Wie stehen die Geisteswissenschaften?
Erste Daten zur neuen Runde der Exzellenzstrategie zeigen: An der Fächerverteilung der Cluster könnte sich wenig geändert haben.

Schloss Münster, Sitz der Verwaltung der Universität Münster. Foto: Dietmar Rabich, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0.
Die Enttäuschung in Münster war groß. Dreimal hatte der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ im Wettbewerb erfolgreich bestanden, doch beim vierten Mal fiel er durch. Am 22. Mai entschieden Wissenschaft und Politik in der sogenannten Exzellenzkommission, welche 70 Forschungsverbünde die nächsten sieben Jahre durch die Exzellenzstrategie gefördert werden, doch „Religion und Politik“ stand danach nicht auf der Gewinnerliste.
Das Thema Religion komme in der Exzellenzstrategie jetzt praktisch nicht mehr vor, kritisierte der Münsteraner Theologe Oliver Dyma in „Christ in der Gegenwart“, und Geisteswissenschaften seien generell unterrepräsentiert. Das sei eine „unverständliche Einseitigkeit.“
Sprach da nur ein Enttäuschter, oder ist mehr dran an dem Vorwurf? Fest steht: Neu ist er nicht. Auch nach den früheren Exzellenz-Vergaberunden wurden immer wieder Stimmen laut, die dem Wettbewerb eine mangelnde Repräsentierung der Geistes- und Sozialwissenschaften attestierten. „Der Exzellenz mangelt es an Geist“, titelte ich 2019, nachdem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) umfangreiche Statistiken zu den damaligen Clusterentscheidungen veröffentlicht hatte: „Die Cluster-Entscheidungen waren auch insofern eine ehrliche Bestandsaufnahme der deutschen Förderwirklichkeit, als die Geistes- und Sozialwissenschaften mit einem Fünftel der Anträge starteten, aber mit nur 15 Prozent der Bewilligungen nach Hause gingen.“
Und diesmal? Hält sich die DFG bislang noch bedeckt. Kein Wunder – sind doch erst knapp zwei Wochen seit der jüngsten Auswahlrunde vergangen. Vor sieben Jahren hatte sich die DFG mit der Herausgabe detaillierter Statistiken sechs Monate Zeit gelassen – wohl wissend um die Brisanz des Themas und die Notwendigkeit belastbarer Daten.
Vorläufige Zahlen, alte Verteilung
Auf Anfrage legt die DFG jetzt immerhin schon erste Zahlen vor, verbunden mit dem dreimal fett unterstrichenen Disclaimer, diese seien nur „ein erster Anhaltspunkt und lassen vor allem keine belastbaren Angaben über die fachliche Breite und die Interdisziplinarität der einzelnen Cluster zu“.
Spannend sind die Zahlen aber trotzdem. Sie beruhen auf den sogenannten „primären Selbstbeschreibungen“ – die bei allen Förderanträgen an die DFG übliche Angabe, mit der die antragstellenden Wissenschaftler ihr geplantes Projekt bei der Antragstellung selbst den vier großen Wissenschaftsbereichen zuordnen sollen: Lebenswissenschaften, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften.
Die Bilanz:
33 Prozent der Cluster (23 von 70) wurden dem Bereich Lebenswissenschaften zugeordnet,
30 Prozent (21 Cluster) den Naturwissenschaften,
19 Prozent (13 Cluster) den Ingenieurwissenschaften und ebenfalls
19 Prozent (13 Cluster) den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Bei aller Vorläufigkeit zeigten die „primären Selbstbeschreibungen“ laut DFG-Sprecher Marco Finetti immerhin eines: „Die dortige Verteilung der Exzellenzcluster auf die großen vier Wissenschaftsbereiche ist im Großen und Ganzen dieselbe wie in der gesamten Forschungsförderung der DFG mit aktuell mehr als 30.000 geförderten Projekten.“ Dies gelte auch für den Anteil der Geistes- und Sozialwissenschaften.
Zu einer ganzen Reihe von Fragen laufen nach den Förderentscheidungen nun Detailauswertungen, sagt Finetti weiter. „Das gilt auch für die fachlichen Schwerpunkte der 70 Cluster und deren Verteilung auf die großen Wissenschaftsbereiche.“ Aktuell schaue sich die DFG nach der PI- (Principal Investigators) Methode an, welche Fächer die Institute der Wissenschaftler*innen abdecken, die an den Förderanträgen beteiligt waren. Erste Ergebnisse dazu werde es im Juli oder August geben. Und: „Noch genauere Angaben werden sich dann machen lassen, wenn vor allem die erstmals geförderten Cluster ihr wissenschaftliches Personal rekrutiert haben.“ Daten wie diese würden von der DFG in einem jährlichen Monitoring zusammengetragen und ausgewertet.
Den Münsteranern werden selbst die belastbarsten Zahlen kaum Trost spenden – der Qualität der wissenschaftspolitischen Debatte aber sicherlich nützen.
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