Nach "Trump gegen Harvard" folgt jetzt "Trump gegen Kalifornien"
Vom Elitecampus zur Sanctuary City: Der US-Präsident greift gezielt Orte an, die für ein anderes Amerika stehen.

Donald Trumps offizielles Inaugurationsfoto. Urheber: Daniel Torok, Wikimedia Commons, CC0.
In den vergangenen Tagen ist es um die Angriffe der US-Regierung auf die Harvard-Universität ruhiger geworden – aber nur, weil ein anderer innenpolitischer Feldzug von Donald Trump die Schlagzeilen beherrscht. Einer, der dem Sprachbild in bedrückender Weise noch näher kommt: Tausende Soldaten, Nationalgardisten und US-Marines patrouillieren in und um Los Angeles, der zweitgrößten Stadt der Vereinigten Staaten. Gegen den Willen von Stadt und Bundesstaat.
In seinem Social-Media-Netzwerk "Truth Social" sprach der Präsident von einer "großartigen Entscheidung, die Nationalgarde zu entsenden, um die gewalttätigen, angestifteten Unruhen in Kalifornien zu bekämpfen. Hätten wir dies nicht getan, wäre Los Angeles komplett ausgelöscht worden." Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom und LA-Bürgermeisterin Karen Bass beschimpfte er als inkompetent und undankbar; ihre Aussagen, es habe sich um friedliche Proteste gegen das überharte Vorgehen der Einwanderungsbehörde ICE gehandelt, seien Lügen. Für Trump gibt es eben keine Unterscheidung zwischen Demonstranten für Bürgerrechte und Randalierern, die die Situation missbrauchen.
Später legte Trump nach: Die "Aufständischen" hätten die Tendenz, den Nationalgardisten ins Gesicht zu spucken. "Aber nicht mit der Trump-Administration. WENN SIE SPUCKEN, WERDEN WIR ZUSCHLAGEN, und ich verspreche Ihnen, sie werden härter getroffen werden, als sie je zuvor getroffen wurden."
Ist es nötig, Trump so ausführlich zu zitieren? Ich glaube: ja. Weil nur dadurch die ganze Verrohung in Denken, Worten und Taten deutlich wird. Und weil es eben keineswegs Zufall, sondern Kalkül ist, dass Trump nach Harvard jetzt an einer Metropole wie Los Angeles ein Exempel statuieren will. So, wie er Harvard als Inbegriff des von ihm verhassten linken Intellektualismus begreift und deshalb den Widerstand der Universität unbedingt brechen will – als Warnung an die Wissenschaft als Ganzes –, so steht Los Angeles für den Liberalismus der großen Städte im Westen und Nordosten der USA. Viele davon sind sogenannte "Sanctuary Cities“: Teilweise seit Jahrzehnten schränken sie die Zusammenarbeit mit Bundesbehörden bei der Verfolgung undokumentierter Einwanderer ein oder verweigern sie ganz. Los Angeles war mit die erste unter ihnen, schon 1979 wies sie ihre Polizei an, Inhaftierte nicht mehr auf ihren Einwanderungsstatus zu überprüfen. 2017 erklärte sich ganz Kalifornien per Gesetz zum "Sanctuary State“.
Insofern ergibt es auf perverse Weise viel Sinn, dass Trump sich jetzt auf L.A. konzentriert. Seine Regierung hat die Stimmung in der Stadt durch ihr Handeln erst aufgeheizt, dann kalkuliert eskalieren lassen – und wird nun jede Brutalität rechtfertigen, um sie wieder "unter Kontrolle" zu bringen – als Machtdemonstration und zugleich als unmissverständliche Botschaft an die Verteidiger der Bürgerrechte überall im Land.
In Harvard haben sie den nächsten Zwischenerfolg vor Gericht gegen den Einreisestopp für internationale Studierende erreicht – dessen Einschüchterungswirkung dennoch verheerend ausfallen dürfte. Auch Kalifornien hat Trumps Regierung inzwischen verklagt – wohl wissend, dass die auch die Unabhängigkeit der Gerichte massiv angreift. In Los Angeles erreicht der Kampf um die amerikanische Demokratie die nächste Stufe. Und wieder können wir als Europäer und Deutsche nur atemlos zusehen – und lernen. Es bräuchte das gesamte demokratische Spektrum von ganz links bis ganz rechts, um dem Autoritarismus die Stirn zu bieten. In den USA aber zeigt sich: Weil die Demokraten mehrheitlich kraftlos und die Republikaner weitgehend gefügig sind, liegt die Verteidigung von Freiheit und Rechtsstaat nur noch in den Händen einiger weniger Mutiger – Demonstrierende, Hochschulpräsidenten, Gouverneure und Bürgermeister.
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Kommentare
#1 - da fehlt doch was
Kein Wort darüber, dass es um illegale Einwanderung geht, die über viele Jahre vom Bundesstaat ignoriert wurde. Die Methoden Trumps kann man kritisieren - das Ziel, bei der Migration wieder Recht und Ordnung herzustellen, wird wohl von den US-Bürgern weit überwiegend als legitim angesehen. Einfache Schwarz-Weiß-Bilder (Trump böse, Demokraten und Protestler gut) sind wenig zielführend.
#1.1 - Angemessenheit
Vorweg: Doch, leider ist die Situation in den USA schwarz/weiß zu zeichnen. Es gibt einfach keine Möglichkeit, die Politik von Trump und seinem Umfeld als begründet, rational oder nachvollziehbar zu sehen. Egal auf welcher Ebene - angefangen von der kindischen Argumentationsweise von Trump, die dem Niveau von (schlecht erzogenen) Kindergartenkindern entspricht, der Bestimmung vieler seiner Handlungen auf Basis verletzter persönlicher Eitelkeiten (z.B. Begnadigung aller Januar 06-Verbrecher, gleichzeitige Entlassung aller Mitarbeiter im Justizministerium, die gegen ihn ermittelt haben), seiner weitgehend irrlichternden Politik (Zölle! oder auch nicht, oder auch niedriger, oder auch mal wieder höher)... bis hin zur übersteigerten absurd-populistischen, rechtskonservativen Weltsicht, die letztlich auf die Abschaffung des Rechtsstaates und der amerikanischen Demokratie aus ist. Punkt!
Bezüglich der Immigration: Es gibt sicher auch viele Wähler der Demokraten in den USA, die eine veränderte Vorgehensweise gegen illegale/undokumentierte Einwanderung unterstützen. Aber so eine Politik(wende) sehen wir nicht. Es werden einfach Quoten (3.000 pro Tag) für ICE/Bundesbehörden vorgegeben und die müssen halt mit Razzien und sofortiger Abschiebehaft erfüllt werden. Und das in einem Land, dass faktisch nur aus Einwanderern und Nachkommen von Einwanderern besteht - also ein klassisches "Einwanderungsland", wo das rechte Narrativ vom "Scheinasylanten" bisher nicht gut zog, sondern weniger der Status, als vielmehr der Wille zum Erfolg und Selbsterhalt moralisch bewertet wurde, d.h. wer illegal kommt, sich ordentlich verhält, fleißig arbeitet... der hat auch ein moralisches Recht zu bleiben. "The pursuit of happiness".
#2 - @1: ... da fehlt doch was.
Ganz so einfach ist es nun doch wohl nicht. Man sollte die Dinge schon so klar schreiben, wie Herr Wiarda das tut.
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