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Die Exzellenzformel der Physik

Physiker dominieren die Exzellenzstrategie – dank starker Netzwerke, schlagender Argumente und ein bisschen Mythos.
DFG-Netzwerkanalyse

Interdisziplinaritäts-Netzwerkanalyse der DFG zu den an der Exzellenzstrategie beteiligten Fächern. Quelle: DFG.

PHYSIKER SIND wissenschaftspolitisch gesehen eine besonders interessante Wissenschaftlerspezies. Ihre Fächergruppe "Physik/Astronomie" stellt nur 4,9 Prozent der Professuren an deutschen Universitäten – verbucht aber 7,7 Prozent der gesamten DFG-Projektförderung. Was für sich schon eine sehr gute Quote ist. Aber nun halten Sie sich fest: In der zweiten Runde der Exzellenzstrategie eroberten Physiker im Lead 17,1 Prozent der Exzellenzcluster. Kein Ausreißer übrigens: In der ersten Runde waren es 17,5 Prozent. Sehr anschaulich aufbereitet finden sich diese und weitere ExStra-Statistiken in einer sogenannten "Data Story", die jetzt zum ersten Mal in dieser Form von der DFG-Geschäftsstelle veröffentlicht wurde.

Ihre besondere "Affinität" der Physik/Astronomie zur Exzellenzstrategie, wie die DFG das nennt, zeigt sich bei den Physikern und Astronomen auch darin, dass auf jede vierte Professur dieser Fächergruppe in Deutschland in diesem Wettbewerb ein Principal Investigator kommt: 1.319 Professuren, 292 PIs. Ein etwas deprimierender Fakt am Rande: Damit liegt die Zahl der Physik-PIs um die Hälfte höher als die Zahl der Physikprofessorinnen in Deutschland.

Als eine Erklärung für den außergewöhnlichen ExStra-Erfolg der Physiker bietet die DFG das Ergebnis ihrer Netzwerkanalyse auf, die "das interdisziplinäre Gesamtgefüge" der Exzellenzstrategie visualisiert. "Geradezu klassisch" sei darin die zentrale Positionierung des Fachs Physik/Astronomie: "Dieses sowie weitere der Physik zuzuordnende Fächer sind generell besonders anschlussfähig für Kooperationen mit Angehörigen ganz unterschiedlicher Disziplinen."

Positiv formuliert macht das Physiker besonders erfolgreich in einem laut DFG "auf Interdisziplinarität fokussierten Förderprogramm". Weniger schmeichelhaft könnte man auch sagen: Physiker sind einfach besonders gut im Bilden von Beutegemeinschaften.

Neutraler lässt sich jedenfalls festhalten: Physiker schaffen es, Wissenschaftspolitik und (zugegebenermaßen oft selbst fachaffine) Gutachter davon zu überzeugen, dass ihre Arbeit es wert ist. Man denke nur an so beeindruckende Anlagen wie das CERN. Oder an so beeindruckend verzögerte, um ein Vielfaches teurer gewordene und trotzdem nie gestoppte Großprojekte wie die "Facility for Antiproton and Ion Research", kurz FAIR, in Darmstadt. Teilchenphysiker suchen nach Antworten auf die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, Astronomen richten den Blick auf das Werden und Sein des Universums. Das sind ziemlich gute Argumente für ziemlich viel Fördergelder.

Wie weit die physikalischen Netzwerke reichen – oder wie sehr Physiker wissenschaftspolitisch geschätzt werden – zeigte vor ein paar Jahren eine ganz anders gelagerte Analyse, die das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) 2019 zum ersten Mal publizierte: zur Demografie der Rektoren und Präsidenten deutscher Universitäten. Acht der 81 Unichefs waren Physiker. Keine andere Fächergruppe saß häufiger im Rektorat. Damals ein Aha-Effekt. Inzwischen dürfte sich darüber kaum noch jemand wundern.

Dieser Kommentar erschien zuerst im kostenfreien Wiarda-Newsletter.

Kommentare

#1 -

Kaktus | Do., 31.07.2025 - 11:08

Leider ist Physik immer noch männlich dominiert. Auch wenn man Professorinnen in Führungspositionen von Organisationen bringt, sagt das noch lange nichts aus über die Frauenförderung. Diese muss auf allen Ebenen passieren. Das passiert aber nicht. Wenn ein Prof ein Symposium veranstaltet, bei dem von 30 Sprechern nur eine weiblich ist, ist das einfach keine gute Message an Physikerinnen. Da die weibliche Leitungsebene dem nicht widerspricht, unterstützt sie solche Signale. Physikerinnen, die sich männlich verhalten, sind der Frauenförderung nicht dienlich.
 

#2 -

Kaktus | Do., 31.07.2025 - 11:21

Man sollte aber auch sagen, dass das CERN  bisher nicht wirklich das abgeliefert, was es versprochen hat. Echte neue Physik gab es nicht. 
Jetzt verlangen Physiker Geld für den Nachfolger des aktuellen CERNs. Das Geld ist in anderen Fachbereichen besser angelegt, wo man mit angewandte Wissenschaft den Benefit für die Gesellschaft verbessern kann. Sabine Hossenfelder hat das in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. 
 

#2.1 -

Peter | Do., 21.08.2025 - 23:35

Antwort auf von Kaktus (nicht überprüft)

... schreibt Kaktus im vom CERN erfundenen ,World Wide Web' :)

#3 -

R. Mautzel | Sa., 02.08.2025 - 10:31

Ein Gegenbeispiel ist leider der abgewählte Präsident der Universität Göttingen. Das hatte dann auch negative Auswirkungen auf stark physik-involvierte Großprojekte. 

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