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Absurder Personalstreit in Göttingen: Universitätssenat nennt Reputationsschaden verheerend

Das Vorgehen der Hochschulleitung sei nicht akzeptabel, das Handeln von Präsidium und Stiftungsrat gefährde Göttingens Exzellenzchancen, kritisiert das wichtigste Universitätsgremium. Die Kritisierten setzten ihr öffentliches Schweigen derweil fort.

VOM GÖTTINGER UNIVERSITÄTSPRÄSIDENTEN Metin Tolan gibt es weiter kein öffentliches Statement, ebenso wenig vom Vorsitzenden von Stiftungsrat und Universitäts-Stiftungsausschuss, Peter Strohschneider. Dafür hat sich in seiner Sitzung vergangenen Mittwoch der Senat der Traditionshochschule auf eine Stellungnahme zu den Geschehnissen um den Göttinger Vizepräsidenten Norbert Lossau geeinigt. Deren Wortlaut, offenbar ebenfalls nicht für die allgemeine Veröffentlichung bestimmt, zeigt, wie stark der Unmut über die Behandlung Lossaus durch Tolan, das übrige Präsidium und Strohschneider ist – und wie groß die Angst vor einem erneuten Imageschaden für die Universität.

Wie berichtet hatte Tolan am Vormittag des 11. April den Senat per Mail informiert, dass der hauptamtliche Vizepräsident für Digitalisierung und Infrastrukturen zurückgetreten sei – was dieser dann nur anderthalb Stunden später ebenfalls per Mail bestritt.

Die Senatsmitglieder erklären nun, sie seien "besorgt über die Vorgänge", und kritisieren, dass Tolan sie erst am 11. April vom angeblichen Rücktritt Lossaus informiert habe. "Obwohl bereits seit dem 5. April klar war, dass es nicht zu einer gütlichen Einigung zwischen Herrn Lossau und dem Präsidium kommen würde, wurde der Senat nicht informiert und konsultiert." Dies müsse sich künftig ändern. Darüber hinaus sei "der öffentliche Umgang mit einem verdienten Mitglied der Universität und langjährigem Vizepräsidenten" (Lossau befindet sich seit 2013 im Amt) "in dieser Form nicht akzeptabel".

Es folgt eine Frontalkritik auch an die Adresse Peter Strohschneiders – den ehemaligen DFG-Präsidenten, der nach den Querelen 2019 um die Neubesetzung des Präsidentenamtes zusammen mit Tolan wieder Ruhe, etwas Glanz und neue Chancen im Exzellenzwettbewerb nach Göttingen hatte bringen sollen. Der Senat schreibt: "Die schon jetzt erkennbaren Auswirkungen des Handelns der Universitätsführung und des Stiftungsrats-Vorsitzenden auf die Reputation der Georg-August-Universität sind verheerend und gefährden zusätzlich die laufende Exzellenzinitative (sic!)."

Auch bemängelt der Senat, dass ein für die Exzellenzstrategie und die Erreichung der Klimaneutralität unverzichtbares Amt auf absehbare Zeit "durch diese Entscheidung des Präsidiums" nur kommissarisch geführt werde.

Schließlich fordert der laut Insidern mit großer Mehrheit angenommene Senatsbeschluss "die Beteiligten" auf, "möglichst schnell eine gütliche Einigung herbeizuführen und diese dann auch öffentlich nachvollziehbar zu erklären."

Anfragen über den weiteren Verlauf der Gespräche mit Lossau ließ die Universitäts-Pressestelle am Wochenende unbeantwortet.

Kommentare

#2 -

Tomas Bursfeld | Fr., 05.05.2023 - 16:57
Das vom niedersächs. Wissenschaftsminister verordnete Stillschweigen in der Angelegenheit zieht sich offenbar bis in diese Kommentarspalten hinein. Liest man den Brief von
Herrn Kaufmann richtig, geht es vielleicht nur um das Einsparen der Kosten für den zweiten hauptamtlichen Vizepräsidenten. Alles andere gibt doch keinen Sinn.

#4 -

Jan-Martin Wiarda | So., 07.05.2023 - 14:08
Lieber Herr Reckel,

vielen Dank für Ihren Kommentar! Was genau meinen Sie damit, dass dieser Blogeintrag inzwischen schwer erreichbar sei? Und der Kommentar von Herrn Kaufmann war von Anfang an an den ersten Blogbeitrag angehängt.

Beste Grüße
Ihr Jan-Martin Wiarda

#5 -

Johannes Reckel | So., 07.05.2023 - 15:41
Bei Google wird der zweite Blogeintrag, so wie er hier steht jedenfalls bei mir bei der Suche Lossau Rücktritt Göttingen nicht mehr angezeigt. Bis vor einigen Tagen wurde er separat gezeigt. Ich hatte in Erinnerung, Herrn Kaufmanns Leserbrief wäre unter dem zweiten Blogeintrag gewesen. Vielleicht irre ich mich. Dann wäre dieser Kommentar gegenstandslos. Jedenfalls wundere ich mich, daß Sie offenbar der Einzige sind, der sich erfolgreich hinter diese wie ich finden skandalöse Geschichte geklemmt hat und dann von der HNA ausgewertet wird. Diesen zweiten Blogeintrag habe ich über einen Link bei Twitter (Felix Schabasian) wiedergefunden.

#6 -

Jan-Martin Wiarda | So., 07.05.2023 - 17:00
Lieber Herr Reckel,

wie Google das handhabt, kann ich leider nicht sagen. Herr Kaufmann war definitiv immer an der Position. Danke für den Hinweis in Sachen HNA! Ich bleibe natürlich dran an der Sache.

Beste Grüße
Ihr Jan-Martin Wiarda

#9 -

Dominik Krummbiegel | Mi., 21.06.2023 - 12:26
Heute steht im Göttinger Tageblatt ein längerer und sehr pointierter Leserbrief von Prof. em. Axel Zeeck zu dem Problem. Herr Zeeck war selbst Vizepräsident und längere Zeit Mitglied im Senat der Universität. Er kennt sich also noch bestens aus und macht auch hier für alle Beteiligten gesichtswahrende Vorschläge.

#10 -

Arthur Engel | Di., 04.07.2023 - 11:32
ad 9) Morgens verkündet das Göttinger Tageblatt, daß der Streit um den Vizepräsidenten Lossau gelöst sei. Er würde die Leitung von Uni-digital für das Land Niedersachsen übernehmen. Da hat er gute Erfahrungen. Nun loben sich alle Seiten. Zugleich soll die Landes- und Uni-Bibliothek
umgebaut werden.

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