Zwischen Kaminabend und Mondmission
Die DFG-Programmpauschale soll steigen, der deutsche ESA-Beitrag auch, und in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz inszenieren Bund und Länder Eintracht. Aufbruchssignale für die Wissenschaftspolitik?
Gute Laune: Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) und Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) nach ihrem gemeinsamen "Doorstep"-Pressestatement am Freitagmorgen. Screenshot aus dem BMFTR-Livestream.
ES SCHEINT EIN LANGER ABEND gewesen zu sein. Es ist früher Freitagmorgen, Dorothee Bär steht im Foyer ihres Ministeriums, und am Anfang ihres zweiminütigen Statements verhaspelt sich die CSU-Bundesforschungsministerin. "Ich freue mich sehr, dass wir heute Abend, gestern Abend, dass wir heute gemeinsam beraten werden, nachdem wir gestern einen so erfolgreichen Abend hatten", sagt sie.
Sie meint den sogenannten "Kamin", das inoffizielle Treffen mit den Wissenschaftsministern der Länder, das traditionell der offiziellen Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) vorgeschaltet war. Bei der kann Bär nicht mehr dabei sein, weil am Vormittag im Bundestag der BMFTR-Haushalt für 2026 debattiert wird, aber das ist nicht schlimm. Denn es scheint auch ein erfolgreicher Abend gewesen zu sein.
Bär schwärmt kurz über dieses "sehr schöne" Kaminformat, bei dem sie und ihre Länderkolleginnen und -kollegen tatsächlich einmal die Möglichkeit hätten, "sehr intensiv über sehr viele Stunden" über alle wichtigen wissenschaftspolitischen Themen zu sprechen – um dann die aus Sicht der Universitäten entscheidende Nachricht des Tages zu verkünden: Sie sei "sehr zuversichtlich, dass wir im Schulterschluss mit Bund, Ländern und der DFG zu einem sehr guten Ergebnis kommen werden und dass wir gemeinsam dazu beitragen können, dass die DFG-Programmpauschale von 22 auf 25 Prozent erhöht werden kann."
Ein Morgen, der nach Eintracht riecht
Mit anderen Worten: Es kommt wie erhofft und zuletzt auch erwartet. Die Programmpauschale ist der pauschale Overhead-Zuschlag der DFG, mit dem Hochschulen die indirekten Projektkosten – etwa für Verwaltung, IT und Infrastruktur – erstattet bekommen. Die aktuelle Vereinbarung zwischen Bund und Ländern lief Ende 2025 aus, es drohte der Totalabriss. Jetzt soll nicht nur die Verlängerung kommen, sondern ab 2027 auch die Erhöhung. Alle offenen Fragen sind in Anwesenheit der Ministerin abgeräumt worden, sodass der GWK-Beschluss am Vormittag nur noch eine Formalie sein dürfte.
Das bestätigt auch Niedersachsens SPD-Wissenschaftsminister Falko Mohrs, der diesjährige GWK-Vorsitzende, der beim Pressestatement neben der Ministerin steht. Er sei "sehr optimistisch", dass die Erhöhung gelinge, weil "die ganzen Vorberatungen sehr gut gewesen sind". Und ganz wichtig: Anders als im Vorfeld zeitweise diskutiert, würden die Länder diesen Schritt gemeinsam gehen. "Ich sage ganz offen: Am Anfang des Prozesses hätte ich vielleicht nicht daran gedacht, weil das ein schwieriges Unterfangen ist. Wir haben alle finanziell herausfordernde Zeiten – der Bund genauso wie alle Länder."
Herausfordernd auch für die DFG: Sie soll die Hälfte des Aufwuchses tragen, aus ihrem bestehenden Budget herausschneiden. Das hatte sie so angeboten, so sah es der Koalitionsvertrag vor. Da stand allerdings auch die 30 Prozent als Zielzahl, nicht 25 Prozent. Das räumt auch Mohrs ein, spricht von einem "noch ambitionierteren Ziel", das "aber am Ende nicht für alle finanziell darstellbar" gewesen sei. "Der Weg ist aber genau der, mit 25 Prozent auf europäisches Niveau zu kommen. Das ist auch wichtig, damit wir hier gleichlautend unterwegs sind."
Bär kann an der Stelle ganz entspannt sein, denn sie weiß: Die für die Erhöhung nötigen Summen mögen vergleichsweise niedrig aussehen (siehe unten). Doch nicht nur bei ihr ist das Geld knapp, auch etliche Länder sind so klamm, dass die 30 Prozent wohl mindestens bis zum Ende der Legislaturperiode unerreicht bleiben. So, wie sich der zwischenzeitliche Ärger ihrer Länderkollegen über die diesbezüglichen Zusagen zu ihren Lasten im Koalitionsvertrag des Bundes nicht gegen sie richtete – weil sie das Wissenschaftskapitel noch gar nicht mitverhandelt hatte.
Hightech-Agenda: Vom Länderfrust zur Vertraulichkeit
Anders war das bei der Aufregung der Länder in den Tagen nach der Auftaktveranstaltung zu Bärs wichtigstem Projekt, der "Hightech-Agenda Deutschland". Bei deren Haupt-Podiumsrunden fehlten die Ländervertreter – so, wie insgesamt unklar blieb, wie Bär die Länder einbinden wollte. Doch auch hier fallen am Morgen vor der Presse bemerkenswerte Sätze. "Wir sind alle richtig erfolgshungrig, sowohl der Bund wie auch alle 16 Länder", sagt Falko Mohrs. "Wir wollen unbedingt diesen Erfolg, weil wir glauben, dass die Hightech-Agenda für uns als Deutschland einfach zentral wichtig ist."
Ein SPD-Minister, der eine von der CSU-Bundesforschungsministerin vorangetriebene Initiative als für das Land "zentral wichtig" bezeichnet. Eine Forschungsministerin, die er, ohne dass es aufgesetzt wirkt, als "liebe Doro" anredet. Weil auch hier die Zeichen auf Entspannung stehen.
Beim Kamin, sagte Mohrs weiter, hätten sie deswegen auch gestern intensiv darüber gesprochen: "Wie gelingt es, in einem gemeinsamen Prozess hier erfolgreich zu werden?" Eine der Absprachen laute, dass jedes Bundesland jetzt einen Hightech-Agenda-Beauftragten benennen werde, "damit wir dort eben auf einer sehr hohen Frequenz diese Informationen gemeinsam abstimmen können." Eine gemeinsame Gruppe von Bund und Ländern, in der Informationen zusammenflössen – "damit eben auch die Einbindung der Hochschulen, der außeruniversitären Einrichtungen und der Unternehmen gelingt." Direkt an Bär gewandt fügte Mohrs hinzu: "Ihr stellt auf Bundesebene sicher, dass alle anderen Ressorts mitgenommen werden, und das Gleiche müssen wir auf der Landesebene machen."
So viel gute Eintracht und gute Laune, die auch nicht durch Journalistenfragen gestört werden, denn von denen haben nur wenige so früh am Morgen den Weg ins Ministerium finden können. Parallel läuft ein Livestream, aber hier war keine Fragemöglichkeit vorgesehen.
Bärs Raumfahrttage
Doch auch sonst hat Bär gerade einen Lauf. Zum Kaminabend am Donnerstag kam sie direkt aus Bremen, wo sie zuvor Gastgeberin der ESA-Ministerratskonferenz war. Im Vorfeld hatte das BMFTR eine deutsche Zeichnungssumme von bis zu fünf Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre in Aussicht gestellt. In den Verhandlungen ging Bär, gestützt vom Koalitionspartner SPD, deutlich über diese Summe hinaus und sagte 5,4 Milliarden aus dem Bundeshaushalt zu – eine Steigerung des deutschen Beitrages um etwa 30 Prozent.
Bär sagte laut Pressemitteilung, sie danke auch dem Verteidigungsministerium, das sich erstmals am deutschen Beitrag beteiligt habe – dem Vernehmen nach mit rund 170 Millionen Euro. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass man sich im BMFTR lange um das Engagement auch anderer Ministerien bemüht hatte. Bär hob derweil den "Paradigmenwechsel" hervor, den die ESA vollziehe, "hin zu wettbewerblichen, nutzer- und anwendungsorientierten Ansätzen. So sorgen wir für Souveränität im All und schaffen Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung in der deutschen Wirtschaft – in der Raumfahrt und darüber hinaus."
Einen Coup hatte Bär mit der kurz zuvor verkündeten Verpflichtung des Ex-Astronauten, früheren DLR-Vorstandsmitglieds und langjährigem ESA-Beraters Thomas Reiter zum Leiter der neuen Raumfahrt-Abteilung ihres Ministeriums erzielt. Und im Gegenzug für die deutsche Rekordbeteiligung verkündete ESA-Chef Josef Aschbacher dann auch noch, dass Deutschland als erstes europäisches Land einen Astronauten auf den Mond schicken soll, im Rahmen des von den USA betriebenen "Artemis"-Raumfahrtprogramms.
Mit Alexander Gerst und Matthias Maurer gibt es zwei heiße Kandidaten, die beide die nötige Erfahrung hätten. Doch wer wann fliegen kann, ist offen. Bär kommentierte zufrieden: "Nach über 50 Jahren ist es auch wirklich wieder an der Zeit, dass wir uns dem Mond nähern. Und da ist es großartig, dass jetzt auch endlich ein Europäer und vor allem auch ein Deutscher dabei sein wird."
Wandernde Haushaltstitel
Im Bundestag sollte es am Freitag dann um die 21,8 Milliarden Euro gehen, die 2026 für den Einzelplan 30 des Ministeriums vorgesehen sind. Aus dem Sondervermögen sollen weitere 1,6 Milliarden hinzukommen, hauptsächlich für die Hightech-Agenda, wovon allerdings der Großteil noch gesperrt ist.
Die Opposition kritisiert den Verschiebebahnhof aus dem Normalhaushalt zulasten des Sondervermögens – der einen Vergleich zu den Vorjahren noch schwerer macht, als er ohnehin schon dadurch ist, dass durch den neuen Ministeriumszuschnitt große Haushaltstitel ins BMBFSFJ abgewandert sind und andere im Gegenzug vor allem aus dem Wirtschaftsministerium (Stichwort Raumfahrt) und Verkehrsministerium dazukamen.
Drei Beobachtungen sind jedoch wichtig. Erstens: Der Anteil der fest verplanten institutionellen Förderung (fast 9,6 Milliarden Euro), bedingt vor allem durch die großen Wissenschaftspakte, nähert sich weiter der 50-Prozent-Marke des Einzelplans an, was die Bewegungsspielräume vor allem in Zeiten knapper Kassen noch geringer macht. Zweitens: Trotzdem wächst die Projektförderung noch leicht und liegt 2026 bei gut 8,6 Milliarden. Drittens: Der Haushaltsausschuss hatte zuletzt gegenüber dem Kabinettsentwurf eine Reihe Änderungen durchgewunken, die in der Wissenschaftsszene gut ankamen. Darunter 50 Millionen Euro für eine neue Transferinitiative – und über zehn Jahre insgesamt 500 Millionen Euro für die Erforschung von Long Covid, ME/CFS und weiteren postinfektiösen Krankheitsbildern.
Ein Thema, von dem Bär wiederholt betont hat, wie bedeutsam es für sie ist – und für das sie offenbar tief in den eigenen Haushalt greifen muss. So bleibt an diesem Freitagmorgen der Eindruck einer Ministerin in Eintracht mit den Ländern und Europa – ein Eindruck, der ein bisschen Müdigkeit rechtfertigt.
Nachtrag am 28. November 2025, 12.15:
Beschluss offiziell durch, Lob und Mahnungen aus der Wissenschaft
Die GWK meldet per Pressemitteilung: Der Beschluss, die Programmpauschale der DFG von 22 auf 25 Prozent anzuheben, ist offiziell gefallen. Es ist die erste Erhöhung seit 2016. Der Schritt bringe die deutschen Hochschulen beim Overhead-Satz auf EU-Niveau und verbessere die Ausfinanzierung von Forschungsprojekten deutlich. Bund und Länder finanzieren jeweils ein Viertel des Aufwuchses, während die DFG die Hälfte durch Umschichtungen innerhalb ihres Förderhaushalts trägt. Der neue Satz gilt für Neubewilligungen ab 2027; bis Ende 2026 bewilligte Projekte laufen mit der alten Pauschale weiter. 78,6 Millionen Euro zusätzlich wollen Bund und Länder dafür bis 2030 zusätzlich bereitstellen.
Die DFG begrüßte die Einigung in der GWK. Die Anhebung bleibe zwar hinter der von der DFG selbst als dringend notwendig erachteten Erhöhung auf 30 Prozent zurück. "Angesichts der angespannten öffentlichen Haushalte ist sie dennoch ein wichtiges Zeichen für die Stärkung der Wissenschaft und ein erster Schritt in die richtige Richtung", heißt es in einer am Mittag veröffentlichen Mitteilung. "Im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der von ihr geförderten Projekte und der Wissenschaft in Deutschland insgesamt ist die DFG deshalb auch bereit, einen Anteil der heute beschlossenen Erhöhung selbst zu tragen – auch wenn dies zusätzliche Belastungen für die eigentlichen Bewilligungen von Fördermitteln mit sich bringen wird." Umso wichtiger sei nun die Fortführung des Pakts für Forschung und Innovation (PFI) auch über das Jahr 2030 hinaus. Der PFI garantiert der DFG und den großen außeruniversitären Forschungsorganisationen zurzeit jedes Jahr drei Prozent mehr Budget.
Lob kam auch von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Deren Präsident Walter Rosenthal sprach angesichts klammer öffentlicher Kassen von einem "Schritt in die richtige Richtung". Angesichts der im Koalitionsvertrag auf Bundesebene angekündigten Erhöhung auf 30 Prozent könne dies allerdings nicht das letzte Wort sein. Eine Studie im Auftrag des BMFTR habe 2024 festgestellt, dass eigentlich 45 Prozent erforderlich sei. Und der Wissenschaftsrat habe 2023 betont, dass die seit langem zu geringe Programmpauschale die Hochschulen in ihrer strategischen Handlungsfähigkeit einschränke. Zugleich warnte Rosenthal vor Kürzungen an anderer Stelle, um die nun getroffene Vereinbarung zu finanzieren. "Die HRK wird die Ausgestaltung der Regelung aufmerksam verfolgen und darauf drängen, dass die leichte Erhöhung der Programmpauschale nicht durch eine Verschlechterung an anderer Stelle aufgezehrt wird." An der Programmpauschale werde das Problem der nicht auskömmlichen Grundfinanzierung der Hochschulen besonders sichtbar. Diese seien in der Forschung in einem deutlich zu hohen Ausmaß von Drittmitteln abhängig.
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