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Museum der Zukunft unter Druck

3,4 Millionen Besucher zählte das Berliner "Futurium" seit seiner Eröffnung. Doch der Bundesrechnungshof übt jetzt massive Kritik an Finanzierung und Verwaltung. Das BMFTR müsse gegensteuern. Dorothee Bärs Ministerium kontert.
Futurium in Berlin

(Zu) teure Erfolgsgeschichte? Das Futurium in Berlin-Mitte. Foto: Lear 21, CC BY-SA 4.0, via Wikipedia. 

EIN MUSEUM DER ZUKUNFT soll es sein, das 2019 eröffnete "Futurium", ein spektakulärer Bau mitten in Berlin, zwischen Spree, Hauptbahnhof und Bundesforschungsministerium. Allein 2024 zählte das Haus mehr als 700.000 Besucher, insgesamt waren schon mehr als 3,4 Millionen Menschen hier: Touristen und Berliner, Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Eine große Dauerausstellung zu gegenwärtigen und künftigen Technologien, Labors zum Mitmachen und ein prall gefülltes Veranstaltungsprogramm, dazu mehrere internationale Auszeichnungen, etwa der European Museum of the Year Award (EMYA). Eine Erfolgsgeschichte?

Wenn es nach dem Bundesrechnungshof (BRH) geht, ist "das Finanzierungskonzept für das Futurium gescheitert". In ihren diesjährigen Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, die am Mittwoch veröffentlicht wurden, üben die BRH-Prüfer massive Kritik an dem Haus und seinem Hauptfinanzier: dem Bundesforschungsministerium von Dorothee Bär (CSU). Das BMFTR müsse "endlich gegensteuern".

Viel Bundesgeld und kaum private Gesellschafter

In einer Entwurfsfassung war offenbar sogar von einem "Fass ohne Boden" die Rede, zu dem sich das Futurium entwickle. In der Endversion moniert der BRH eine "unzureichende Steuerung" und "fehlende Einnahmen". Mit 16,6 Millionen Euro habe der Bund das Futurium 2023 nahezu allein bezuschusst. Das sei zu Beginn anders geplant gewesen, doch die privaten Gesellschafter beteiligten sich kaum, außerdem seien die insgesamt zwölf Gesellschafter deutlich weniger als die ursprünglich angepeilte Zahl von 22.

Neben dem Bund als Hauptgesellschafter sind die großen Wissenschaftsorganisationen, von Helmholtz bis Max Planck, Mitglied im Trägerkreis der Futurium gGmbH, dazu die Joachim-Herz-Stiftung und gerade einmal zwei forschende Unternehmen: Bayer und Boehringer Ingelheim. Eigentlich, mahnt der BRH sei das umgekehrte Zahlenverhältnis beabsichtigt gewesen: Sieben Wissenschaftseinrichtungen und 15 privat finanzierte Stiftungen und Wirtschaftsunternehmen. Doch: "Neue Gesellschafter aus der Wirtschaft sind nicht absehbar." Und zu keiner Zeit hätten sich mehr als sechs privat finanzierte Gesellschafter beteiligt. Insgesamt bestritten nun neun der zwölf Gesellschafter ihre Beiträge größtenteils aus Bundesgeldern. Mit dem Ergebnis, dass das Ministerium statt der geplanten 62 Prozent inzwischen 89 Prozent der Ausgaben finanziere. 

Hinzu kämen die steigenden Kosten: Das Gebäude sei zwar eigens für das Zukunftsmuseum errichtet worden, doch sei das Futurium dort nur Mieter, der Mietvertrag laufe bis 2047. "Bis dahin wird das BMFTR weit über 100 Millionen Euro mehr zahlen als geplant." Konzepte für weitere Einnahmen fehlten. "Diese Entwicklung nimmt das BMFTR tatenlos hin."

Denn gleichzeitig, so bemängelt der BRH weiter, verlange das Futurium für den Besuch der Hauptausstellung keine Eintrittsgelder. "Eintrittsgelder könnten mehrere Hunderttausend Euro Umsatz ermöglichen."

BMFTR: Hoher Bundesanteil ist "geplant und gewollt"

In einer ersten Reaktion wies das BMFTR am Mittwoch den Vorwurf des BRH zurück, seiner Rolle als größter Gesellschafter nicht gerecht geworden zu sein. "Das BMFTR hat vielmehr von Beginn der Förderung an entschlossen und zielgerichtet gehandelt." Der hohe Anteil des Bundes an der Finanzierung sei "geplant und gewollt". Dies garantiere eine "neutrale und objektive Präsentation" der Inhalte in der Ausstellung und in den Veranstaltungen. Es liege im Interesse des Bundes, dass die Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung allgemein verständlich kommuniziert werden – "gerade im Zeitalter von Desinformation."

Dass die Wissenschaftsorganisationen Bundesmittel teilweise nur ans Futurium durchreichten, sei nicht zu beanstanden. "Die betreffenden Einrichtungen leisten ihre Beiträge auf der Grundlage entsprechender haushaltsrechtlicher Ermächtigungen." Ziel sei insbesondere die Vernetzung und Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft. "Der BRH hat keine Fehlverwendung von Mitteln oder einen unsachgemäßen Umgang mit Fördermitteln festgestellt."

Und dass das Futurium kein Eintrittsgeld für die Ausstellung verlange, gehe auf einen Beschluss aller Gesellschafter im Futurium-Aufsichtsrat zurück: "Alle gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere Familien und Kinder, sollen ohne finanzielle Hürden an der Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen teilhaben können. Dies ist gesellschaftspolitisch erwünscht: Daher wurde die Futurium gGmbH als gemeinnützige Einrichtung geschaffen."

Rechnungshof: Gravierende Verwaltungsmängel

Doch die Vorwürfe des Rechnungshofs gehen weiter: Die Futurium gGmbH zeige "gravierende Mängel in zentralen Verwaltungsbereichen". Die Gesellschaft habe kein nachvollziehbares Ablagesystem. "Zusammenhängende Vorgänge waren an 149 verschiedenen Stellen oder mehrfach abgespeichert. Personaldateien waren über mehrere Bereiche verstreut abgelegt. Daneben führten die Beschäftigten Papierakten. Übersichten, welche Unterlagen die Gesellschaft elektronisch oder in Papierform aufbewahrte, gab es nicht."

Auch sei gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen worden. In den Laufwerken der Gesellschaft hätten sich 2024 personenbezogene Daten in elektronischen Listen befunden, ohne das Vorliegen von Einwilligungen; insgesamt seien 1.500 Menschen betroffen. Deren Einwilligungen fehlten, die Daten hätten teilweise schon 2015 gelöscht werden müssen.

Der Rechnungshof mahnt: "Das BMFTR darf Zuwendungen nur solchen Empfängern bewilligen, bei denen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert erscheint."

Ministerium betont ordnungsgemäße Geschäftsführung

Das Ministerium hält dagegen: Die Futurium gGmbH verfüge über eine Daten- und Ablagestruktur, die den organisatorischen Notwendigkeiten, Risikoverläufen und Anforderungen an Agilität sowie den rechtlichen Vorgaben Rechnung trage. "Das Ablagesystem ist nachvollziehbar." Das Ministerium führe vertiefte Verwendungsnachweisprüfungen vor Ort durch, arbeite mit Mitarbeitenden und Geschäftsführung des Futurium konstruktiv zusammen. "Eine ordnungsgemäße Geschäftsführung liegt vor, angemessene und wirksame Kontrollsysteme sind vorhanden."

Der berichtete Datenschutzverstoß habe nicht zu einem Risiko für Rechte und Freiheit der betroffenen Personen geführt, betonte das BMFTR mit Berufung auf eine externe Bewertung. Das Futurium habe "unverzüglich" gehandelt und eine neue Software mit automatischen Löschroutinen installiert. Außerdem habe das Futurium einen Maßnahmenplan zur Vermeidung künftiger Verstöße vorgelegt.

Doch der Rechnungshof gibt sich hart: Das BMFTR habe den aufgezeigten Handlungsbedarf "nicht hinreichend erkannt", heißt es unter "abschließende Würdigung" in dem Bericht. Das BMFTR solle seinen Einfluss nutzen, mehr Gesellschafter aus der Wirtschaft zu gewinnen. Die Argumentation, Eintrittsgelder würden einige gesellschaftliche Gruppen von einem Besuch abhalten, überzeuge nicht. "Die Gesellschaft kann soziale Aspekte bei der Preisgestaltung berücksichtigen. Eintrittsgelder führen zu einem geringeren Zuwendungsbedarf."

Prüfer bringen sogar einen möglichen Umzug ins Spiel

Und weiter: "Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das BMFTR seiner Verantwortung als Zuwendungsgeber und Hauptgesellschafter gerecht wird. Es muss sicherstellen, dass die Gesellschaft ein tragfähiges Finanzierungskonzept entwickelt, um die Bundeszuwendung zu reduzieren. Zudem muss es auf eine ordnungsgemäße Geschäftsführung hinwirken. Gelingt dies nicht, muss das BMFTR seine Förderung neu bewerten." Dazu gehöre auch, den über Jahrzehnte laufenden Mietvertrag einer "ergebnisoffenen Betrachtung" zu unterziehen.

Will der Bundesrechnungshof dem Futurium damit ernsthaft einen Auszug aus seinem Gebäude nahelegen?

Das BMFTR betont, das Futurium habe sich zu einem erfolgreichen und attraktiven Zukunftsmuseum entwickelt. Der Bund setze mit seiner finanziellen Beteiligung an der Trägergesellschaft wichtige Akzente. "Es geht um die Sichtbarkeit und die Bedeutung von Forschungs- und Innovationspolitik für den Standort Deutschland."

Freier Eintritt als Programm

Die Futurium-Leitung nahm am Nachmittag auf Anfrage ebenfalls Stellung zur BRH-Kritik. Wer das Futurium einmal besucht habe, wisse, "dass Menschen aller Altersgruppen und Bildungshintergründe dieses Haus zu einem lebendigen, zukunftsorientierten und zugewandten Ort machen", sagten Futurium-Direktor Stefan Brandt und die kaufmännische Geschäftsführerin Nicola Schneider. "Täglich kommen Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schulklassen, und viele Familien zu uns." Weltweit gelte das Futurium als Referenzbeispiel für innovative Wissenschaftskommunikation zu Zukunftsthemen, wie zahlreiche Delegationsbesuche und internationale Anfragen für Wissenstransfer und Kooperationen zeigen.

Die institutionelle Förderung durch den Bund ist seit dem Haushalt 2020 nahezu konstant, im Jahr 2025 liege sie lediglich um ein Prozent höher. Damit habe das Haus alle Kostensteigerungen selbst kompensiert, zunehmend würden Drittmittel etwa für Sonderausstellungen und Bildungsprogramme akquiriert.

Zu den Vorwürfen gravierender Verwaltungsmängel sagten Brandt und Schneider, das Futurium werde regelmäßig durch einen im Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof bestellten Wirtschaftsprüfer und den Aufsichtsrat überprüft. "Die Prüfungen des Wirtschaftsprüfers erfolgen jährlich und ergaben immer, dass sowohl handelsrechtliche als auch zuwendungsrechtliche Vorgaben vollumfänglich eingehalten wurden." Beim Datenschutzverstoß habe das Futurium wie vom Ministerium dargestellt sofort gehandelt.

Und dann die Sache mit dem freien Eintritt. Der, so Brandt und Schneider, mache es möglich, dass das Futurium ein offenes Haus für alle ist und nicht ein Museum, das vorrangig von gutsituierten Touristen besucht wird. Auch viele andere Museen, in Berlin über 60, "darunter viele Geschichtsorte", erheben keinen Eintritt. Das Futurium erreiche deutlich mehr junge Leute und Nicht-Akademiker als der Schnitt Berliner Museen. "Das Futurium ist ein Ort, an dem sich viele junge Menschen – unabhängig von Herkunft und Bildungshintergrund – mit der Zukunft auseinandersetzen. Damit erfüllen wir den Auftrag, der uns von unseren Gründern ins Programm geschrieben wurde. Oft hören wir vom Publikum das Feedback, dass das Futurium als Ort begründeter Hoffnung und als Gegenentwurf zu häufig negativen Zukunftsszenarien gesehen wird." JMW.

Kommentare

#2 -

Elmar Neitzert | Do., 11.12.2025 - 12:43

Ein weiteres Beispiel dafür, dass der BRH sich ausschließlich mit monetären Aspekten der Förderung beschäftigt. 
Begeisterung der Jugend und Information der Öffentlichkeit zu den heute so wichtigen MINT-Themen lassen sich naturgemäß nicht in "Kennzahlen" manifestieren.
Weitere Gesellschafter kann man auch nicht zwangsverpflichten, so wie es sich der BRH ofenbar vorstellt. Dass sich die Wirtschaft in Zeiten von Auftragsrückgang und Zoll-Chaos eher auf sich selbst besinnt, ist nachvollziehbar.

Um so wichtiger ist der Beitrag des Bundes / BMFTR zu diesem Vorhaben!

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