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Jetzt mal im Detail

Wie die Reform der Medizin-Studienplatzvergabe aussehen wird, haben die Kultusminister in ihren Eckpunkten bereits festgelegt. Doch viele Fragen blieben offen – bis jetzt. Die neuen Pläne dürften vor allem die sogenannten Altwartenden interessieren.

DIE KULTUSMINISTER TREIBEN die Reform der Studienplatzvergabe voran. Heute Nachmittag und morgen treffen sich die Amtschefs, die höchsten politischen Beamten in der Kultusministerkonferenz (KMK), um die im Oktober anstehende Ministerrunde vorzubereiten. Auf dem Tisch haben sie eine Vorlage der KMK-Arbeitsgruppe "Staatsvertrag Hochschulzulassung", in der die im Juni beschlossenen Eckpunkte der Neuordnung konkretisiert werden. Die AG aus hochrangigen Ministerialbeamten plädiert dafür, die Neuregelung für alle zentralen NC-Fächer einzuführen, nicht nur für den Studiengang Humanmedizin, der vom Verfassungsgerichtsurteil direkt betroffen war.

 

Landes- und Bundeslisten

 

In den Eckpunkten vom Juni stand bereits, dass die bislang 20 Prozent umfassende Abiturbestenquote bestehen bleiben und um eine Formel ergänzt werden soll, die den Zensurenschnitt über Ländergrenzen hinweg wieder vergleichbar macht – und so lange angewendet wird, bis das Abitur an sich wieder vergleichbar ist. Die KMK-Beamten schlagen nun als Konkretisierung vor, Landeslisten zu bilden, in denen die Bewerber eines Bundeslands anhand ihrer Abiturnote und darüber hinaus anhand ihrer Abiturpunktezahl und bei absolutem Gleichstand per Los in eine Reihenfolge gebracht werden. Jedes Bundesland erhält für seine Landesliste dann ein Kontingent, dass sich zu einem Drittel an der aktuellen Bewerberlage (wie viele kommen aus welchem Bundesland?) und zu zwei Dritteln am Bevölkerungsanteil des Landes (bezogen auf die Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen) orientiert, die Stadtstaaten bekommen zusätzlich einen Bonus. Am Ende wird aus den Landeslisten eine Bundesliste erstellt, so dass alle Bewerber auch einen Platz auf der Bundesliste erhalten.

 

Dieser Mechanismus soll der Vorlage zufolge künftig nicht nur bei der Abiturbestenquote angewendet werden, sondern auch beim Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH, zurzeit 60 Prozent der Studienplätze), das ebenfalls fortgesetzt, aber verändert werden soll. Neben der gewichteten Abiturnote muss nämlich laut Verfassungsgerichtsurteil mindestens ein weiteres schulnotenunabhängiges Auswahlkriterium "mit erheblichem Gewicht" hinzukommen, bei Medizin sollen es in Umsetzung des "Masterplans Medizinstudium 2020" sogar zwei sein.

 

Wie das Auswahlverfahren der Hochschulen sich ändert

 

Der KMK-Hochschulausschuss schlägt folgende Kriterien vor, und sie alle müssen strukturiert und standardisiert sein: die Abiturnote gewichtet nach bestimmten Fächer-Schwerpunkten; Standard-Studierfähigkeitstests, eine Berufstätigkeit und/oder eine abgeschlossene Ausbildung in einem für das Studienfach relevanten Beruf; besondere Vorkenntnisse wie Lehrgänge zum Rettungssanitäter oder Erfahrungen im Freiwilligen Sozialen Jahr oder die Auszeichnung bei bestimmten Wettbewerben sowie (standardisierte) Bewerbungsgespräche.

 

In der softwarebedingten Übergangsphase, sagen die Ministerialbeamten, könnten nach Fächern gewichtete Abiturnoten nicht berücksichtigt werden, die beruflichen und sonstigen Vorerfahrungen nur bedingt. Kurios: Bis die endgültige Software fertig ist, sollen die Ergebnisse aus Bewerbungsgesprächen selbst von den Bewerbern ins Online-Portal eingetragen werden. 

 

Die Länder können die genannten Kriterien im Endausbau per Gesetz um eigene ergänzen, allerdings muss die Liste "abschließend" sein, das heißt: Die Hochschulen dürfen darüber hinaus keine eigenen mehr hinzufügen. 

 

Die neue "Talentquote" als Ersatz für die Wartezeit

 

Die offensichtlichsten Neuerungen des Vergabeverfahrens sind laut der im Juni von der KMK beschlossenen Eckpunkte der Wegfall der bisherigen, 20 Prozent der Studienplätze umfassenden Wartezeitquote und die Einführung einer Talentquote, die wahrscheinlich ebenfalls 20 Prozent ausmachen soll.  Auch hier konkretisiert die neue KMK-Vorlage erstmals, was genau unter der neuen Quote zu verstehen sein könnte. Erstens: Die Abiturnoten sollen dabei überhaupt nicht zählen, es kommen nur schulnotenunabhängige Kriterien in Betracht. Zweitens: Sämtliche sonstige im AdH-Verfahren angewandten Kriterien könnten auch bei der Talentquote zum Tragen kommen, die Länder bestimmen jeweils, welche. Zudem können die Länder per Gesetz weitere Kriterien hinzufügen. 

 

Weiterhin ist auch denkbar, dass die Talentquote keine eigene neue Hauptquote wird, sondern dass die Kultusminister sie als Unterquote des AdH einführen, allerdings votieren die Beamten in der zuständigen AG "Staatsvertrag Hochschulzulassung" für die Hauptquote. 

 

Kein Vertrauensschutz für Altwartende,
aber trotzdem eine Übergangsregelung?

 

Auch zu den Folgen der Reform für die sogenannten "Altwartenden", die zum Teil seit Jahren auf einen Studienplatz per Wartezeitquote hoffen, äußert sich die KMK-AG. Ein Rechtsgutachten habe bestätigt, dass es nach Wegfall der Wartezeitquote "keiner Übergangsregelung aus Gründen des Vertrauensschutzes" bedürfe. Die von den Wartenden genutzte Zeit könne sich ja in anderen Kriterien der neuen Talentquote wie auch des AdH-Verfahrens widerspiegeln, den zusätzlichen Berufserfahrungen zum Beispiel. Eine Übergangsregelung sei deshalb aus Sicht der Arbeitsgruppe nicht notwendig. 

 

Wenn sie aber von den Ministern politisch gewollt sei, müsse sie transparent, klar und wirtschaftlich sein. Ziel einer Übergangsregelung könne nicht sein, allen Altwartenden noch schnell einen Studienplatz zur Verfügung zu stellen, "sondern nur die Möglichkeit, die Realisierung einer Zulassungschance temporär zu verlängern". 

 

Die Beamten schlagen deshalb vor, für einen Zeitraum von zwei Jahren eine "Erfahrungs- und Eignungsquote" einzuführen, bei der die Dauer der Wartezeit ein Auswahlkriterium sein könnte, das jedoch mit weiteren Eignungskriterien kombiniert würde, die zudem stärker gewichtet würden. Die "Erfahrungs- und Eignungsquote" könnte von Sommersemester 2020 an zunächst 15 Prozent der Studienplätze umfassen (die Talentquote zu dem Zeitpunkt nur fünf Prozent), vom Sommersemester 2021 an auf 10 Prozent reduziert werden (bei dann 10 Prozent Talenquote) und im Sommersemester 2022 auf null gesetzt werden (ab dann würde die Talentquote die kompletten 20 Prozent ausmachen). 

 

Vor allem die Frage der Altwartenden dürfte die Amtschefs heute und morgen erneut beschäftigten, denn hier ist der Entscheidungsdruck am höchsten. Interessant ist, ob und wie das angedachte Wechselspiel von "Erfahrungs- und Eignungsquote" auf der einen Seite und der neuen Talentquote auf der anderen Seite softwaretechnisch abgebildet werden kann. Denn hier würde die eine Übergangsregelung (Altwartende) mit der anderen (DoSV-Software) zusammenfallen. Es bleiben spannende Zeiten für Studienbewerber – und für die Stiftung für Hochschulzulassung. 

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