Heimatversprechen mit Fragezeichen
Forschungsministerin Dorothee Bär spricht von "garantierter Wissenschaftsfreiheit" und einem "Rundum-sorglos-Paket" für internationale Forschende – aber was genau meint sie damit?

Portraitfoto Dorothee Baer
Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons).
NEIN, DOROTHEE BÄR macht keinen schlechten Job in ihren ersten Wochen als Bundesforschungsministerin. Die CSU-Politikerin traf in den ersten Gesprächen mit Hochschulrektoren und Wissenschaftspolitikern den richtigen Ton, sie gab öffentlichkeitswirksame, manchmal auch arg plakative Interviews in BILD & Co zu Raumfahrt oder Long Covid, und gelegentlich verkaufte sie sogar wissenschaftspolitische Selbstverständlichkeiten so erfolgreich, dass sie dafür Beifall aus der Wissenschaft bekam.
Auch Bärs jüngstes Gespräch mit dem Handelsblatt, über das am Donnerstag in vielen Medien berichtet wurde, kommt überwiegend vernünftig daher, vor allem, wenn sie erste Details zum "1000-Köpfe-Programm nennt, diesem schillernden Versprechen im schwarz-roten Koalitionsvertrag, das Antwort sein soll auf Trumps Attacken auf die US-Wissenschaft.
Während ihr Parteichef und bayerischer Ministerpräsident Markus Söder ähnlich wie zuvor Kulturstaatsminister Wolfram Weimer der Versuchung erlag, Harvard so öffentlichkeitswirksam wie substanzlos einen Exil-Campus anzubieten (bzw. dem Bund, der den wohl laut Söder hauptsächlich finanzieren soll), machte Bär deutlich, dass es vor allem darum gehen soll und gehen muss, die bestehenden Stipendien- und Förderprogramme von Humboldt-Stiftung bis DFG zu erhöhen. Also auf bestehende Strukturen zu setzen, statt irgendwelche Parallelsysteme oder Wolkenkuckucksheime daneben zu setzen.
Die Abwerbefantasien en gros von US-"Spitzenforschern", was auch immer dieses Wort suggerieren soll, scheitern derweil schon daran, dass Deutschland, auch das erkennt Bär richtig, die dazu gehörenden "Spitzengehälter" en gros schlicht nicht zahlen kann, solange Politik,Gesellschaft und Wirtschaft nicht bereit sind, deutlich mehr als bislang ins Hochschulsystem zu investieren.
Allerdings geht der neuen Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt an einigen Stellen dann doch die Rhetorik durch. Was bitte soll die "garantierte Wissenschaftsfreiheit" sein, die Deutschland als seinen "USP", seinen "Unique Selling Point", statt viel Geld zu bieten habe? Wer garantiert denn hier was? Der Hinweis auf Grundgesetz-Artikel 5 reicht da sicherlich nicht. Tatsächlich zeigen jüngste Erhebungen, dass die Wissenschaftsfreiheit auch in Deutschland, wenn auch nur leicht, zurückgegangen ist.
Worauf internationale Forscher schauen
Und Forschende aus den USA und anderswo, die tatsächlich über den Wechsel nach Deutschland nachdenken sollten, schauen dann doch über die gerade erfolgte Regierungsbildung im Bund hinaus, informieren sich über anstehende Landtagswahlen etwa in Ostdeutschland, über die Umfrageergebnisse der AfD und deren Rhetorik. Und was sie sehen, wird sie nicht gleich ihre Flugtickets buchen lassen: Die Gefahren für die Wissenschaftsfreiheit sind auch in Deutschland gewaltig, die Hochschulen in ihrer Autonomie aufs Höchste gefährdet, wenn der weltweite Rechtsruck auch in Deutschland anfängt, sich in AfD-Regierungsbeteiligungen zumindest auf Länderebene zu manifestieren. Wo dann, kein Zweifel, nach Trump-Manier über Einschüchterung, Schikanen und gekappte Finanzströme Gefügigkeit erzwungen werden würde.
Als Bundesforschungsministerin wird Bär darum in den nächsten Jahren ihren Teil dazu leisten müssen, die Hochschulen und die Wissenschaft insgesamt resilienter zu machen, damit sie Vorkehrungen treffen können für diesen Worst Case. Unterdessen hat, um auch das deutlich zu sagen, ihre Partei, die CSU, mit Debatten über einen angeblichen Genderzwang in der Wissenschaft selbst Ressentiments bedient und mit dem "Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern" Vorgaben gemacht, Stichwort Verpflichtung der Hochschulen zur Kooperation mit der Bundeswehr um der nationalen Sicherheit willen, deren Vereinbarkeit mit Artikel 5 man hinterfragen kann.
Ein in jeder Hinsicht aufmerksamkeitserregendes Sprachbild benutzt die Ministerin mit ihrem "Rundum-sorglos-Paket", das Deutschland "im Idealfall“ für Forscherinnen und Forschern und ihren Familien anbieten sollte: "Dazu gehört ein Job für den Partner, dazu gehören Kitaplätze und mehr". Sehr richtig. Hauptsache nur, die Vorstellung eines solchen "Rundum-sorglos-Pakets" erschöpft sich nicht allein in der Logik von "Spitzenbedingungen" ausschließlich für die umworbenen "internationale Spitzenforscher". Schon jetzt aktiviert das Sprachbild die trainierten Abwehrreflexe bei all jenen, die sich für attraktivere Wissenschaftskarrieren in der Breite einsetzen: Der Hashtag"#Rundumsorglos" trendete am Donnerstag bereits vor allem in der "#IchbinHanna"-Community.
Zu Recht: Damit Deutschlands Wissenschaft konkurrenzfähig ist, braucht es bessere berufliche Bedingungen für alle, es braucht den grundsätzlichen Ausbau der sozialen und wissenschaftlichen Infrastruktur an und um die Hochschulen herum. Hier gilt, was Misbah Khan, die stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion am Donnerstag in Reaktion auf Bär sagte: Der neuen Bundesregierung stünden "beispiellose finanzielle Mittel und Gestaltungsspielräume" zur Verfügung, doch die zukunftsweisenden Pläne für den Erhalt und Ausbau dieser Infrastruktur seien bislang nicht erkennbar.
Erkennbar ist aber der Wille Dorothee Bärs, hochschul- und wissenschaftspolitisch etwas zu bewegen in den nächsten vier Jahren. Und ihr schwant ganz offensichtlich, dass das Beharrlichkeit, Strategie und sehr viel Geld kosten wird. "Ich habe aus dem Bundesanteil des Sondervermögens Geld für die Hochschulsanierungen angemeldet", sagte sie im Handelsblatt-Interview – "als Kofinanzierung für die inhaltlich zuständigen Länder." Um gleich nachzuschieben, dass man mit einem kleinen Programm starten sollte, "skalieren können wir später noch." Wobei man auch hier gegenfragen muss: Wann, wenn nicht jetzt ist Zeit zum Skalieren?
Kommentare
#1 - Spitzenforschung ist Teamwork
Spitzenforschung geschieht fast immer in einem Team, und Spitzenforscher*innen werden nur nach Deutschland kommen, wenn sie ihr Team mitbringen können. Insofern braucht es, um attraktiv genug zu sein, auch das „Rundum-Sorglos-Paket“ für ein ganzes Team von Leuten. Und dazu gehört natürlich auch eine dauerhafte Finanzierung für das Team. Die DFG und die Humboldt-Stiftung leisten hierfür zwar eine Anschubfinanzierung, aber alles dauerhafte läuft über die Universitäten bzw. deren Grundfinanzierung. Insofern muss der Bund hier auch die Länder mit ins Boot holen.
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