Einigung, Vermerk, Verzögerung?
Bund und Länder wollen 2026 mit dem Digitalpakt 2.0 loslegen. Doch ein rätselhafter Haushaltsvermerk, der Ministeriumsumbau und zähe Verfahren drohen den Start zu bremsen.
Illustration KI-generiert.
DIE ERLEICHTERUNG war groß, als Bund und Länder im Dezember 2024 nach schier endlosen Verhandlungen endlich Eckpunkte zum Digitalpakt 2.0 präsentierten. Der grüne Übergangs-Bundesbildungsminister Cem Özdemir hatte in Rekordzeit geschafft, woran seine FDP-Vorgängerin Bettina Stark-Watzinger über ein Jahr lang gescheitert war. Während sie immer wieder taktierte, vertröstete, auf Zeit spielte – offenbar, weil ihr schlicht das Geld fehlte – stand nun plötzlich eine gemeinsame Erklärung mit allen 16 Ländern. Die Pakt-Neuauflage sollte fünf Milliarden Euro für digitale Infrastruktur sichern, diesmal getragen je zur Hälfte von Bund und Ländern.
Schon damals war allerdings klar: Wirklich frisches Geld würden die Länder nur begrenzt beisteuern. Ein Großteil ihres Anteils, lautete eine zentrale Abmachung, würden sie über die Anrechnung bereits laufender Maßnahmen bestreiten dürfen. Aber immerhin: Es gab eine Verständigung, die Schulen konnten auf Kontinuität hoffen.
Ein Satz, der Milliarden kosten könnte
Und nun das: In den Haushaltsverhandlungen für 2025 tauchte plötzlich ein unscheinbarer Vermerk auf, eingefügt in letzter Minute. Er besagt, dass Bundesmittel nur in Höhe der von den Ländern zusätzlich aufgebrachten Gelder fließen dürfen. Ein kleiner Satz mit großer Sprengkraft. Denn sollte er Bestand haben, schrumpfte das Volumen des Pakts nach Berechnungen aus den Ländern von fünf Milliarden auf einen Bruchteil. "Ehrlich gesagt würde eine Vereinbarung dann gar keinen Sinn mehr ergeben", kommentiert ein Ländervertreter.
Zuerst berichtet über den Vorgang hat der Bildungsjournalist Christian Füller im Tagesspiegel Background. Laut seiner Recherche war es die koalitionseigene AG Haushalt von CDU/CSU und SPD, die den Vermerk für den Haushalt 2025 kurzfristig in der Bereinigungssitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses einbrachte – und schließlich auch durchsetzte. Was den Fall noch heikler macht: Bis heute weiß niemand, wie genau dieser Satz dort hineingeraten ist. War es ein politischer Wille? Oder schlicht ein Lapsus im komplizierten Haushaltsverfahren? Selbst im Bundesbildungsministerium war man nicht vorab informiert – und wurde überrumpelt.
Positiv hervorgehoben wird in den Ländern, dass das Bildungsministerium sie umgehend von dem Problem informiert habe. Erst per Mail auf Arbeitsebene, später dann auch persönlich. So habe BMBFSFJ-Staatssekretärin Petra Bahr in der sogenannten Steuerungsgruppe von Bund und Ländern erklärt, sie sei in guten Gesprächen mit Finanzministerium und Bundestagsfraktionen, damit die Regelung spätestens ab 2026 entfalle. Ihr zentrales Argument: Der Vermerk sei sachlich falsch, weil es sich bei der Digitalpakt-Finanzierung nicht um klassische Zuwendungen handle. In den Ländern hieß es dazu, es habe sich um ein "erschreckendes Signal" gehandelt, die Erklärungen aus dem Ministerium hätten jedoch "erstmal beruhigt".
Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) äußerte sich bislang nicht öffentlich zu dem Vermerk. Unterstützung erhält sie unterdessen von der nordrhein-westfälischen Schulministerin Dorothee Feller (ebenfalls CDU), Koordinatorin der unionsgeführten Länder in der Bildungsministerkonferenz (BMK). "Die Anrechenbarkeit war klar vereinbart. Wir gehen davon aus, dass der Bund die im Zuge der Haushaltsaufstellung entstandenen Irritationen bis zur nächsten Gesprächsrunde Ende Oktober zügig klärt", sagt sie und betont: "Ich vertraue unserer Bundesbildungsministerin, da sie sich gut in die Bundesländer hineinversetzen kann. Bund und Länder eint das gemeinsame Interesse, den Digitalpakt 2.0 schnell voranzubringen und erfolgreich umzusetzen."
Gelegenheit Kabinettsklausur
Die Gelegenheit, die offenen Fragen direkt mit Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zu besprechen, bietet sich für Prien kurzfristig: Diese Woche sind beide zur Kabinettsklausur in der Berliner Villa Borsig.
Doch warum dauert es überhaupt noch so lange? Im Juli hatte die neue Bundesbildungsministerin, frisch im Amt, im Wiarda-Blog angekündigt: "Wir nehmen unverzüglich die Verhandlungen auf und können uns hierzu sehr schnell einigen." Sie beschwor damals einen schnellen Start, verbunden mit der Zusage eines "vorzeitigen Maßnahmenbeginns".
Doch jetzt wird für die Oktoberkonferenz der Bildungsminister bestenfalls ein Sachstandsbericht erwartet, die Hoffnungen ruhen auf einer Unterzeichnung beim Treffen der Bildungsministerkonferenz im Dezember. Ein Grund für die Langsamkeit, klagen manche Landesministerien, sei der Ministeriumsumbau: Die komplette Bildungsabteilung wird derzeit aus dem BMFTR herausgelöst und ins neue BMBFSFJ verschoben – und damit auch die Zuständigkeit für den Digitalpakt.
Länder "trampeln mit den Füßen"
In den Bund-Länder-Gesprächen habe man das neulich deutlich gespürt, berichten Teilnehmer, schon die unterschiedlichen Tischschilder (auf den einen noch BMFTR, auf den anderen BMBFSFJ) hätten gezeigt, dass sich die Geschäftsordnung noch im Übergang befand. Solange die Abteilung nicht vollständig angekommen sei, fehle aber die Procura für Verhandlungen – was im Bundesbildungsministerium bestritten wird. Dass es sich um ein "Binnen-, aber kein Verhandlungsproblem" handele, sehen indes auch einige in den Ländern so. Man stehe längst in den Startlöchern, "trample mit den Füßen", heißt es im Hintergrund.
Vergangene Woche hatte Prien im Bundestag mitgeteilt, dass die Verwaltungsvereinbarung mit dem BMFTR zum 1. November in Kraft treten werde. Unterschrieben wurde sie vergangene Woche. "Die Beschäftigten, die ins BMBFSFJ wechseln haben jetzt Sicherheit und wir alle freuen uns, gemeinsam loszulegen."
Die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot, Koordinatorin der SPD-regierten Länder, sagt: Positiv sei, dass die Pakt-Finanzierung wie von den Ländern gefordert über das Sondervermögen gesichert sei und das Bundesbildungsministerium einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn ab 2025 zugesagt habe, "ein wichtiges Signal für die Länder und Schulträger." Und weiter: "Wir gehen davon aus, dass die zwischen Bund und Ländern im Dezember 2024 verständigten Eckpunkte für einen DigitalPakt 2.0 weiterhin Bestand haben, damit Planungssicherheit für alle Beteiligten besteht." Ziel bleibe, dass der Digitalpakt 2.0 wie geplant zum 1. Januar 2026 starte – die Länder seien dafür "startklar".
Es gibt allerdings auch Warnungen, dass so bald mit frischem Geld in den Schulen kaum zu rechnen sei. Denn selbst bei einer Unterzeichnung im Dezember müssten vielfach erst noch Kabinette oder Parlamente befasst werden, danach die Richtlinien ausgearbeitet und erste Förderaufrufe gestartet würden. Im günstigsten Fall sei im Sommer oder Herbst 2026 mit ersten Anträgen zu rechnen, mit ernsthaften Mittelabflüssen wohl erst 2027.
Was dann, sagt ein Ländervertreter, auch wiederum die Bedeutung des umstrittenen Haushaltsvermerks relativiere: Bevor der anfange, überhaupt wehzutun, müsse man erstmal mit den Verhandlungen so weit sein.
Nachtrag am 30. September
Prien: "Ich Kann die Länder beruhigen"
Am Dienstag meldete sich Bundesbildungsministerin Prien persönlich zu Wort. Auf Anfrage sagte sie: "Ich kann die Länder beruhigen. Ziel ist nach wie vor, dass der Digitalpakt 2.0 im Haushalt 2026 abgebildet sein wird, wie es in den Eckpunkten mit den Ländern vereinbart wurde. Das gilt auch für die Gegenfinanzierung."
Wobei Priens Wording, das sei nach wie vor das "Ziel", womöglich nur kurzfristig zur Beruhigung ihrer Landesministerkollegen reichen dürfte. Im Hintergrund ist derweil aus dem Haushaltsausschuss zu hören, dass man sich bei dem Passus sehr wohl etwas gedacht habe – auch als Botschaft, dass man es als Bund den Ländern nicht zu leicht machen dürfe.
Die Ministerin betont jedoch, die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem BMFTR und ihrem Ministerium sei "frisch unterzeichnet und wir führen auf der Grundlage weiter die Verhandlungen. Die Bund-Länder-Vereinbarung zum Digitalpakt 2.0 soll wie geplant ermöglichen, dass den Ländern ab 1. Januar ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn möglich sein wird."
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