Zuständig? Vielleicht.
Am Stichtag 1. August sollte Klarheit über die neuen Ressortzuschnitte in der Bundesregierung herrschen – doch es bleiben Unschärfen. Vor allem bei der Innovationspolitik scheint das Gerangel zwischen Forschungs- und Wirtschaftsministerium noch nicht vorüber zu sein.
Wer muss wohin umziehen? Nicht in allen Fällen ist das schon klar. Foto: Drazen Zigic/Freepik.
MIT SPANNUNG WURDE ER ERWARTET: der 1. August. In den Bundesministerien selbst, aber auch in der Bildungs- und Wissenschaftsszene. Denn es handelt sich um den Stichtag, bis zu dem der sogenannte Organisationserlass der Bundesregierung ausbuchstabiert sein muss.
Der hatte schon kurz nach Regierungsantritt theoretisch festlegen sollen, was der Neuzuschnitt verschiedener Ressorts bedeutet für Referate und Zuständigkeiten, aber tatsächlich eine Menge Fragen offengelassen. "Weitere Einzelheiten des Übergangs werden zwischen den beteiligten Mitgliedern der Bundesregierung geregelt und dem Chef des Bundeskanzleramtes bis zum 1. August 2025 mitgeteilt", hieß es in dem Beschluss.
Und? Ist jetzt alles klar? Steht fest, welche Bereiche von wo nach wo umziehen? Und an welcher Stelle politische Verantwortlichkeiten wechseln? Nun ja.
Zum Dienstschluss eine Nachricht der Ministerin
Am Donnerstagabend um 18.46 Uhr ging im BMFTR eine Mail von Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) über den Gesamtverteiler. Die vergangenen Wochen und Monate seien von "außerordentlich intensiven Verhandlungen" geprägt gewesen "auf allen Ebenen", von den Organisations- und Personalreferaten bis hinauf zur Ministerebene. "Diese breite Beteiligung und die damit verbundenen Anstrengungen haben dazu geführt, dass sich nun Klarheit über zentrale Fragen der künftigen Zuständigkeitsverteilung abzeichnet."
Eine auffällig zurückhaltende Formulierung, die kurz darauf konkretisiert wird: "Die Eckpunkte zur Zuständigkeitsverteilung zwischen dem BMFTR und dem BMV sind geeint, und auch wenn noch Gespräche stattfinden, ist mittlerweile ebenso absehbar, für welche Bereiche der Übergang aus dem BMWE zu uns unstreitig ist."
Dass es ein Gerangel und Gezerre zwischen Forschungs- und Wirtschaftsministerium besonders um die für die Innovationspolitik zuständigen Referate gegeben hatte, war hier im Blog schon berichtet worden. Dahinter steckte ein Konflikt, der schon in den Koalitionsverhandlungen begann und dann immer weiter vertagt worden war – zuletzt durch den Organisationserlass, der die Frage der Zuständigkeit für die Innovationspolitik im Unklaren ließ.
In Bärs Mail vom Donnerstagabend steht nun, es sei "absehbar", dass aus dem BMWE "folgende Bereiche übergehen: die Raumfahrtreferate IV D 3 'Grundsatzfragen der Raumfahrt; ESA', IV D 4 'Raumfahrtagentur, Nationales Raumfahrtprogramm, Weltraumsicherheit' und IV D 5 'Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, HGF', das Referat VI B 1 'Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Innovations- und Technologiepolitik' sowie VI C 1 'Entwicklung digitaler Technologien'. Zudem geht anteilig der Bereich Games aus dem Referat VI B 6 'Kultur- und Kreativwirtschaft, Games' über sowie im Referat VI B 2 die Zuständigkeit für SPRIND."
Darüber hinaus werde eine gemeinsame Arbeitsgruppe von BMFTR und BMWE eingerichtet, "um Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland bei der Entwicklung und dem Einsatz zukunftsweisender Technologien enger zu verzahnen – und so Deutschlands Position als Hightech- und Innovationsstandort weiter zu stärken."
Was ist mit den BMWE-Innovationsförderprogrammen?
Eine Arbeitsgruppe zur strategischen Abstimmung in der Technologie- und Innovationspolitik zwischen zwei Ministerien, die sich traditionell schwertun mit der Abstimmung – weshalb ja alle auf einen klaren Cut bei den Zuständigkeiten gehofft hatten? Das lässt nichts Gutes erahnen: Heißt das im Umkehrschluss, dass zwar das Grundsatzreferat für die Innovations- und Technologiepolitik ins BMFTR wandert, die Referate und Zuständigkeiten für die großen Innovationsprogramme von ZIM und IGP bis zu IGF und INNO-KOM aber jetzt doch im BMWE verbleiben – obwohl Bärs Ministerium neuerdings die "Technologie" als Zuständigkeit im Namen trägt und Technologiepolitik und Innovationsförderung eigentlich untrennbar zusammengehören? Genau deshalb hatte der schwarz-rote Koalitionsvertrag die Schaffung einer neuen Dachmarke namens "Initiative Forschung & Anwendung" angekündigt, unter sich auch die bisher im BMWE verorteten Innovationsprogramme versammeln sollten.
Auf Nachfrage sagt eine BMFTR-Sprecherin, die Zuständigkeitsübergänge zwischen BMFTR und BMWE seien "noch nicht vollends" geeint. Eine abschließende Klärung werde "in Kürze" erwartet. Der Übergang der in Bärs Hausmitteilung genannten BMWE-Referate sei unstrittig, also "mindestens diese" würden wechseln. "Sobald eine Einigung zwischen BMWE und BMFTR zur Umsetzung des Organisationserlasses erreicht ist, wird darin auch geregelt sein, welche Referate und Titel vom BMWE auf das BMFTR übergehen."
Das Pokern um die Innovation, die diesbezüglichen Referate und Fördertöpfe, geht also vorerst weiter. Und die Sprecherin baut schon einmal vor: Das BMFTR verfüge "unabhängig von Mitteln aus anderen Ressorts" mit seinem Einzelplan, einem für Forschung und Entwicklung reservierten Teil des Sondervermögens Infrastruktur und dem KTF über "umfangreiche Fördermittel". Das BMFTR habe im Haushalt 2025 und 2026 "erhebliche Mehrmittel in Höhe von mehreren Milliarden" einwerben können.
Harmonischer gestaltet sich offenbar der Übergang zwischen Verkehrsministerium und BMFTR, wie die Indikativ-Formulierungen in Bärs Hausmitteilung zeigen: "Aus dem BMV gehen die ehemaligen Organisationseinheiten DK 23 'Satellitennavigation und -kommunikation' und PRS-B 'Deutsche Galileo PRS-Behörde' in Gänze in das BMFTR über", zählt die Ministerin auf. Und weiter: "Im Bereich der Erdbeobachtung übernimmt das BMFTR die Zuständigkeit für das EU-Satellitenprogramm Copernicus, mit entsprechendem Teilübergang des ehemaligen Referats DK 22 'Meteorologie, DWD, Erdbeobachtung' aus dem BMV."
Der Deutsche Wetterdienst verbleibe mit den EUMETSAT-Wettersatelliten beim BMV. Das BMFTR werde jedoch Teil der deutschen Delegation beim EUMETSAT-Rat und erhalte innerhalb der Bundesregierung das Erstvorschlagsrecht für alle nicht-meteorologischen Dossiers. "Die Zuständigkeit für die Förderung von U-Spaces und Advanced Air Mobility geht auf das BMFTR über, ebenso wird das Thema Hyperloop künftig im BMFTR verortet."
Letzteres ein bayerisches Lieblingsthema und auch im Koalitionsvertrag und der gerade beschlossenen Hightech-Agenda explizit erwähnt.
"Ein Einigungspaket" mit dem Bildungsministerium
Dass Bär am Donnerstagabend keine Einzelheiten zu den Übergängen zwischen BMFTR und dem ebenfalls neu zugeschnittenen, von Karin Prien (CDU) geführten Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) mitteilte, liegt daran, dass ihr Staatssekretär Marcus Pleyer hierzu schon am vergangenen Freitag eine Nachricht an den großen Hausverteiler geschickt hatte.
Es liege nun "ein Einigungspaket" mit dem BMBFSFJ vor, Einzelheiten würden jetzt noch im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung verhandelt, schrieb Pleyer darin. Und führte auf: Neben der Bildungsabteilung 3 seien weitere "Organisationseinheiten" vom Übergang betroffen. Das Referat 432 ("Aufstiegsförderung") werde als Ganzes an das BMBFSFJ übergehen. Bei den Referaten 121 ("Grundfragen der Digitalisierung, MINT-Bildung") und 222 ("ERASMUS, Internationale Zusammenarbeit in der Berufsbildung") gingen Teile der Referatszuständigkeiten mit Referatsleitung und dem entsprechenden Personal über. Zudem gingen von den Referaten 113 ("Bund-Länder-Zusammenarbeit"), 123 ("Nationale und internationale Vergleichsanalysen, Statistik"), 200 ("Grundsatzfragen Digitalisierung und Transfer, Wissenschaftsreferate an deutschen Auslandsvertretungen") und 221 ("Europäische Zusammenarbeit: Bildung in der EU") einzelne Aufgabenbereiche mit entsprechendem Personal über. "Es gibt ferner Einzelthemen der Abteilung 3, die im Rahmen der Einigung besonders geregelt werden." So blieben Teile der ESF-Verwaltungsstelle mit entsprechendem Personal im BMFTR.
Mit dem BMBFSJ seien die "Zuständigkeitsübergänge" geeint, bekräftigte die BMFTR-Sprecherin am Freitag. Aus dem BMBFSFJ hieß es dagegen, die Umsetzung des Organisationserlasses verschiebe sich um etwa zwei Wochen, was angesichts der Fristsetzung durch den Kabinettsbeschluss, der Auskunft aus der BMFTR-Pressestelle und des Detailgrads der Angaben in Pleyers BMFTR-Hausmitteilung dann doch wundert.
Obgleich man also den Angaben aus dem Forschungsministerium entnehmen kann, dass etwa die Zuständigkeit fürs BAföG und für die Begabtenförderung (die Förderwerke) als Ganzes in Bärs Ministerium bleibt, sollte man bis zum letzten Ausrufezeichen auch hinter dieser Aussage noch abwarten.
Zurück zur Hausmitteilung von Dorothee Bär. Staatssekretär Pleyer werde angesichts der 1.-August-Frist "diesen Zwischenstand mit den bereits erzielten Verständigungen mit dem BMBFSFJ, dem BMV und dem BMWE heute an das Bundeskanzleramt melden", schrieb die Ministerin am Donnerstagabend. "Mit diesem ist vereinbart, dass die Verwaltungsvereinbarungen, die die Details formal regeln, in den kommenden Wochen finalisiert werden. Ein realistischer Zeitpunkt für den tatsächlichen Übergang – also für die Aufnahme der Arbeit bei uns durch die neuen Kolleginnen und Kollegen beziehungsweise den Wechsel der Themenbereiche in andere Häuser – dürfte im Oktober liegen."
Spätestens dann sollte, wer nach dem Stichwort "Organisation des Hauses" sucht, auf den Seiten des BMFTR mehr finden als den Hinweis auf verwandte Themen. Auf der BMBFSFJ-Homepage reicht das Organigramm immerhin schon bis runter auf die Ebene der – nun sechs – Abteilungen. Doch wer nach Referaten sucht, muss sich auch hier noch gedulden.
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