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Nur ein Vorschlag für die Galerie?

Kulturstaatsminister Weimer schlug Harvard einen Exil-Campus in Deutschland vor – doch auf Nachfrage bleibt von dem Vorstoß wenig übrig. Das kraftvolle Signal der Bundesregierung, das jetzt nötig wäre, steht weiter aus.
Harvard Hall, ein historisches Backsteingebäude, auf dem Campus der Harvard University in Cambridge, Massachussets

Harvard Hall auf dem Campus der Harvard University in Cambridge, Massachussets. Foto: Daderot, CC0, via Wikimedia Commons.

DAS ANGEBOT machte internationale Schlagzeilen. ''Exiled from Harvard? Study here, Germany says'', titelte die London Times.

''Ich schlage der Harvard University vor, in Deutschland einen eigenen Exil-Campus zu gründen'', sagte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Deutschland stehe für Kunst- und Pressefreiheit, für Studienqualität und Offenheit, Diskurs und Diversität. ''Studenten von Harvard und anderen amerikanischen Universitäten sind in Deutschland sehr willkommen.''

Ein Vorschlag mit perfektem Timing

Weimer war Chefredakteur der Welt, der Berliner Morgenpost und von Focus, er gründete das Magazin Cicero – und das Timing seines Vorstoßes war perfekt: Gerade hatte das US-Heimatschutzministerium Harvard die Zertifizierung entzogen, ausländische Studierende aufzunehmen. Bereits immatrikulierte internationale Studierende müssten die Universität verlassen oder würden ihren Aufenthaltsstatus verlieren.

Die internationalen Medien berichteten im Minutentakt, denn es war nur der jüngste Angriff auf Harvard. Die immer gleiche offizielle Begründung: Die Universität habe es ''antiamerikanischen und pro-terroristischen Agitatoren'' erlaubt, jüdische Studierende auf dem Campus zu attackieren. Als neues Element kam diesmal der nicht weiter belegte Vorwurf hinzu, Harvard arbeite mit der Kommunistischen Partei Chinas zusammen.

Die eigentliche Motivation der Trump-Administration dürfte freilich eine andere sein: Harvard gehört zu den wenigen amerikanischen Wissenschaftseinrichtungen, die dem regierungsamtlichen Feldzug gegen die Wissenschaftsfreiheit offen die Stirn bieten – und zugleich ist es unter ihnen die mächtigste: mit einem Stiftungsvermögen von 53 Milliarden Dollar und fast durchgängig unter den Top 5 in internationalen Hochschulrankings.

Zwar passt es insofern kaum in das Konzept von Harvard-Präsident Alan Garber, im Kampf gegen Trump die Segel zu streichen und zentrale Aktivitäten ins Ausland zu verlagern – und doch könnte Weimers ''Vorschlag'' eine doppelte Signalwirkung entfalten: als Unterstützungsangebot für eine bedrängte Universität. Und als die jetzt so dringend benötigte internationale Botschaft, dass Deutschlands Bundesregierung nicht nur bereit ist, Trumps Vorgehen zu kritisieren, sondern tatsächlich Verantwortung für die globale Wissenschaft übernimmt. Dafür müsste Weimers Vorschlag allerdings ernst gemeint gewesen sein. War er das?

Um das herauszufinden, habe ich eine mehrteilige Presseanfrage an die Pressestelle des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien – so Weimers offizielle Amtsbezeichnung – geschickt.

Auf Nachfrage keine konkreten Antworten

Ich wollte wissen, welche Schritte Weimer oder sein Amt außer der Presseäußerung unternommen haben, um den Exil-Campus-Vorschlag an Harvard heranzutragen. Gab es ein Schreiben an Präsident Garber oder andere Verantwortliche? Und wenn ja, welchen konkreten Unterstützungsumfang enthielt es? Sollen juristische Gutachten zu den Rahmenbedingungen eines (Teil-)Umzugs in Auftrag gegeben werden? Klären das Amt oder andere Ressorts bereits organisatorische, finanzielle oder sonstige Voraussetzungen – etwa mögliche Standorte?

Die Antwort aus Weimers Haus fällt ernüchternd aus. Keine der gestellten Fragen wurde konkret beantwortet. Eine Sprecherin teilte lediglich mit, Kulturstaatsminister Weimer sei es wichtig, ''den Blick – neben der Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit – darauf zu richten, dass der Beschluss der US-Regierung auch der Kunstfreiheit empfindlich schadet, da er auch die renommierten Studiengänge der Bildenden oder Darstellenden Künste betrifft.''

Beides – die Freiheit der Wissenschaft und die Freiheit der Kunst – gehöre zu den Grundpfeilern jeder Demokratie. Die aktuellen Entwicklungen in den USA zeigten, dass diese Werte ernsthaft erschüttert seien. ''In diesem Sinne hat der Staatsminister einen Vorschlag gemacht.'' Und weiter: Wie die Bundesregierung konkret helfen könne, ''sofern sie denn auch seitens der Universität gewünscht ist, erörtern die jeweils betroffenen Ressorts in enger Abstimmung untereinander.''

Also kein Brief, kein Plan, den die Sprecherin erwähnenswert findet? Nur ein Vorschlag für die (Presse-)Galerie? Das wäre dann tatsächlich ernüchternd – und ließe Weimers Geste als verbalen Schnellschuss erscheinen, von dem ein früherer Journalist fand, dass er gut klingt. Die Reputation und Attraktivität des Wissenschaftsstandorts stärkt man damit sicher nicht.

Kein abgestimmter Kurs

Zumal es so scheint, als habe Weimer seinen Vorschlag auch innerhalb der Bundesregierung nicht abgestimmt. In der Regierungspressekonferenz am Montag versuchte sich der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille an einer Deutung. Er könne ''erst einmal ganz allgemein sagen, dass eine freie Wissenschaft zum Kern liberaler Demokratien gehört. So ist, denke ich, auch die Äußerung von Herrn Weimer zu verstehen.'' Im Koalitionsvertrag gebe es zudem die Ankündigung des 1000-Köpfe-Programms, mit dem die Bundesregierung neue internationale Talente gewinnen wolle. ''Ich denke, die Einschätzung von Herrn Weimer ist im Rahmen des Koalitionsvertrags zu verstehen.''

Aus dem BMFTR heißt es, Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) setze sich dafür ein, dass die deutsche Wissenschaft für internationale Talente und exzellente Forscherinnen und Forscher attraktive Bedingungen bieten könne. ''Dafür wird das BMFTR zeitnah eine Initiative starten, die die Zielsetzungen aus dem Koalitionsvertrag aufgreift.'' Zur Umsetzung stehe man im Austausch mit den Wissenschaftsorganisationen.

Fest steht: Vom gegenwärtigen Tempo und Konkretisierungsgrad der deutschen Reaktionen haben Harvard und andere bedrohte US-Wissenschaftseinrichtungen derzeit wenig.

Trump eskaliert weiter

Unterdessen legt Trump bereits nach: Er erwäge, drei Milliarden Dollar von dem ''sehr antisemitischen Harvard'' abzuziehen und stattdessen auf Handelsschulen im ganzen Land zu verteilen, schrieb der Präsident auf seiner Plattform ''Truth Social''. ''Was für ein wunderbares Investment das für die USA wäre.''

Tatsächlich hat die US-Regierung Harvard bereits 2,2 Milliarden Dollar an Bundesgeldern gestrichen. Jetzt berichtet die New York Times, dass Washington die zuständigen Behörden angewiesen habe, auch die letzten Verträge mit Harvard über Bundesmittel zu beenden – im Umfang von weiteren rund 100 Millionen Dollar.

Und nachdem Harvard am Freitag eine einstweilige Verfügung gegen den Zulassungsstopp für internationale Studierende erreicht hatte, berichten mehrere US-Medien von einer neuen Weisung des Außenministers Marco Rubio an Botschaften und Konsulate weltweit: Vorerst solle es keine neuen Termine für die Beantragung von Studierenden- und Schülervisa mehr geben – bis strengere Regelungen zur Überprüfung sozialer Netzwerke der Bewerber entwickelt seien.

Am Montag postete Trump zur gerichtlichen Zwischenentscheidung: Die Universität sei auf Shoppingtour gegangen und habe sich die für sie günstigste Richterin ausgesucht. Seinen Bestechungsvorwurf versah der Präsident gleich mit einer Drohung: ''Aber keine Sorge, die Regierung wird am Ende gewinnen. GEWINNEN!''

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Kommentare

#1 -

Kaktus | Mi., 28.05.2025 - 17:57
"Im Koalitionsvertrag gebe es zudem die Ankündigung des 1000-Köpfe-Programms, mit dem die Bundesregierung neue internationale Talente gewinnen wolle." Also sind alle Wissenschaftler, die aktuell in Deutschland sind, nicht gut genug? Mein Eindruck ist, dass Politiker gegenueber den Wissenchaftlerinnen, die in Deutschland schon da sind, einfach nur respektlos sind. Solche Aussagen sind beleidigend.

#2 -

Marie | Mi., 28.05.2025 - 18:51
Ganz überraschend ist es für mich nicht, dass es sich nur um eine medienwirksame Ankündigung ohne weitere Konsequenzen handelt. Der gesamte Vorschlag ist zudem extrem unrealistisch. Was mich eher freuen würde, wäre, wenn die Bundesregierung Mittel bereitstellen würde, um Forschende in Deutschland zu unterstützen, denen die Forschungsgelder aus den USA weggebrochen sind. Da wackeln ganze Karrieren von Doktorandinnen, Doktoranden oder Postdocs, deren Finanzierung plötzlich wegbricht. Dafür Auffangfinanzierungen zu schaffen und die Forschung weiter zu ermöglichen – das wäre vermutlich realistischer und deutlich wirksamer. Aber eben weniger spektakulär.

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