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Jetzt ist mal gut

Die Politik gründet ein angebliches Spitzen-Forschungsinstitut für Digitalisierung nach dem anderen. Die Folgen sind teilweise absurd.

Foto: Pixaybay/geralt
Foto: Pixaybay/geralt

ES IST JA GUT, dass die Politik aufgewacht ist. Aber wie! In den vergangenen zwei Jahren hat die Bundesregierung folgende Forschungsinstitute und –verbünde angeschoben oder angekündigt: Das Deutsche Internet-Institut. Bundesweit vier Kompetenzzentren für maschinelles Lernen. Ein "öffentlich verantwortetes Zentrum für künstliche Intelligenz" zusammen mit Frankreich. Ein Zentrum für digitale Innovationen in der Systemforschung mit Polen. Eine Agentur für Cybersicherheit. Und, ganz frisch, ein neues Helmholtz-Zentrum – für Informationssicherheit. Ich behaupte nicht, dass diese Liste vollständig ist. Zumal viele Bundesländer parallel eigene Initiativen vorantreiben. Ich behaupte aber, dass es dann irgendwann auch mal gut ist.

 

Mit aller Macht wollen die Forschungspolitiker aller Parteien demonstrieren, dass sie endlich kapiert haben, woraus Zukunft gemacht wird. Mit viel Geld wollen sie das Digital-Entwicklungsland Deutschland nach vorn katapultieren.

 

Es gibt dabei allerdings zwei Probleme. Erstens stand die Bundesrepublik in Sachen Highend-Forschung zu KI und Digitalisierung im internationalen Vergleich schon bislang ziemlich gut da. Was fehlte, war ein Staat, der konsequent in den Ausbau der digitalen Infrastruktur investiert. Was fehlte, waren Schulen, die endlich die Bildung für die digitale Welt vorantreiben. Ein Bildungssystem, das die Gesellschaft vorbereitet auf die tiefgreifenden Veränderungen, die längst begonnen haben. Was fehlte, waren auch Konzerne, die den Mut haben, ihre bestehenden Geschäftsmodelle zu überdenken.

 

Zweitens folgt der aktuelle Förderhype einer politischen, keiner forschungsimmanenten Logik. Es soll möglichst schnell möglichst viel entstehen. Ob dadurch Doppelstrukturen wachsen, ob die Mitnahmeeffekte am Ende größer sind als die Innovationswirkung, ist offen. Die Politik spricht wolkig von der "Vernetzung" der neuen mit den bestehenden Instituten und mit der Wirtschaft, vom Aufbau nationaler Forschungskonsortien und Plattformen.

 

Klar: Man kann, man darf darauf hoffen, dass das allmählich ziemlich beeindruckende Aufgebot einschlägiger Forschungseinrichtungen mittelfristig einen Run von Spitzenforschern aus dem Ausland nach sich zieht. Doch reichen die im öffentlichen Dienst gezahlten Gehälter dazu? Spielen Berlin, Karlsruhe oder das Saarland wirklich schon in einer Liga mit dem Silicon Valley oder Israels Hightech-Szene?

 

Solange sie es nicht tun, entsteht ein teilweise absurder Wettbewerb um die nicht gleichermaßen über Nacht gewachsene Zahl geeigneter Wissenschaftler. Jede neue Einrichtung braucht ein paar wohlklingende Namen auf ihrer Liste, schon um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie das Geld wert ist. Und so kommt es, dass einige der Wissenschaftler, die besonders gut im Geschäft sind, gleich bei drei oder vier der neuen Projekte gleichzeitig unter Vertrag genommen werden. Man könnte auch sagen: verschlissen werden.

 

Ob all das zur Effizienz beiträgt oder doch eher zur Schaufensterpolitik, ist eigentlich nicht mal mehr eine rhetorische Frage.

 

Dieser Kommentar erschien heute in einer kürzeren Version zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Laubeiter (Montag, 24 September 2018 10:51)

    Ich würde mir wünschen, dass unterschieden würde zwischen Einrichtungen, die es schon gibt (z.B. Helmholtz) , und jenen, die es geben von politischer Seite geben soll und die die Wissenschaft erwartet, aber bisher weder Ort noch Gestalt haben (z.B. KI mit Frankreich), und solchen, die im Koalitionsvertrag genannt, im Übrigen aber ohne Gestalt sind (z.B. System mit Polen). Oder wissen Sie mehr von WissenschaftlerInnenn, die Ihre Eisen in allen drei Linien im Feuer haben?

  • #2

    Michallik (Montag, 24 September 2018 15:26)

    Auch wenn Großbritannien nicht mehr so richtig en vogue ist, aber: Im März 2011 proklamierte die damalige britische Regierung die „Government Cloud Strategy“ (Cloud first Strategy). Sie ist eine Sub-Strategie zur Government ICT Strategy. Heute, im Jahr 2018 finden sich nahezu alle Informations- und Serviceangebote der britischen Regierung in einer Cloud, im Wesentlichen gehostet von Amazon Web Services. Es ist nur ein Beispiel nationaler Strategien, die erfolgreich umgesetzt wurden und in deren Geleitzug auch entsprechende Bildungsreformen eingeleitet wurden. Eine vergleichbare Regierungs ICT-Strategie gibt es in Deutschland bislang noch nicht. Alle Bundesländer haben sich entsprechend verpflichtet in Form einer Digitalstrategie die Herausforderungen anzunehmen. Die öffentliche Verwaltung beginnt langsam sich dieser Dimension bewusst zu werden. Es findet gerade ein Kampf der Kulturen - analog gegen digital -statt. Es spielen sich ähnlich Szenen ab, wie in der Eingangssequenz von Monthys Pythons „Der Sinn des Lebens“, in der sich wackere Bürokraten der modernen Zeit des Finanzkapitalimus erwehren. Statt lochen und abheften, scannen/digitalisieren und ablegen. Die Schnittstellen sind nicht definiert, viel mehr Standardisierung notwendig. Deutschland ist zu langsam, weil völlig überreguliert. Rätselhaft bleibt der Anspruch, warum ausgerechnet die Schule, die Bildung einem digitalen Erwartungsdruck ausgesetzt wird. Im Bild von Monthy Python verbleibend scheint das vor allem eine Ablenkungsmanöver derer zu sein, die sich selbst geschwisterlich gegen den Wandel stemmen. Das können wir tagtäglich vor Amtsstuben und Sitzungssälen beobachten: die Protagonisten, die komplett analog unterwegs sind und zu ihren Sitzungen immer noch Koffer voller Aktenordner schleppen oder schleppen lassen. Keine Frage, Bildung wird digital und das wesentlich schneller als die Verwaltung. Weil, die heute und morgen in Schule sind, sind Kinder eines digitalen Zeitalters. Das erzeugt mehr Druck als alle Gipfel und Pakte von Regierungen zusammen. Und nun hoffen wir alle, dass Bund und Länder wirklich zum 01.01.2019 im schnelleren Tempo die Digitalstruktur der Schulen weiterentwickeln können - mit dem Digitalpakt. Der sollte dann Gegenstand eines Schulfriedens auf Bundesebene sein und nicht politischer Spielball von Regierung und Opposition.

  • #3

    kaum (Donnerstag, 27 September 2018 14:58)

    Ich persönlich sehe das nicht so kritisch, weil gerade in Feldern, in denen noch so viel offen und möglich ist, kann eine Vielfalt und ein bisschen Verschwendung gerade richtig sein, weil der Königsweg noch offen ist.

    Ich singe da also lieber das "Lob der Verschwendung" (Gernot Grabher, 1994, Sigma Verlag)