF hatte auf Anfrage mitgeteilt, man habe "einen Beratungsprozess mit Expertinnen und Experten von Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und außeruniversitären Forschungseinrichtungen initiiert" und werde dem Haushaltsausschuss auf Basis dieser Gespräche zur Umsetzung des Maßgabebeschlusses berichten. Zudem verwies das BMBF auf den Wissenschaftsrat, der an Empfehlungen zu Personalstrukturen in der Wissenschaft arbeitet.



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