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Bitte keine neuen Schranken!

Dorothea Siems zitiert in der WELT eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, derzufolge immer mehr Studienanfänger nicht mehr richtig rechnen und schreiben können. Siems schlussfolgert, „die politisch gewollte Inflation der Bildungsabschlüsse“ sei mit „einer dramatischen Absenkung der Anforderungen erkauft“ worden, und fragt: „Abitur wirklich für alle?“

Schauen wir uns mal die Faktenlage an. Richtig ist: Deutlich mehr junge Menschen machen heute die allgemeine Hochschulreife als noch vor einigen Jahrzehnten. Und ein Großteil von Ihnen entscheidet sich für ein Studium. Gibt es deswegen weniger gute und herausragende Abiturienten als früher? Nein – im Gegenteil: Nie gab es (unabhängig von der jeweiligen Note) so viele Spitzen-Performer wie heute. Können Abiturienten heute im Schnitt weniger als früher? Wahrscheinlich schon. Einfach weil es mit den steigenden Zahlen zwangsläufig eine größere Leistungsstreuung gibt.

Überraschend: Fasst man alle jungen Leute unabhängig von ihrem Schulabschluss zusammen und vergleicht die heutige Generation mit früheren, so lässt sich methodisch gut gesichert sagen: Seit langer Zeit nicht, vielleicht sogar niemals zuvor waren die jungen Leute so gut gebildet und versiert wie heute. Das belegen schulische Leistungstests, vor allem die Pisastudie, die Neuntklässler verschiedener Länder vergleicht und für Deutschlands Schüler seit anderthalb Jahrzehnten einen stetigen Trend nach oben verzeichnet.

Warum all das wichtig ist? Weil mit einseitig interpretierten Statistiken Politik gemacht wird. Wer aus Sorge um das Leistungsniveau den Zugang zum Gymnasium beschränken möchte, hält nicht die dümmeren Schüler vom Abitur fern, sondern jene, die keine Eltern im Hintergrund haben, die sie pushen. Wer öffentlichkeitswirksam schwadroniert, dass eine Lehre doch etwas Feines sei, der verunsichert Kinder aus Nicht-Akademikerhaushalten, deren Eltern auch so schon skeptisch sind, ob sich Abi und Studium lohnen.

Deutschland arbeitet sich endlich aus den Reihen derjenigen Länder empor, in denen der gesellschaftliche Aufstieg durch Bildung besonders schwer ist. Und dank diesem Mehr an Chancengerechtigkeit hebt sich das Leistungsniveau insgesamt. Lasst uns diesen Fortschritt nicht kaputtreden.

Dieser Kommentar erschien heute auch im ZEIT CHANCEN Brief.

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