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So soll es mit dem BIG weitergehen

Papier für den morgen tagenden Aufsichtsrat spricht vom Berliner Institut für Gesundheitsforschung als "dritter Säule der Charité". Das BMBF ist jetzt offenbar auch zur Integration bereit: Es wäre ein bundesweit einzigartiges Modell.

Foto: Screenshot von der BIG-Website
Foto: Screenshot von der BIG-Website

DIE ENTSCHEIDUNG HATTE sich seit Juni abgezeichnet, jetzt wird sie handfest: Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG) soll voraussichtlich in die Charité integriert werden. So steht es in einem Informationsblatt "zum aktuellen Verhandlungsstand über eine Verwaltungsvereinbarung", das heute an den BIG-Aufsichtsrat ging.

 

Der entscheidende Unterschied zur letzten Aufsichtsratssitzung im Juni: Jetzt scheint auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung als Hauptträger des BIG seine grundsätzlichen Vorbehalte überwunden haben. Zumindest sieht sie das Ministerium nicht mehr als so gewichtig an wie im Frühsommer, als es rhetorisch die Festlegung auf die Integration noch vermied. Damals hatte BMBF-Staatssekretär Georg Schütte mitgeteilt:  Die Details und Konsequenzen "beider Lösungsansätze", also auch der weiteren institutionellen Eigenständigkeit, würden "im Zuge dieser weiteren Prüfung entwickelt".

 

Im aktuellen Papier steht von der Alternative ("eigene Rechtspersönlichkeit" eines mit Charité und MDC verbundenen BIG) nichts mehr. Dafür werden klare Bedingungen für die Integration genannt: Das Institut müsse als "dritte Säule der Charité teilrechtsfähig und unmittelbar Zuwendungsempfänger sein". Die weiteren Säulen sind die Medizinische Fakultät und das Universitätsklinikum. Diese Voraussetzungen seien für das BMBF "unabdingbar", ebenso dass das BIG über ein "eigenes Vermögen und Entscheidungsautonomie" verfüge.

 

Hinter der deutlich Formulierung steckt die Sorge des BMBF, ansonsten könnten die Millionen des zu 90 Prozent vom Bund finanzierten BIG im allgemeinen Haushalt der landesfinanzierten Charité verschwinden. Das Ministerium drängt auch deshalb auf harten Bedingungen, weil es innerhalb der Regierungsfraktionen im Bundestag offenbar weiter Vorbehalte gibt gegen die Integration. 

 

Die Verhandlungen scheinen schwierig und dauern an

 

Morgen Vormittag trifft sich der Aufsichtsrat, dann wird das Papier diskutiert. Entschieden wird voraussichtlich nichts, die Verhandlungen sind ja noch nicht durch, theoretisch können sie auch noch scheitern. Dies wird zum Beispiel dadurch deutlich, dass hinter den für das BMBF "unabdingbaren Voraussetzungen" für eine Integration steht: "Das Land Berlin strebt hierzu eine konstruktive Lösung an". Soll wohl heißen, dass diese im Detail noch aussteht.

 

Entsprechend wollen derzeit weder das BMBF noch Berlin einen offiziellen Kommentar abgeben. Man äußere sich nicht "zu den Inhalten der laufenden, konstruktiven Verhandlungen mit dem Bund", heißt es aus der zuständigen Abteilung Wissenschaft und Forschung der Berliner Senatskanzlei. 

 

Zu vielen Punkten zeichne sich allerdings bereits ein Konsens zwischen BMBF und Land ab, heißt es in dem Papier. Etwa, dass das BIG-Budget zu einem separaten Teilwirtschaftsplan innerhalb der Charité werden soll. Darüber hinaus soll das BIG einen eigenen Verwaltungsrat, ein eigenes Direktorium und einen eigenen Wissenschaftlichen Beirat erhalten, und was das Budget angeht, ist das BIG-Direktorium nur dem BIG-Verwaltungsrat verantwortlich. 

 

Was über Berlin hinaus bemerkenswert ist: Sollte die Integration wirklich kommen, wird das BIG zum Präzedenzfall für den neuen Grundgesetzartikels 91b. Der erlaubt seit 2014 "in Fällen überregionaler Bedeutung" die Förderung von Landeshochschulen durch Bundesmittel. Aber nur mit Zustimmung aller anderen Bundesländer. Weswegen die BIG-Integration durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) bestätigt werden müsste. Der GroKo-Koalitionsvertrag hatte die Entwicklung derartiger neuer Modelle als explizites Ziel der Regierung genannt. Zitat: "Wir wollen prüfen, wie wir die neuen Möglichkeiten des Art. 91b Grundgesetz (GG) nutzen können, um ausgewählte forschungsstarke und exzellente Institute an Hochschulen bundesseitig mitfördern zu können, ohne sie aus der Hochschule herauslö- sen zu müssen."

 

Als einziges vergleichbares Modell existiert bislang das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), doch ist es eine Fusion aus zwei etwa gleich großen Partnern: der ehemaligen Universität und dem zu Helmholtz gehörenden ehemaligen Forschungszentrum Karlsruhe. Zudem entstand das KIT auf der Grundlage der alten Verfassung und befindet sich noch am Anfang einer Organisationsreform, um die zusätzlichen Möglichkeiten des 91b zu nutzen. Bislang gelten die administrativen Abläufe zwischen Landes- und Bundeseinrichtung noch als sehr aufwändig.

 

Kann der Neustart das Institut rausreißen?

 

Für das krisengeprüfte BIG soll die Integration zum Neustart und Aufbruch werden. So verlangt es auch das Informationspapier. Es werde durch die geplante Reform "in die Lage versetzt, auf der Grundlage unabhängiger, wissenschaftsgeleiteter Auswahlverfahren im Rahmen der Missionserfüllung in einem noch zu definierenden Umfang auch deutschlandweit Forschungsprojekte zu fördern". Auch soll es nach außen sichtbarer werden, in Publikationen und bei öffentlichen Auftritten soll "auf die Urheberschaft bzw. Mitwirkung des BIG in der Charité und seine überwiegende Bundesfinanzierung hingewiesen werden".

 

Ein Novum wäre, dass der Bund durch die Integration einen Aufsichtsratsposten in der bisherigen Landeseinrichtung Charité erhalten soll. Auch für das BIG-Direktorium ein Sitz im Charité-Vorstand vorgesehen.

 

Bitter wäre die geplante Entscheidung für das zu Helmholtz gehörende Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin Buch. Bislang war das MDC neben der Charité die zweite sogenannte "Gliedkörperschaft" des BIG, beide werden nun aus dem BIG herausgelöst. Doch bleibt dem MDC nach der Charité-Fusion nur noch das, was das Informationspapier eine "privilegierte Partnerschaft" nennt. Die soll zwar per Vertrag festgelegt werden, aber was genau bedeutet das?

 

Einen genauen Zeitplan, bis die angestrebte BIG-Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Land stehen soll, nennt das Papier nicht. Doch der Erwartungsdruck ist enorm. Das "wissenschaftspolitische Ziel" für das in die Charité integrierte BIG beschreiben das BMBF und Berlin wie folgt: die "Stärkung von translationaler biomedizinischer Forschung" und die interdisziplinäre "Zusammenarbeit von grundlagen-, krankheits- und patientenorientierter Forschung – organ- und indikationsübergreifend."

 

Entsprechend richtet der Interims-Vorstandsvorsitzende des BIG, Axel Radlach Pries hier im Blog eine "dringende Bitte an alle Akteure". Pries, der zugleich Charité-Dekan ist, fordert für "das BIG und sein engagiertes Team eine optimale Basis für die Umsetzung seiner Translations-Mission". Und er fügt hinzu: "Das darf durch Sorgen um Sichtbarkeit und Einfluss nicht gefährdet werden." Ein Plädoyer, das vor allem an die Adresse des BMBF gerichtet zu sein scheint, das BIG nicht zu sehr durch neue Vorschriften einzumauern.

 

Doch muss das Ministerium von Anja Karliczek eben anders herum auch mit den Vorbehalten einiger einflussreicher Wissenschaftspolitiker im Bundestag umgehen. Auch der Bundesrechnungshof beäugt eine mögliche Integration offenbar kritisch. Tatsächlich hatte das BIG in der Vergangenheit weniger durch die (durchaus vorhandenen) Spitzenberufungen, Förderinnovatonen und Durchbrüche auf sich aufmerksam gemacht, sondern vor allem durch anhaltende Organisations- und Personalverwerfungen. Den Haushaltspolitikern im Bundestag wiederum fiel es durch die hohen Summen nicht im Zieljahr verausgabter Selbstbewirtschaftungsmittel auf: Insgesamt mehr als 50 Millionen Euro an Bundesmitteln schob das Institut Ende 2017 vor sich her, davon fast 38 Millionen Euro Betriebsmittel. 

 

Gerade erst hat der Haushaltsausschuss im Bundestag den Helmholtz-Zentren aus demselben Grund 25 Prozent der Betriebsmittel für 2019 gesperrt, das BIG war davon bislang nicht betroffen – das MDC dagegen schon. Dabei ist die BIG-"Bugwelle" im Verhältnis zu seinem Jahresbudget sogar besonders hoch. Anders formuliert: Die Organisationsreform muss es jetzt bringen. Das BMBF und der Berliner Senat wissen das. 


NACHTRAG AM 14. NOVEMBER
Nach der Aufsichtsratssitzung, in der BMBF und Land heute das Papier präsentiert haben, gab es doch noch eine Pressemitteilung inklusive Statements der Verhandlungsführer. Es werde die gemeinsame Aufgabe von BIG und Charité sein, "stringente und abgestimmte Strategien für die translationale Medizin zu entwickeln und schlagkräftig umzusetzen", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. "Der Bund und das Land Berlin arbeiten zielstrebig an einer Einigung über die Verwaltungsvereinbarung." BMBF-Staatssekretär Georg Schütte ergänzt laut Pressemitteilung: "Exzellenz, bundesweite Sichtbarkeit und Relevanz müssen auch rechtlich sichergestellt werden." Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach sagte: "Wir sind uns einig, dass die Integration des BIG in die Charité künftig die bestmögliche Grundlage für seine erfolgreiche Arbeit bietet." Nun gehe es darum, die Verwaltungsvereinbarung zügig zu finalisieren.

 

Der Charité-Vorstandsvorsitzende Karl Max Einhäupl sagte nach der Sitzung des Aufsichtsrats, mit den heutigen Weichenstellung würden "nicht nur wichtige strukturelle Probleme behoben, die das BIG bisher in seiner Entwicklung behinderten." Bund und Land hätten auch eine mutige Weichenstellung für den Wissenschaftsstandort Deutschland vorgenommen. "Ein guter Tag für das BIG, für die Wissenschaft und für alle Patientinnen und Patienten, die auf medizinische Fortschritte angewiesen sind." 

 

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