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Money makes the world go around – aber nicht die deutschen Unis?

Viele Hochschulrektoren hierzulande wollen groß ins Fundraising einsteigen. So richtig verstanden, um was es dabei geht, haben sie aber offenbar nicht.  Von Jeffrey Peck.

Jeffrey Peck
Jeffrey Peck

AUCH WENN ALLE sich wünschen, es wäre anders: An allen Universitäten, ob öffentlich oder privat, ob in Deutschland oder in den USA, ist Geld immerzu ein Thema. Wobei man in Deutschland euphemistischer lieber von "Finanzen" spricht. 

 

Immerhin wähnt man sich in Deutschland im Vorteil, weil die Hochschulen hier primär vom Staat unterstützt werden und deshalb, so die Annahme, "nicht die amerikanischen Probleme" hätten. Was natürlich, siehe die allzu knappe staatliche Förderung, nicht so ganz stimmt. 

 

Richtig aber ist, dass man in den Staaten noch viel stärker mit money beschäftigt zu sein scheint. Selbst die great public state universities in den USA (California, Michigan oder Wisconsin) – mit denen man deutsche Unis eher vergleichen sollte als mit den reichen privates (Harvard, Princeton oder Stanford) – sind zunehmend auf private Geldquellen angewiesen, auf Firmenspenden vor allem und auf die Zuwendungen wohlhabender Einzelpersonen. An den staatlichen Hochschulen sind die Studiengebühren in den vergangene 15 Jahren empfindlich gestiegen, an den privaten sind sie ohnehin exorbitant hoch. >>


JEFFREY D. PECK war über viele Jahre Wissenschaftsmanager in den USA. Jetzt lebt er in Deutschland und arbeitet als Berater im Hochschulbereich. Über seine Erfahrungen und Einsichten schreibt er einmal im Monat hier im Blog.


>> Hinter diesem Besorgnis erregenden Trend im Bildungssektor stecken die intensive Privatisierung und Individualisierung der US-Gesellschaft als Ganzes. Die Bundesstaaten haben ihre Zuschüsse zurückgefahren, auch die Bundesregierung gibt weniger Geld für die Hochschulforschung. 

 

Keine Frage, weder die völlige Abhängigkeit vom Fundraising noch übertriebene Studiengebühren sind erstrebenswert. Deutschland ist nicht Amerika – und viele, auch ich, würden sagen: Gott sei Dank!

 

Und dennoch: Seitdem ich in Deutschland bin, erzählen mir die Chefs deutscher Hochschulen und Stiftungen, dass es jetzt wirklich mal an der Zeit sei, auch hierzulande aktives Fundraising zu betreiben. Natürlich weiß jeder hier, wie wichtig, ja existentiell das Einwerben privater Spendengelder für die US-Hochschulen ist. 

 

Daraus ergeben sich für mich eine Reihe von Fragen. Die wichtigste lautet: Warum eigentlich? Warum wollt Ihr den Amerikanern in Sachen Fundraising nacheifern?

 

Die Antwort, die ich bekomme, klingt dann meistens so: Irgendwann werde auch in Deutschland die Zeit kommen, dass die Grundfinanzierung und auch die Zweit- und Drittmittel so knapp seien, dass es ohne privates Geld nicht mehr gehe. Per Fundraising ließen sich neue Fördermodelle für die Lehre entwickeln, auch die Weiterfinanzierung von Stellen und Projekten, die derzeit noch über die "Exzellenzinitiative" gespeist werden, sei auf diese Weise unter Umständen möglich. 

 

Ich möchte ehrlich sein. Mein Eindruck nach vielen dieser Gespräche ist, dass man Fundraising an vielen deutschen Hochschulen nicht wirklich versteht und auch nicht, wie man es konsequent, strategisch und – ja, das geht!  – auch im besten Sinne menschlich durchführen könnte. 

 

Um zu erklären, was ich meine, möchte ich mit dem größten Unterschied zwischen unseren Ländern beginnen: mit dem Einfluss von Kapitalismus und Neoliberalismus in der amerikanischen Gesellschaft, der ungleich grundsätzlicher und beherrschender ist als in Deutschland. In den USA gilt auch im Bildungsbereich die Devise money makes the world go around. In Deutschland dagegen wird Geld, krass formuliert, als etwas Schmutziges gesehen. Auch in den USA haben früher die Professoren gegen den Einfluss des privaten Geldes gekämpft: Die Wissenschaft solle "rein" bleiben, die Universität frei von profanen Aktivitäten wie dem Sammeln von Geld, das an öffentliche Bettelei erinnere, zumal die existentielle Bedeutung von Bildung und Forschung für die Gesellschaftlich doch selbsterklärend sei. 

 

Das hat sich in Amerika geändert. Und ich finde das gut. Als ich Dekan in New York war, bedeutete das Einwerben von Geldern für meine Universität einen durchaus wesentlichen Teil der von mir erwarteten Leistung. Und – ja, ich wage es zu sagen – ich habe es genossen! Ich sah die Möglichkeiten, mit dem Innovationsgeist und der Motivation eines Entrepreneurs meine Universität zu verbessern. Anders formuliert: Der Zwang zum Fundraising hat mich positiv herausgefordert. 

 

Ich hatte nicht die Wahl. Angesichts eines relativ geringen Budgets musste ich ständig neue Geldquellen finden, um sicherzustellen, dass ich und meine Fakultätsmitglieder weiter das tun können, was wir für gut und richtig hielten. Wollte ich Spender für die Finanzierung unserer Studienprogramme,  Curricula, Forschungsprojekte oder Stipendien gewinnen, musste ich diese überzeugend präsentieren. Der Kontakt mit einem potentiellen Geldgeber zog sich oft über Monate oder Jahre hin. Aus dem ersten Kennenlernen wurde der Austausch von Ideen und schließlich das gemeinsame Suchen nach dem Verbindenden – nach exakt dem Punkt, an dem der Spender etwas Gutes tun will und uns dieses Gute auch etwas nützt. 

 

Und wer will nicht etwas Gutes tun! In den USA jedenfalls ist der Wunsch, sich einzubringen und "etwas zurückzugeben", stark kulturell verankert.  Volunteerism, Philanthropy and Charity, alle haben eine lange amerikanische Tradition und lassen sich nicht unmittelbar auf Deutschland übertragen. Auch das sollten die Fundraising-Begeistern an deutschen Hochschulen übrigens bedenken.

 

Das Schöne hinter diesen "Tugenden" ist in den USA die verbindende Grundeinstellung – jenes giving back. Die City University of New York (CUNY), an der ich zuletzt gearbeitet habe, hat sich nicht nur deshalb einen Namen gemacht, weil man dort früher gar keine Studiengebühren bezahlen musste (und heute nur sehr geringe), sondern auch, weil die CUNY der Ort war, an der viele Einwanderer eine Ausbildung bekommen konnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren das vor allem arme ost-europäische Juden, heute sind es Studierende aus der Karibik, aus Asien und aus Russland. Die CUNY war immer eine Hochschule, an der Arbeiterkinder die Chance erhielten, im Leben weiterzukommen durch access, durch den Zugang zu einer qualifizierten Ausbildung. 

 

Für die jüdischen Studierenden war es auch eine Hochschule ohne Quoten, anders als an den Elite-Universitäten, daher auch der Spitzname the Harvard of the proletariat. Und diese damaligen Studierenden haben tatsächlich "zurückgegeben", sie haben gespendet, was sie konnten. Mehrere Gebäude, Programme und Stipendien ehren heute ihre Namen. So blieben die Spender persönlich verbunden mit ihrer Universität und sehr oft sogar mit den Studierenden, die eines ihrer Stipendien erhielten. 

 

Verbunden- und Verantwortlichsein und "einfach etwas Gutes tun" sind für mich existentielle Werte. Während ein Zyniker in Deutschland womöglich sagen würde, ich machte aus der Notsituation in den USA eine Tugend, sehe ich Fundraising als eine andere Art, mit Finanzen im Hochschulbereich umzugehen. Eine Art, die eine stärkere und aus meiner Sicht sehr schöne emotionale Bindung schafft zwischen Studierenden und ihrer Alma Mater. 

 

Ob das in Deutschland angesichts der so anderen Kultur vorstellbar ist? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall aber würde es helfen, wenn Befürworter und Gegner des Fundraisings zunächst verstehen, wozu es gut ist – und wozu nicht. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Dr. Josef König (Dienstag, 08 Mai 2018 12:18)

    Der Autor kennt selbstverständlich sehr gut die US-amerikanischen Verhältnisse und die Beschreibung führt zur richtigen Stelle: Das Bewusstsein der Zusammenarbeit von Hochschulen und Bürgern/Firmen.

    Allerdings gibt es mindestens einen grundsätzlichen und wesentlichen Unterschied, den er leider nicht einmal im entferntesten streift - was mich völlig verwundet: Das Steuersystem! Während in den USA die Einkommensteuern sehr niedrig sind und noch weiter gesenkt werden, sind in Deutschland schon in der Mittelschicht Spitzensteuersätze an der Tagesordnung. Wer aber bis zur Hälfte seines Einkommens für die Steuer aufbringen muss, wird selbstverständlich argumentieren: Soll der Staat es doch richten - schließlich hat er mir schon tief genug in die Tasche gegriffen!

  • #2

    Rudolf-Werner Dreier (Dienstag, 08 Mai 2018 15:32)

    Der Autor hat Recht; beim strategischen Fundraising geht es zunächst nicht um das schnelle Einwerben von finanziellen Mitteln ("Hast Du mal einen Euro?"). Es geht vielmehr um den (oft langfristigen) Aufbau von Beziehungen. Daraus können eine Vielzahl von Leistungen erwachsen; nicht nur finanzielle, sondern auch geldwerte wie Lobbyarbeit, Mentoring, ehrenamtliches Engagement und vieles mehr.