Noch wesentliche technologische Hürden
Im Dezember hatte Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger das erste deutsche Fusionskraftwerk für Mitte der 30er Jahre vorhergesagt. Jetzt rudert ihr Ministerium zurück – aber nur ein Stück.
DIE PROGNOSE war gewagt. Mitte Dezember erklärte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in einem Fernsehinterview das erste deutsche Fusionskraftwerk "in zehn Jahren" oder "etwas" mehr für realistisch.
Ihr überraschender Euphorieausbruch folgte auf die Nachricht, dass US-Forscher der National Ignition Facility (NIF) in einem Fusionsrektor erstmals mehr mehr Energie erzeugt hatten, als vorher in ihn hineingesteckt worden war.
Während auch anderswo in den Medien von einem "Durchbruch" die Rede war, mahnten Experten zur Geduld. Auch aus Deutschland: So sagte die Direktorin des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München, dass bei dem Versuch in Kalifornien zwar ein Nettogewinn an Energie vorhanden gewesen sei ("tolle Ergebnisse, zu denen wir den Kollegen bei NIF gerne gratulieren") – aber nur wenn man die für den Laser aufgewandte Energie außer Acht lasse. Was die NIF-Wissenschaftler selbst übrigens nie verschwiegen hatten.
Selbst das BMBF äußert sich auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion hin inzwischen zurückhaltender. Nach Kenntnis der Bundesregierung seien bis zur Inbetriebnahme eines Fusionskraftwerkes "noch wesentliche technologische Hürden zu nehmen". In den letzten Jahren seien aber beachtliche Fortschritte in einzelnen Technologien erzielt worden.
Stark-Watzinger selbst habe "bewusst ein sehr ambitioniertes Ziel geäußert, das von einigen Expertinnen und Experten für erste Anlagen genannt wird." Zugleich habe die Ministerin betont, dass es noch etwas länger dauern könne. "Die Erstellung eines Zeitplans für die Realisierung eines kommerziellen Fusionskraftwerks ist nur unter Beteiligung der Industrie möglich. Das BMBF befindet sich hierzu aktuell in Gesprächen." Startups im Bereich der Fusionsforschung fördere das Ministerium nicht.
Der forschungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, kommentierte die Antwort des Ministeriums: Stark-Watzinger habe die erforderliche Zeitenwende in der Forschung bisher völlig verschlafen. "Die Ministerin träumt von Fusionskraftwerken in weniger als 10 Jahren, bleibt jedoch in der aktuellen Energiekrise absolut blass."
Etwas konkreter sind die Planungen im Forschungsministerium aber schon. Das BMBF teilt mit, es habe eine internationale Expertenkommission eingesetzt, Aufgabe: "die Beschreibung und Bewertung der verschiedenen technologischen Optionen zum Ansatz der bislang in Deutschland noch wenig beforschten Trägheitsfusion und die Unterbreitung von Vorschlägen zur weiteren Umsetzung bis zur Anwendung, einschließlich der Einordnung in einen Zeitplan." Bis Ende März bereits soll die Kommission ein Memorandum. "Auf dieser Grundlage soll eine Entscheidung über weitergehende Maßnahmen zur Förderung der Fusionsforschung erfolgen."
Apropos realistischer Zeitplan: Allein die Bau- und Montagezeit der zum IPP gehörenden Fusions-Experimentieranlage Wendelstein 7-X betrug neun Jahre – ohne die vorangehende Planung. Und auf einen wissenschaftlichen Durchbruch warten musste man dafür auch nicht.
Hinweis: Den letzten Absatz habe ich im Nachhinein noch ergänzt.
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