Humboldt-Universität reicht Verfassungsbeschwerde ein
Das Land Berlin überschreite mit dem neuen Hochschulgesetz seine Kompetenzen und greife unverhältnismäßig in die Verfassungsrechte der Universitäten ein, argumentiert die HU.
ES DÜRFTE einer ihrer letzten Amtshandlungen gewesen sein: Zum Jahresende gibt Sabine Kunst aus Protest gegen das neue Berliner Hochschulgesetz ihren Posten als Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität (HU) ab, heute hat sie als Vertreterin der HU die seit Anfang November vorbereitete Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Sie richte sich gegen Paragraph 110, Absatz 6 des Gesetzes. Es solle höchstrichterlich geklärt werden, ob das Land Berlin damit seine Gesetzgebungskompetenz überschritten habe, teilte die HU mit.
In das am 25. September in Kraft getretenen Gesetz hatten die Abgeordnetenhaus-Fraktionen von SPD, Grünen und Linken in letzter Minute einen Passus eingefügt, demzufolge promovierte Wissenschaftler auf haushaltsfinanzierten Qualifikationsstellen den Anspruch auf die Anschlusszusage einer unbefristeten Stelle haben. Damit reagierten die Fraktionen auf die bundesweite "#IchBinHanna"-Debatte um die hohe Befristungsquote in der Wissenschaft. In den Berliner Hochschulleitungen löste der Paragraph dagegen Entrüstung aus.
Ein von Kunst in Auftrag gegebenes Gutachten des HU-Verfassungsrechtlers Matthias Ruffert hatte Anfang November ergeben, dass dem Land Berlin für eine solche Regelung die Gesetzgebungskompetenz fehle. Der Bund habe mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz in diesem Zusammenhang bereits umfassend und abschließend von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht.
Neu an der heute bekannt gewordenen Argumentation der HU ist, dass die Regelung im Gesetz nach Meinung der Universität auch "unverhältnismäßig in ihre verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte" eingreife. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, "dass die Hochschulen ihrer Aufgabe, kontinuierliche Nachwuchsförderung zu betreiben, nur nachkommen können, wenn die beschränkt vorhandenen Stellen nach einer gewissen Zeit auch wieder frei werden".
Kunst tritt zum 31. Dezember 2021 zurück, Interimsnachfolger wird der frühere HU-Vizepräsident Peter Frensch.
Die Berliner Wissenschaftslandschaft bleibt damit unmittelbar nach Amtsantritt der neuen Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote in schwerem Fahrwasser. Unter anderem hatte auch der Exzellenzverbund "Berlin University Alliance" mit Verweis auf das neue Hochschulgesetz Dutzende Stellenbesetzungen gestoppt.
Gote kündigte derweil gegenüber dem Tagesspiegel an, unabhängig vom Ausgang der Beschwerde zeitnah Gespräche mit den hochschulpolitischen Akteur*innen zu initiieren und Anpassungen des Gesetzes einzuleiten. Womit sie sich an die Ankündigung im neuen Berliner Koalitionsvertrag hält, demzufolge SPD, Grüne und Linke die Hochschulen bei der Umsetzung des Gesetzes "unterstützen und notwendige gesetzliche Präzisierungen vornehmen" wollen.
Kommentare
#1 - Richtig so. Die Humboldt-Uni darf nicht unter die…
kommen.
#2 - Das Ruffert-Papier als Gutachten zu bezeichnen, erscheint…
Ich bin gespannt, was Verfasungsrechtler/innen dazu einfallen wird.
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