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Der nicht so überraschende Überraschungsbesuch

Die neue Forschungsministerin Dorothee Bär reist zur Jahresversammlung der Hochschulrektorenkonferenz und spricht Klartext: Die Exzellenzstrategie wird fortgesetzt – und der Zukunftsvertrag auf Dauer gestellt.

"SPONTAN" und "ÜBERRASCHEND" sei die neue Bundesforschungsministerin bei der Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Magdeburg aufgetaucht, berichteten Teilnehmer am Dienstagmittag in den sozialen Medien.

In Wirklichkeit war es ein strategisch wohlüberlegtes "Ich komme mal vorbei" von Dorothee Bär. Denn die neue, gerade eine Woche im Amt befindliche Chefin im neu benannten Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) weiß: Sie braucht nicht nur die Unterstützung der Länder, sondern auch der Hochschulen, wenn sie die ambitionierten Zielstellungen des schwarz-roten Koalitionsvertrages durchziehen will.

Und die CSU-Politikerin weiß auch, dass es Befürchtungen in der Szene gibt, sie könne, Stichwort "Hightech-Agenda Deutschland", a) über all den Technologie-Projekten die Förderung der Grundlagenforschung vernachlässigen und b) zu stark bayerische Regionalinteressen im Blick haben.

Das BMFTR sei ihr Wunschministerium gewesen, sagte die Ministerin vor den versammelten Hochschulrektoren. Man merke ihr die Begeisterung über ihr neues Amt sichtlich an, lautete anschließend eine Einschätzung. "Mit fränkischem Charme gewinnt sie den Saal schnell für sich."

Dass es Bär dann gelang, bei der HRK den richtigen Ton zu treffen, erstaunt allerdings erstmal wenig, denn dass sie mit Menschen kann, zeigte zuletzt die Bundestagswahl. Mit 50,5 Prozent erreichte sie in ihrem Wahlkreis Bad Kissingen den höchsten Erststimmenanteil aller Bundestagsabgeordneten.

"Aushängeschild" Exzellenzstrategie

Doch machte die Ministerin auch inhaltlich mehrere bemerkenswert klare Ansagen. Die wichtigsten: Erstens bekannte sie sich zur Exzellenzstrategie (laut Bär ein "Aushängeschild" für freie und exzellente Forschung), die "konsequent" fortgesetzt werden solle. Es gehe nicht um das Ob, sondern um das Wie. Sätze, die auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen mögen, doch hatten seltsam unbestimmte Formulierungen im Koalitionsvertrag aufhorchen lassen und nach einer solchen Klarstellung verlangt.

Zweitens soll der Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken", über den sich der Bund jährlich mit Milliardenbeiträgen an der Finanzierung der Hochschullehre beteiligt, nicht nur wie im Koalitionsvertrag versprochen auch über 2028 hinaus dynamisiert (also jährlich erhöht), sondern entfristet werden. Zwei Ansagen, mit denen Bär bei den Hochschulen Vertrauen schaffte, an dem sie nun zugleich natürlich gemessen wird.

Dem Wiarda-Blog sagte sie nach ihrer Rede: "Es war mir wichtig, in meiner ersten Amtswoche mit der HRK zu sprechen, denn die Zukunft unseres Landes wird an den Hochschulen gemacht." Wer die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken wolle, müsse die Hochschulen stärken: "Sie sind das Rückgrat des Innovationsstandorts Deutschland." Und sie spannte einen weiten Bogen: "Deutschland braucht eine Hightech-Agenda, die nicht direkt in der nächsten Legislatur endet, sondern in Jahrzehnten denkt."

Mahnend steht ihr das Schicksal der von der Ampel aufgelegten "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation" vor Augen, die nach nur drei Jahren schon wieder Geschichte ist – auch, weil sie für viele Universitäten und Forschungseinrichtungen ein Fremdkörper blieb, der nebenherlief, ohne sie wirklich zu tangieren.

Ihr Publikum bei der HRK dankte der Ministerin für ihren Auftritt mit der Jagd nach Selfies und wohl dosierten Freundlichkeiten. "Wir sind hoch erfreut", sagte HRK-Präsident Walter Rosenthal, "dass sich die Ministerin, noch so frisch im Amt, gleich den drängenden Fragen der Hochschulpolitik stellt und den direkten Austausch mit den Hochschulen sucht. Wenn wir die Hochschulen stärken, dann stärken wir die Erneuerung unseres Landes – diesem Bekenntnis in der kurzen Ansprache der Ministerin ist nichts hinzuzufügen." Die Hochschulen sähen der Umsetzung des im Koalitionsvertrag formulierten Ziels "einer schnellen und kraftvollen Stärkung des gesamten deutschen Innovationssystems" gespannt entgegen.

Ein Tag, zwei Bühnen

Am Dienstagabend hatte Bär gleich ihren nächsten Erstauftritt vor der Führungsetage der deutschen Wissenschaft. Bei einer Festveranstaltung in Berlin wurde das 20-jährige Bestehen des Pakts für Forschung und Innovation (PFI) gefeiert, über den Bund und Länder gemeinsam die großen außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG finanzieren, ebenfalls mit einer jährlichen Dynamisierung. Ein Pakt, der im Blick auf Ziele und Erfolgsmonitoring einer Grundüberholung bedarf – was für Bär eine Gelegenheit bieten wird, eine Verknüpfung zur geplanten Hightech-Agenda herzustellen.

Aber am Dienstagabend standen auch bei diesem Anlass erstmal die netten Worte im Vordergrund. Der PFI sei eine Erfolgsgeschichte, sagte Bär. "Seit 20 Jahren sichern wir gemeinsam mit den Ländern und den Wissenschaftsorganisationen die Qualität, Dynamik und Unabhängigkeit der deutschen Forschung." Was nicht nur den Wissenschaftsstandort Deutschland stärke, sondern auch das Fundament für Wohlstand und Fortschritt in Deutschland lege.

Da war es wieder, das Motiv der Verbindung wissenschaftlicher Exzellenz, Innovation und wirtschaftlicher Dynamik, das, da muss man wenig prophetisch sein, zu Bärs Leitthema als Ministerin werden dürfte: Wissenschaft und Grundlagenforschung sind gut und wichtig, sie müssen aber bei den Menschen ankommen.

Und Bär fügte hinzu: "Gerade in diesen Zeiten brauchen wir starke Wissenschaftssysteme – widerstandsfähig, vernetzt und so offen wie möglich."

Auch wenn viele zentrale Fragen weiter offen sind, bis hin zur genauen Aufstellung ihres Ministeriums: Es war ein erfolgreicher Tag für die Ministerin. Und ein hoffnungsvoller für die Wissenschaftspolitik.

Nachtrag am 14. Mai, 14.30 Uhr:

In ihrem ersten BILD-Interview als Forschungsministerin, das am Mittwoch erschien, beschäftigt sich Bär unter der Überschrift "Dorothee Bär will Frauen auf den Mond schicken" länglich mit der Raumfahrt und künftigen Mondmissionen. Auf die Frage, ob man sie "Raketenministerin" nennen dürfe, antwortet sie, es gäbe "viel, viel schlimmere Bezeichnungen", "Hauptsache, ich kann wirklich meine Themen in den Mittelpunkt stellen." Nebenher nutzt sie die Gelegenheit, Bayern als Raumfahrtzentrum anzupreisen ("Der Standort München ist natürlich auch besonders gut. Das muss man betonen").

Erst in seinem letzten Teil macht das Interview durchaus aufschlussreiche Schlenker in Richtung von Long-Covid-Forschung, "1000-Köpfe-Programm" ("Dabei ist mir auch wichtig, nicht nur auf die USA zu schauen. Wir wollen einfach die besten Bedingungen schaffen") und Bürokratieabbau ("Wir haben mit Friedrich Merz jetzt einen Bundeskanzler, der das Thema extrem ernst nimmt").

Der HRK-Besuch und das BILD-Interview: Wenn man Doro Bärs Amtsführung voraussehen will, muss man wohl beide Auftritte zusammendenken.

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