Was genau ist eigentlich das Kooperationsverbot?

Seit der Föderalismusreform von 2006 begleitet uns dieses seltsame Wort, von dem Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) beharrlich sagt, ein solches Verbot existiere gar nicht. Vor zehn Jahren hatten SPD und Union – neben vielen anderen – auch die Artikel 91 und 104 des Grundgesetzes geändert. >>



>> Der neue Artikel 104b sollte ursprünglich regeln, dass der Bund den Ländern gar keine Finanzhilfen mehr für Bereiche geben sollte, für die nach der Logik des Grundgesetzes ausschließlich die Länder zuständig sind. Wozu zentral die Schulen und Hochschulen gehören. Im Laufe der Verhandlungen fügte die damalige Große Koalition auf Druck der Sozialdemokraten Ausnahmen ein, und zwar indem sie den Grundgesetz-Artikel 91b neu formulierten.

 

Insofern existierte ein totales Kooperationsverbot nach der Verfassungsänderung von 2006 tatsächlich nicht, weil der Bund mit den Ländern bei internationalen Bildungsvergleichen wie Pisa und Timms weiter zusammenarbeiten durfte und im Bereich der Hochschulen so genannte "Vorhaben" (also zeitlich befristete Projekte und Programme) unterstützen durfte. Das war unter anderem die Brücke für die Exzellenzinitiative. Ansonsten galt: Keine Dauerhilfen für die Hochschulen und gar keine Förderprogramme mehr für die Schulen. Beschlossen wurde die Verfassungsänderung übrigens gegen den Widerstand der Grünen, der Linken und auch der FDP. 

 

Nach jahrelangen Diskussionen wurde das Kooperationsverbot 2014 gelockert, doch wie schon 2006 über den Artikel 91b und erneut nur für den Bereich der Wissenschaft. Weiter wollte die Union damals nicht gehen. Bis heute. Der SPD-Bildungexperte Ernst-Dieter Rossmann sagte in der zugehörigen Bundestagsdebatte, die Grundgesetzänderung zu 91b sei "nicht das ganze Stück". Denn wir wollen, dass der Geist der gemeinsamen Förderung nicht auf die Hochschulen begrenzt ist."


12. Januar 2018:

Union und SPD haben sich in ihren Sondierungsgesprächen darauf verständigt, erneut eine Änderung beim Kooperationsverbot vorzunehmen. Konkret soll der erst 2017 eingefügte Grundgesetzartikel 104c (siehe Chronologie unten) "angepasst" werden, heißt es im Ergebnispapier – mit der Folge, dass  der Bund künftig den Ländern "Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen" ALLER Gemeinden und nicht nur wie bisher der FINANZSCHWACHEN "im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren" kann. Auf dieser Grundlage wollen Union und Sozialdemokraten "eine Investitionsoffensive" für die Schulen starten, insbesondere für "Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Schulen". 

 

Komplett abgeschafft ist das Kooperationsverbot mit der gefundenen Einigung nicht, denn eine dauerhafte Finanzierung schulischer Einrichtungen durch den Bund (also vor allem die Übernahme von Personalkosten) ermöglicht auch der neue Wortlaut nicht. Und wie die Sondierer betonen: "Die Kultushoheit bleibt Kompetenz der Länder."

 

Zusammen mit einem wie oben skizzierten Bildungsrat könnte sich die gefundene Lösung indes als kluges Konsensmodell herausstellen, dem alle zustimmen könnten – und das die ewigen Debatten ums Kooperationsverbot ein für alle Mal beendet. So die Hoffnung.

 

Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Ergebnispapiers begann allerdings schon wieder der übliche Symbolstreit zwischen Union und SPD, ob denn nun das Kooperationsverbot erledigt ist oder doch nicht. Der Berliner SPD-Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach verkündete per Twitter: "Ende Kooperationsverbot in der Bildung". Auch der sozialdemokratische Bildungsexperte Ernst Dieter Rossmann sagte laut Spiegel Online: "In der Substanz wird das Kooperationsverbot abgeschafft." Der CDU-Bildungsexperte Stefan Kaufmann meinte dagegen  er verstehe die Änderung lediglich "als Erweiterung der Möglichkeiten des Bundes, die Länder im Bildungsbereich noch stärker zu unterstützen".

 

Die Einigung in den Sondierungen ist die neuste Nachricht in einer jahrelangen Debatte um die Mitwirkungsrechte des Bundes in der Bildung, die zuletzt im Herbst 2016 an Fahrt gewonnen hatte. Eine Chronologie in Artikeln:

 

o BADEN-WÜRTTEMBERGS CDU-KULTUSMINISTERIN SUSANNE EISENMANN WILL KMK STÄRKEN, UM DER DISKUSSION UM MEHR BUNDESEINFLUSS IN DER BILDUNG ETWAS ENTGEGENZUSETZEN (08. JANUAR 2018)

 

o GELD, SONST NICHTS: MINISTERPRÄSIDENTEN WOLLEN ZUSÄTZLICHE MILLIARDEN VOM BUND – OHNE GEGENLEISTUNG (13. NOVEMBER 2017)

 

o WAS IST VON DER NATIONALEN BILDUNGSALLIANZ ZU HALTEN, DIE KANZLERKANDIDAT SCHULZ VORSCHLÄGT? EINE ANALYSE. (28. AUGUST 2017)

 

o KOOPERATIONSVERBOT UND WAHLKAMPF: WO GELD IST, IST AUCH EIN WEG (25. AUGUST 2017)

 

o STEFAN KAUFMANN: DIE DEBATTE UMS KOOPERATIONSVERBOT: EINFACHER KANN MAN SCIH POLITIK NICHT MACHEN (21. JUNI 2017)

 

o E. D. ROSSMANN: DA IST SIE WIEDER, DIE BILDUNGS-MERKEL (07. JUNI 2017)


o INTERVIEW MIT SPD-KANZLERKANDIDAT MARTIN SCHULZ: "ELTERN, DIE DIE KLASSENRÄUME IHRER KINDER SANIEREN SOLLEN, INTERESSIEREN SICH NICHT FÜR DIE FEINHEITEN DES FÖDERALISMUS." (29. MAI 2017)

 

o E. D. ROSSMANN: DIE SPD HAT SEHR WOHL EINE KLARE POSITION ZUM KOOPERATIONSVERBOT (12. JANUAR 2017)

o DIE SPD UND DAS KOOPERATIONSVERBOT: ÖFTER MAL EIN NEUER DEUTUNGSVERSUCH (05. JANUAR 2017)

 

o EINIGUNG: BUND DARF KÜNFTIG IN SCHULEN INVESTIEREN – DOCH STREIT UMS KOOPERATIONSVERBOT GEHT WEITER (09. DEZEMBER 2016)

 

o INTERVIEW MIT HUBERTUS HEIL: IST DAS KOOPERATIONSVERBOT NUN WEG ODER NICHT?
(28. NOVEMBER 2016)

 

o GEPLANTE GRUNDGESETZÄNDERUNG: LASST UNS MAL KURZ DAS KOOPERATIONSVERBOT ABSCHAFFEN? (15. OKTOBER 2016)

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Kommentare: 1
  • #1

    GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 06:20)

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