WissZeitVG: Drei Schlussfolgerungen, bevor das Parlament dran ist
Das Bundeskabinett gibt den Entwurf der Novelle endlich an den Bundestag ab – inklusive eines ungelösten Konflikts. Und nun?
AM MITTWOCHVORMITTAG sollte das Bundeskabinett die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) beschließen. Die gute Nachricht lautet also: Anders als zwischendurch befürchtet kommt es an dieser Stelle voraussichtlich zu keiner weiteren Verzögerung, das weitere Schicksal der Reform ist damit dem Parlament überantwortet.
Oft habe ich im Blog über die langen und verschlungenen Wege berichtet, über das Vor und Zurück, was das Gesetzesvorhaben seit seiner Ankündigung im Ampel-Koalitionsvertrag Ende 2021 durchgemacht hat. Oder auch nur seit der offiziellen Evaluation des geltenden WissZeitVG im Juni 2022, mit dem das BMBF das Startsignal für die Reform geben wollte.
Vielleicht wäre es ein guter Ansatzpunkt für die anstehenden Verhandlungen zwischen den Bundestagsfraktionen, jetzt noch einmal hineinzuschauen in die Evaluation. Und zu überprüfen, inwieweit der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf die dort festgestellten Missstände beseitigen oder abmildern kann. Dann könnte man zu mindestens drei Ergebnissen kommen.
Erstens: Keine Reform des WissZeitVG, weil man sich nicht einig wird etwa über die Länge und Ausgestaltung der Postdoc-Phase, kann keine Alternative sein, dafür enthält schon die jetzige Textfassung zu viele Verbesserungen, etwa in Form von Mindestvertragslaufzeiten für Doktoranden und studentische Beschäftigte.
Zweitens: So wichtig es ist, eine Lösung für den im Kabinett nur vertagten (=ausgeklammerten) Postdoc-Streit zu finden – schon zur Gesichtswahrung aller Beteiligten –, so wichtig ist es, auch auf die Verantwortung der Länder hinzuweisen. Und zwar sowohl in Sachen auskömmlicher Hochschulfinanzierung als auch, dann umso besser zu argumentieren, in Hinblick auf verbindliche Vorgaben für den Aufbau von mehr Dauerstellen an den Hochschulen.
Drittens: Es gehört zu den zentralen – und unbefristeten – Führungsaufgaben der Rektorate und Dekanate, so lange zu initiieren, zu schieben, ja zu drängeln, bis das Ziel besserer Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft in Kultur, Strategie und Verantwortungsgefühl ihrer Einrichtungen wirklich verinnerlicht ist.
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Kommentare
#1 - Punkt 3 am Ende des Textes ist ein wenig befremdlich.…
Hinter dem Wunsch in Punkt 3 steht ein Irrtum, der sich seit Langem durch die deutsche Wissenschaftspolitik zieht:
Die Hochschulleitungen sind Arbeitgeber, die ihre eigenen Interessen vertreten - nicht die der gesamten Beschäftigten an den Hochschulen und erst recht nicht die des Mittelbaus. Wer deren interessen berücksichtigen will, darf nicht mit den Präsidien reden, sondern muss sich an die Betroffenen und die Gewerkschaften wenden.
#2 - Ich lese den Punkt 3 eher als Aufforderung, dass die…
Ich finde den Gedanken allerdings auch recht interessant, dass in der Oeffentlichkeit die Sichtweise vorherrschen koennte, dass Hochschulleitungen die Interessen der Wissenschaftler_innen vertreten. Dieses ist nachweislich nicht der Fall, wie korrekt im Kommentar #1 angemerkt.
Als jemand der als Post-doc schon fuer 3 separate Perioden an britischen Unis gearbeitet hat und in absehbarer Zeit wieder an einer deutschen Uni ein Projekt durchfuehren wird (Einstellungsantrag wird gerade bearbeitet; ohne die insgesamt 9,5 Jahre in UK wuerde ich in D keinen Vertrag mehr bekommen), kenne ich die kulturellen Unterschiede zwischen deutschen und britischen Universitaeten sehr genau. Vereinfacht gesagt sehen sich britische Universitaeten als Unternehmen, die durchaus ein Interesse daran haben, faehige Mitarbeiter zu halten, deshalb gibt es in der Regel auch interne bridging grants, internen Vorrang bei Ausschreibungen etc. Deutsche Unis erscheinen mir dazu im Vergleich immernoch mehr als (Bildungs-)Behoerde zu agieren (new public management). Das ganze Hickhack um Kettenvertraege (WissZeitVG) usw. geht aus meiner Sicht an dem Kern des Problems vorbei: die deutschen Hochschulen geniessen noch zu wenig Autonomie, um ueberhaupt irgendein Interesse an einer nachhaltigen Personalentwicklungsstrategie fuer den wissenschaftlichen Mittelbau zu haben. Gemaess 'Hanlon’s Razor' finde ich es jedoch schockierend wie wenig inhaltlicher Sachverstand (Motto: 'led by donkeys') in den Bundesministerien bei diversen Referentenentwuerfen mitwirkt: nicht nur beim WissZeitVG, sondern juengst auch beim Physiotherapieberufereformgesetz (PhyThBRefG) zu bestaunen.
#3 - Ich kann Jean-Pierre Teitinger nur zustimmen! Mir scheint…
#4 - Ich finde der dritte Punkt ist regelrecht absurd. Die…
#5 - Vielen Dank für die Kommentare! Mein dritter Punkt sollte…
Beste Grüße
Ihr Jan-Martin Wiarda
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