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Zwischen Walkman und Marsmond

Bundespräsident Steinmeier reiste nach Japan und nahm Forschungsministerin Bär mit. Es ging um die Wiederentdeckung einer alten Faszination und die Anbahnung einer neuen Raumfahrt-Partnerschaft – mit viel Symbolik, wenig Konkretem, aber einem gemeinsamen Blick zum Himmel.
Gruppe von Menschen auf einer Bühne in Japan, darunter Frank-Walter Steinmeier und Dorothee Bär.

Gruppenfoto mit Bundespräsident und Forschungsministerin zum Abschluss des Raumfahrt-Events auf der Expo 2025 in Osaka, Japan. Foto: Jan-Martin Wiarda.

WIE SIE DA AM ENDE alle zusammen auf der Bühne standen – Bundespräsident, Forschungsministerin und Astronaut, umgeben von Wissenschaftlern, Managern und Funktionären –, wirkte das Bild wie aus einer dieser Unterhaltungsshows im Fernsehen, in denen gute Laune der wichtigste Inhalt ist. Und tatsächlich gab es auch an diesem Juninachmittag in Osaka, beim groß angekündigten Raumfahrt-Event zum Deutschen Nationentag auf der Expo 2025, kaum Botschaften mit Neuigkeitswert zu vermitteln.

Darum ging es aber auch gar nicht. "Wenn ein Bundespräsident ein Land gleich vier Mal besucht, dann kann man wohl von einer besonderen Beziehung ausgehen – und von einem ganz besonderen Interesse", hatte Frank-Walter Steinmeier schon am ersten Abend seiner dreitägigen Reise nach Japan gesagt, im Garten der Deutschen Botschaft in Tokio. Es gebe noch "viel Potenzial für vertiefte Kooperation". Deutschland und Japan seien Wertepartner und träten ein für den Erhalt einer regelbasierten internationalen Ordnung. Deshalb sei er froh, mit einer Delegation aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur gekommen zu sein. "Wir wollen voneinander lernen und auch in Zeiten der Krisen und Konflikte gemeinsam weiter nach vorne denken."

Raumfahrt als neuer Brückenschlag

Eine Reise fast ohne greifbare Ergebnisse, dafür mit jeder Menge Symbolik: vom zeremoniellen Empfang beim Kaiser über die militärischen Ehren beim Ministerpräsidenten – bis hin zum Lande-Rover IDEFIX auf der Bühne in Osaka, entwickelt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dessen französischem Pendant CNES für die 2026 startende japanische Marsmond-Mission. Die Weltausstellung mit ihrem Nachhaltigkeits-Motto "Designing Future Society for Our Lives" bot für deutsch-japanische Zuneigungsgesten die perfekte Kulisse, erbaut auf einer künstlichen Insel, die Nationen-Pavillons umgeben vom "Großen Ring", dem mit zwei Kilometern Umfang größten Holzbau der Welt. 

Ein Schwerpunkt der von Steinmeier erwähnten vertieften Kooperation, das signalisierte schon die mitreisende Dorothee Bär (CSU), soll die Raumfahrt werden. Bär, Chefin des neu zugeschnittenen Bundesministeriums für Forschung, Technologie – und Raumfahrt, beschwor in der Halle der Nationen, den Rover an ihrer Seite, den "Geist des Vertrauens" in Wissenschaft wie Wirtschaft, eine "strategische Partnerschaft", die ihr persönlich und für Deutschland insgesamt sehr wichtig sei. Und kündigte die Unterzeichnung einer neuen deutsch-japanischen Absichtserklärung zur Weltraumkooperation an. Diese Woche Donnerstag in Berlin. Bis dahin: keine Details.

Dennoch ist bemerkenswert, was sich da andeutet: Zwei Technologiestandorte in der Transformationskrise – ausgebremst von Überbürokratisierung, gesellschaftlicher Alterung und tiefgreifenden Zweifeln an der politischen Handlungsfähigkeit – versuchen, ihre Beziehung zueinander neu zu definieren. Eine Rückkehr der deutschen Faszination mit dem Innovations-Überfliegerland der 70er- und 80er-Jahre, das der Bundespräsident in seiner Rede in Tokio durch den Walkman verkörpert sah – laut Steinmeier für die junge Generation damals nicht nur eine technische Neuerung, sondern ein "Gefühl von Modernität und Zukunft"? Das wäre die ebenso schöne wie romantische Perspektive.

Die zweite Reihe schließt sich kurz

Ganz sicher wäre die deutsch-japanische Hinwendung zueinander, von der sich noch zeigen muss, ob sie mehr ist als schöne Worte, auch eine Reaktion auf zwei weltpolitische Entwicklungen. Zum einen ist da der immer dramatischere Mangel an Verlässlichkeit der Trump-Administration, der sich – wie in so vielen Feldern – auch auf die internationale Raumfahrt auswirkt. Seit bekannt wurde, dass das NASA-Budget inflationsbereinigt um ein Viertel gekürzt werden soll, fürchten internationale Partner um die gemeinsamen Missionen, etwa zum Mond. 

Zum anderen – und das führt weit über die Raumfahrt hinaus – haben Deutschland und Japan die Erfahrung gemeinsam, bei den entscheidenden Spitzentechnologien, zuletzt der Künstlichen Intelligenz, von den USA und China fast immer in die zweite Reihe verwiesen zu werden. In dieser zweiten Reihe begegnen sie sich – und teilen die Sehnsucht nach dem technologischen Wiederaufstieg. Aber kann das klappen? Können zwei kriselnde Innovationssysteme gemeinsam einen Aufbruch schaffen?

Um diese Frage zu beantworten, müsste man zunächst mehr darüber wissen, worauf genau die Japaner ihrerseits – abseits der freundlichen Floskeln – in der Partnerschaft mit Deutschland abzielen. Während des Besuchs des Bundespräsidenten drehten sich die politischen Debatten in Japan um die Abwahl des von der Minderheitsregierung gestellten Vorsitzenden des Finanzausschusses, die Reispreise befanden sich auf Rekordniveau, und die Regierung will die Stimmung mit Konsumschecks heben. Bleibt da überhaupt noch Spielraum – gedanklich wie finanziell – für mehr Kooperationen vor allem in der Raumfahrt?

Hiroshi Yamakawa, Chef der japanischen Raumfahrt-Behörde JAXA, antwortete in Osaka auf die Frage der Moderatorin, was er in Zukunft von der Kooperation mit Deutschland in der Raumfahrt erwarte: "Da wir seit über 30 Jahren zusammenarbeiten, lässt sich das nicht in einer Minute beantworten." Und weiter: "Aber unsere Zusammenarbeit ist sehr vielfältig."

Ebenfalls offen ist, wie viel zusätzliches Geld Deutschland am Ende tatsächlich für Wissenschaft und Innovation – und speziell für die Raumfahrt – in die Hand zu nehmen bereit ist. Ein erstes Gefühl wird man am heutigen Dienstag nach dem offiziellen Beschluss des Haushaltsentwurfs durch das Bundeskabinett bekommen. Nur wird schon die Einordnung des BMFTR-Einzelplans eine Herausforderung angesichts der laufenden Umstrukturierungen von Referaten und Haushaltstiteln zwischen den Ministerien, die noch längst nicht abgeschlossen sind und einen Vergleich mit früheren Jahren erschweren. Entscheidend wird sein, welche Spielräume für Neues Dorothee Bär am Ende tatsächlich erhält – und was das für ihre Raumfahrtstrategie bedeutet. 

Die sie erst noch definieren muss: Laut Koalitionsvertrag sollen die deutschen ESA-Mittel aufgestockt werden, was bedeutet das für die eigenen deutsche Raumfahrtambitionen? Und was soll im Vordergrund stehen: Die Teilnahme an spektakulären Astronauten-Missionen zu Mond und langfristig zum Mars – oder der weniger strahlende, aber kostenintensive Ausbau unabhängiger Erdbeobachtung und Satellitentechnik auch angesichts der veränderten Sicherheitslage? Inwiefern geht beides? 

Kleine Signale, große Erwartungen

Das Interesse an der Zusammenarbeit mit Japan deutet stärker auf letzteres hin. Diesen Donnerstag wollen Bär und ihr japanischer Amtskollege Minoru Kiuchi in Berlin zwei Absichtserklärungen unterzeichnen: eine allgemeine zur Vertiefung der Beziehungen in Forschung, Technologie und Innovation – und eine spezifische zur zivilen Kooperation in der Raumfahrt. Darin, so ist zu hören, werden zumindest von deutscher Seite schon konkrete Felder für gemeinsame Projekte benannt. Es wäre zu hoffen, dass die demonstrative Japan-Begeisterung der deutschen Delegation in Osaka auf diese Weise auch inhaltlich unterfüttert wird.

Bis dahin bleibt es beim Feiern kleiner Signale. Etwa die seit über 20 Jahren bestehende Partnerschaft der RWTH Aachen mit der früheren Tokyo Tech, die gerade im neuen Institute of Science Tokyo aufgegangen ist. Wobei die Schlagzeile von der Verdopplung der Zahl der Austauschstudierenden größer klang als die tatsächliche Erhöhung – von fünf auf zehn pro Jahr. "Viel bedeutender" aber sei, sagt RWTH-Rektor Rüdiger, der ebenfalls zu Steinmeiers Entourage gehörte, dass die Partnerschaft künftig strategisch über mehrere Fakultäten und alle Leistungsbereiche hinweg geführt werde – mit dem Ziel, in den kommenden Jahren bis zu 100 Promotionen mit deutsch-japanischer Doppelbetreuung umzusetzen.

Bei ihrem Besuch beim japanischen Startup iSpace erfuhr Dorothee Bär wiederum, dass die Funktionalitäten des Mondrovers Tenacious bei DLR und ESA in Köln getestet wurden – in der dortigen Mondhalle LUNA, die die Bedingungen auf dem Erdtrabanten simuliert. Und dann war da noch der Auftritt des JAXA-Astronauten Takuya Onishi, der beim deutschen Nationentag auf der Expo per Video aus dem All von Assistenzroboter CIMON erzählte, der ihm und seinen Kolleg:innen auf der ISS zur Hand gehe.

Während der deutsche Astronaut Matthias Maurer, 2022 von der ISS zurückgekehrt, bei der bunten Raumfahrt-Show in Osaka sagte, die Herausforderungen "da draußen" im Weltall seien zu groß für ein einzelnes Land. "Wenn wir unsere Kräfte bündeln, ist es möglich, das zu schaffen, was niemand allein erreichen könnte." Vielleicht, so Maurer, auch in der bemannten Raumfahrt. Europa – das war die Ebene, die Maurer, vielleicht bewusst im Kontrast zur Deutschlandzentriertheit des Nationentags, betonte – Europa und Japan seien "gleichwertige Partner". Partner, die – aus alter Liebe oder neuer Realpolitik – einander gerade wiederentdecken.

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