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Wie viel, von wem?

Schnellbauinitiative des Bundes, Sondervermögen der Länder, Bundes-Kompensationsmittel Investitionsbooster – auf welche Fördertöpfe können Hochschulen und Studierendenwerke hoffen, um Hörsäle und Mensen zu sanieren? Eine politische Momentaufnahme. Von Jan-Martin Wiarda.
Fassade des Hauses Invalidenstrasse 110 mit Gerüst und Bauplane.

Viel zu tun: Wie hier an der Invalidenstraße 110 in Berlin-Mitte ist der Sanierungsbedarf an Hochschul-Gebäuden bundesweit enorm. Foto: Jan-Martin Wiarda.

DIE LAGE WAR DRAMATISCH. "Rostocker Studenten in Sorge: Südstadt-Mensa droht sofortige Schließung", titelte Anfang 2024 die Ostsee-Zeitung. Die Spültechnik war marode, die Sanitäranlagen veraltet, der bauliche Gesamtzustand heruntergekommen. Rund 25 Jahre nach ihrer Eröffnung stand die größte Mensa der Stadt kurz davor, den Betrieb einstellen zu müssen – ein Albtraum für Studierende, die hier täglich rund 2.000 Essen erhalten.

Jetzt soll alles anders werden. Mecklenburg-Vorpommerns Wissenschaftsministerin Bettina Martin (SPD) hat es im September angekündigt: Die "Mensa Süd" wird erneuert – mit rund 20 Millionen Euro. Das Geld kommt aus dem 100-Milliarden-Euro-Länderanteil aus dem Sondervermögen "Infrastruktur und Klimaneutralität", kurz SVIK. Ein starker Hochschulstandort brauche auch ein gutes Studienumfeld für die Studierenden, sagt Martin. "Eine gute Verpflegung in den Mensen gehört dazu."

Vorreiter Mecklenburg-Vorpommern

Martin, dieses Jahr auch erste Präsidentin der neuen Wissenschaftsministerkonferenz, war schon im Sommer vorangeprescht. Während fast alle ihre Landesministerkolleg*innen noch mit den Schultern zuckten, hatte Mecklenburg-Vorpommern bereits entschieden, wie es seinen Anteil am Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität verwenden will. 100 Milliarden gibt der Bund den Ländern aus dem SVIK ab, von dem die meisten Flächenstaaten mindestens 60 Prozent an die Kommunen durchreichen. In Mecklenburg-Vorpommern bleiben der Landesregierung so rechnerisch 770 Millionen zum Ausgeben, von denen Martin für Wissenschaft und Forschung immerhin 150 Millionen erkämpfte – verteilt über zwölf Jahre. Ein Achtungserfolg, der aber zugleich zeigt, wie wenig von den enorm klingenden 100 Milliarden am Ende an den Hochschulen ankommt, die ihrerseits über dieHochschulrektorenkonferenz (HRK) direkt nach Antritt der neuen Bundesregierung im Mai ein Sofort-Sanierungsprogramm von mindestens 38 Milliarden Euro gefordert hatten – mit Hinweis auf den enormen Sanierungsstau.

Und sie schöpften zunächst zusätzlich Hoffnung: Obgleich der Bund für den Hochschulbau nicht zuständig sei, sagte Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) im Interview im DSW-Journal, sehe sie doch eine "moralischen Verantwortung, "uns auch um die sogenannten Brot-und-Butter-Themen zu kümmern". Umso ausgeprägter die Ernüchterung, als die Hochschulen sahen, was dann im Haushaltsentwurf des Bundes für 2026 für die im schwarz-roten Koalitionsvertrag versprochene "Schnellbauinitiative" stand: 60 Millionen Euro pro Jahr.

Ein Sechshundertstel

Und selbst die gab es erst, nachdem der Bund den Ländern als Ausgleich für Steuerausfälle aufgrund des eingeführten Investitionsboosters noch eine Extra-Milliarde jährlich aus dem SVIK zugesagt hatte, reserviert für Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur. 940 Millionen, beschloss die Bundesregierung, sollten davon in die Kitas fließen – und 60 Millionen in den Hochschulbau. Ein Sechshundertstel der HRK-Forderung. Gerade mal vier Jahre lang. Für eine Bund-Länder-Initiative, die laut Koalitionsvertrag "zur Modernisierung, energetischen und digitalen Ertüchtigung von Hochschulen und Universitätskliniken, inklusive Mensen und Cafeterien" dient.

Das gab Ärger. Mit der Hochschulrektorenkonferenz, die vorrechnete, dass noch dazu 40 der 60 Millionen für die ebenfalls dringend nötige Aufstockung des Forschungsbauten-Programms vorgesehen seien. Womit pro Hochschule und Jahr gerade mal 70.000 Euro blieben.

Ärger gab es auch mit der von Bettina Martin geführten Wissenschafts-MK, die im Oktober per Beschluss und mit starken Worten von der Bundesregierung forderte, deutlich mehr für die Schnellbauinitiative lockerzumachen. Ein von der Ministerpräsidentenkonferenz flankiertes Plädoyer – das allerdings an Überzeugungskraft dadurch verlor, dass die Mehrheit der Länder zu diesem Zeitpunkt selbst immer noch die Antwort schuldig war, wie viel von ihrem SVIK-Anteil sie in Hochschule und Wissenschaft stecken wollten.

Trotzdem zahlte sich der Druck aus, zumindest für die Hochschulen. Denn die Bundesregierung gab kurz vor Haushaltsschluss nach: Es gibt kein zusätzliches Geld, aber Ziel sei, teilte das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mit, die jährliche Milliarde "ziel- und passgenau entsprechend der Einschätzungen der Länder einzusetzen". Die Länder könnten dann selbst entscheiden, welchen Mittelanteil sie "in die jeweiligen Förderbereiche" investieren wollen. Mit anderen Worten: Wenn Ihr mehr für die Hochschulen ausgeben wollt, dann halt auf Kosten der Kitas.

Verteilungsfrage: Kita oder Hochschule?

Ein bemerkenswertes Ausspielen der Bildungsbereiche gegeneinander, das die Wissenschaftsminister*innen in ihrem Oktober-Beschluss selbst ins Spiel befördert hatten und nun entsprechend begrüßten. "Die Sache mit dem Investitionsbooster ist so gelöst, wie wir Länder uns das gewünscht haben", kommentierte Bayerns Ressortchef Markus Blume (CSU), der die Wissenschaftspolitik der unionsregierten Länder koordiniert. Nur, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags das Geld gleich wieder bis auf Weiteres gesperrt habe, gehe gar nicht.

Sein SPD-Pendant, Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD), sekundierte: "Der Bedarf an den Hochschulen ist riesig und erlaubt kaum weiteren Aufschub." Mohrs, der in diesem Jahr auch der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern vorsitzt, fügt hinzu: "Wir halten es für richtig, wenn die Länder nach ihren eigenen Bedarfen Lösungen finden können." Wissenschafts-MK-Präsidentin Martin sagte dagegen: Sie wolle noch einmal betonen, dass sie die eine Milliarde aus dem Investitionsbooster für nicht ausreichend halte, "ganz abgesehen von der Frage, wie die verteilt werden soll." Nachdem der Bundestags-Haushaltsausschuss Mitte November die Neuverteilung abgesegnet hatte, kündigte Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) prompt an, dass jetzt praktisch der gesamte Landesanteil am Investitionsbooster-Ausgleich in den Hochschulbau fließen solle.

Unterschiedlich ambitioniert ist, was viele Länder aktuell mit ihrem eigenen Anteil am Sondervermögen vorhaben. Längst nicht alle hatten sich selbst bis Mitte November überhaupt schon festgelegt. Niedersachsen war neben Mecklenburg-Vorpommern das einzige Land, das bereits im Sommer auskunftsfähig war und ankündigte, immerhin 850 Millionen speziell in Neubauprojekte der Hochschulmedizin in Hannover und Göttingen und weitere 500 Millionen in die Hochschulsanierung zu investieren. Immerhin ein gutes Drittel von dem, was dem Land nach Abzug des Kommunalanteils noch zur Verfügung steht. Allerdings relativiert Mohrs selbst die Zahlen: Der Bedarf werde lange Zeit sehr hoch bleiben. In Niedersachsen liegt der Sanierungsrückstand bei mindestens 4,2 Milliarden Euro, da sind die Uni-Kliniken und energetischen Sanierungen noch gar nicht eingerechnet.

Und während Mohrs betont, die Länder hätten "richtigerweise eine deutliche Priorität auf den Hochschulbau gelegt", sieht das Bild anderswo durchwachsener aus. Schleswig-Holstein etwa vermeldete gerade einmal 30 Millionen Euro für die energetische Sanierung von Hochschulen, nicht einmal drei Prozent der SVIK-Landesinvestitionen. Nordrhein-Westfalen dagegen will laut Gesetzentwurf von seinen insgesamt 8,4 Milliarden an SVIK-Landesinvestitionen 2,3 Milliarden für Hochschulen, Unikliniken und Forschung zur Verfügung stellen, macht zusammen ein gutes Viertel. Ein Erfolg für die bauaffine Wissenschaftsministerin von Ina Brandes (CDU).

Wenig zurückhaltend gibt man sich in Bayern. Nach einer Haushaltsklausur Mitte November kündigte Wissenschaftsminister Blume an: "Eine Milliarde Euro aus dem Sondervermögen werden wir zusätzlich in die Wissenschaftsinfrastruktur stecken, vor allem in den Hochschulbau, notwendige Sanierungen und die Ausstattung der Uniklinika. Das ist mehr als die Hälfte dessen, was für Landesaufgaben vorgesehen ist." Im Doppelhaushalt für 2026/27 soll der Großteil des bayerischen Sondervermögen-Anteils an die Kommunen gehen und nur 1,9 Milliarden bei der Staatsregierung bleiben.

Kleine Länder wie Sachsen-Anhalt versuchen, mit dem knappen Geld Prioritäten zu setzen: Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) will die für den Hochschulbau vorgesehenen 50 Millionen auf zwei Projekte konzentrieren: 17,5 Millionen sollen in die Erweiterung des Forschungscampus STIMULATE der Universität Magdeburg gehen und 32 Millionen in das Mitteldeutsche Algenzentrum an der Hochschule Anhalt in Köthen.

Mensen und Cafeterien einbeziehen 

HRK-Präsident Walter Rosenthal warnt derweil, die Sanierungslücke wachse "seit Jahren ungebremst" und bedrohe inzwischen an vielen Standorten "den Grundbetrieb und die Qualität von Studium und Lehre, Forschung und Transfer". Rosenthal zitiert die Wissenschafts-MK, die Investitionsbedarfe in Höhe von über 90 Milliarden Euro festgestellt habe – und plädiert für ein Drei-Säulen-Modell: eine kurzfristige Schnellbauinitiative für akute Fälle, mittelfristige Investitionen über die flexiblen Bundesmittel und langfristige Masterplanungen der Länder über das Sondervermögen. Die sozialen Infrastrukturen, also studentisches Wohnen, Mensen und Cafeterien, müssten in diese Masterplanungen einbezogen werden. "Der Bund kann dies durch die bereits angeführten Schritte unterstützen."

Für die Studierendenwerke steht viel auf dem Spiel. Bundesweit schätzen sie den Sanierungsbedarf ihrer Mensen und Cafeterien auf vier Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren. "Mensen sind mehr als nur gastronomische Orte – sie sind auch Begegnungsorte, wo Studierende sich zum Lernen aufhalten und Kommilitonen treffen“, sagt Bettina Martin.

Dass die Mensa Süd in Rostock jetzt als eines der ersten Projekte aus dem Sondervermögen umgesetzt wird, ist deshalb mehr als eine bauliche Entscheidung. Für die Studierendenwerke ist es ein Hoffnungszeichen.

Dieser Artikel erschien zuerst im DSW-Journal 4-2025.


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