· 

Wir brauchen eine Lehrgemeinschaft – und einen breiteren Diskurs

Ein "more of the same" kann nicht die Antwort sein, wenn es um die Nachfolge des Qualitätspakts Lehre geht. Die wissenschaftliche Weiterbildung muss mit einbezogen und das Modell institutioneller Förderung vermieden werden. Ein Gastbeitrag von Christian Ganseuer.

Audimax der BTU Cottbus-Senftenberg. Sane: "Cottbus University Audimax.jpg", CC BY-SA 3.0.

DIE DEBATTE UM eine Institutionalisierung zur nachhaltigen Förderung der Qualität der deutschen Hochschullehre nimmt Fahrt auf. Die Hochschulrektorenkonferenz, Stifterverband und der Studierendenverband fzs haben in Reaktion auf die Stellungnahme des Wissenschaftsrates eigene Konzeptvorschläge vorgelegt. Politik und Verbände reagieren darauf. Das ist gut, denn es bedarf einer nachhaltigen Unterstützung der deutschen Hochschullehre.

 

Die bisherigen Ideen sind jedoch  zu kurz gedacht, knüpfen zu wenig an andere gesellschaftliche Zusammenhänge an und orientieren sich an den Impulsen der vergangenen 10 bis 15 Jahre. Es besteht zwar Konsens darüber, dass die Stimme der Lehrenden noch zu kurz kommt. Darüber hinaus werden aber keine Vorschläge oder Konzepte eingebracht, wie diese jenseits der Interessenvertretungen eingebunden werden könnten.

 

Wo die bisherige Debatte zu kurz greift

 

1. Lehre ist mehr als grundständige Lehre – Aufholpotenzial bieten die weiterbildenden Studiengänge. Der Qualitätspakt Lehre hat im besonderen Maße die Studieneingangsphase und die damit verbundenen heterogenen Bedarfe und Kompetenzen der Studierenden in den Blick genommen, Strukturen zum Eintritt in die Hochschule und zum qualitativen Verbleib gefördert und qualitätsfördernde Strukturen gestärkt. Die Hochschullehre angesichts 


Christian Ganseuer ist Germanist und Sozialwissenschaftler. Foto: Martin Magunia.


gesellschaftlicher Umwälzungen im Zuge der Digitalisierung und wachsender Qualifizierungsanforderungen an die Einzelnen nicht ausschließlich mit grundständigem Wachstum (Hochschulpakt) und Qualitätsentwicklung im Bereich der grundständigen Studiengänge (Qualitätspakt) antworten darf, liegt auf der Hand. Die Fachkräftesicherungsstrategien der Bundesregierung und der Länderregierungen (zum Beispiel Nationale Weiterbildungsstrategie/ Qualifizierungschancengesetz) weisen einen klaren Bedarf in der akademischen Weiterbildung aus, der de facto strukturell (mit einigen rühmlichen Ausnahmen) noch nicht genug erschlossen ist. Hier muss der für die Akademie angedachte Fördermechanismus ansetzen.


2. Was wissen wir eigentlich aus den vergangenen Jahren der Förderung? Natürlich brauchen die Hochschulen Mittel für die bisher eingeschlagenen Profilwege, da sind sich alle einig. Aber was haben wir eigentlich aus der Förderung der 186 am Qualitätspakt Lehre beteiligten Hochschulen gelernt? Wo sind die bisherigen projektförmigen Erfahrungen in Verstetigungsszenarien übergegangen, welche Ansätze haben sich nicht bewährt? Ersten Ergebnisse der programmbegleitenden Evaluation und der Begleitforschung werden noch nicht systematisch in der aktuellen Debatte berücksichtigt. 

 

Wir wissen beispielsweise, dass es einen massiven Ausbau hochschuldidaktischer Weiterbildungen gab. Was wir nicht wissen ist, ob die Angebotserweiterungen mittelfristig und nachhaltig Wirkung zeigt. Eine Vielzahl von Maßnahmen in der Studieneingangsphase sind an den unterschiedlichen Standorten angegangen worden. Teilnahmedaten zeigen vielerorts, dass die Nachfrage nach Orientierungsangeboten genauso sozial selektiv ausfällt wie die Aufnahme eines Studiums selbst. Konnten die meist freiwilligen Sozialisationsangebote dagegen wirken, oder bedarf es im nächsten Schritt nicht doch verbindlicher Elemente? Welche innovativen Lehr-/Lernszenarien lassen sich dauerhaft ohne weitere Projektmittel betreiben, welche benötigen Zusatzressourcen? 

 

3. Wer will ernsthaft noch institutionelle Förderung? Mit der Forderung nach einer zweiten "institutionellen Fördersäule" (HRK) wird ein alter Ruf nach der Gleichwertigkeit von Forschung und Lehre durch ebenbürtige "Exzellenz" warmgehalten. Aus heutiger Sicht ist diese Forderung eher als politisch funktional und nicht als real wirkungsvoll einzuschätzen. Soll Lehre wahrhaft reputationsorientiert gleichziehen, bedarf es einer attraktiven Individual- und Gruppenförderung, wie auch der kleinformatigeren Förderung von didaktischen Innovationen in der Hochschullehre. Dies zeigen bereits das Dachprogramm Lehren der Töpfer Stiftung oder das Fellowship-Programm des Stifterverbands (hier wäre die Niedrigschwelligkeit weiteres Entwicklungsprinzip). Es bedarf ganz sicher keiner weiteren institutionellen Förderung nach dem Matthäus-Effekt.

 

Aus der Erfahrung mit den "Centers of Teaching Exzellenz" oder den lehrunterstützenden Strukturen an deutschen Hochschulen, die mitunter über den Qualitätspakt gestützt wurden, kann nur abgeraten werden, hier zu viel Geld institutionell zu bündeln. Ein Lehrstück ist an dieser Stelle auch die kritische Diskussion um den institutionalisierbaren Erfolg der Forschungs-"Exzellenzinitiative". 

 

4. Internationale Ausrichtung nicht vergessen. Die Systementwicklungs-Komponente der Lehrgemeinschaft ist in der bisherigen Diskussion zu selten angesprochen worden. Die Deutsche Lehr- und Weiterbildungsgemeinschaft könnte die systeminhärente Weiterentwicklung im Europäischen Hochschulraum (Bologna) inhaltlich unterfüttern und darüber hinaus den Diskurs mit verwandten Einrichtungen – ganz in der Akademie-Tradition gedacht - im internationalen Umfeld gewinnbringend moderieren (zum Beispiel zur britischen Higher Education Academy).

 

Und der weitere Diskurs…? Natürlich muss die Frage geklärt werden, wie eine Deutsche Lehr- und Weiterbildungsgemeinschaft organisiert sein könnte, wer sie tragen sollte zum Beispiel. Hierzu möchte ich mich bewusst nicht äußern, denn an dieser Stelle könnte man mir Befangenheit vorwerfen: Der DLR-Projektträger, für den ich arbeite, wurde durch das BMBF mit der Administration des Qualitätspakts Lehre betraut.  Klar ist aus meiner Sicht, dass der weitere Diskurs auch auf der Basis der Meinungen der Lehrenden und Studierenden selbst geführt werden sollte. Damit sind nicht deren Interessen- und Spitzenverbände gemeint. Sinnvoll wäre die Organisation eines Online-Beteiligungsprozesses, der die Bedarfe valide erfasst. Hier bedarf es der Unterstützung der Länder. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    René Krempkow (Dienstag, 04 Dezember 2018 13:01)

    Ein schöner Gastbeitrag, der noch einmal einige bisher meist weniger beleuchtete Punkte in die Diskussion einbringt!

    Ebenfalls noch interessant für die Diskussion um Qualität und Exzellenz auch in der Lehre dürfte das aktuelle Themenheft der Zeitschrift "Das Hochschulwesen" sein (Inhaltsübersicht: www.universitaetsverlagwebler.de/hsw), und dabei insbes. der viele Diskussionsanregungen enthaltende Einführungstext (S. 58-75) und der Beitrag "Was soll heißen „Exzellenz (in) der Lehre“? (S. 105-113).

  • #2

    Klaus Diepold (Dienstag, 04 Dezember 2018 17:38)

    Sehr geehrter Herr Ganseuer,

    vielen Dank für diesen Gastbeitrag, sowie für ihr Dokument, in dem Sie Ihren Vorschlag weiter ausführen. Ich denke, dass Ihr Vorschlag eine Gemeinschaft zu etablieren, die u.a. 1) den Namen verdient, 2) mehr bottom-up operiert und 3) die Innovationskräfte der Lehrenden aktiviert im Kreis der Fellows des Stifterverbandes sehr positive aufgenommen werden.

    Ich hoffe, dass wir die von Ihnen angesprochenen Punkte auch noch weiter in der Öffentlichkeit diskutieren können. Der Qualitätspakt und die Hochschullehre hätte es allemal verdient.

    Beste Grüße, Klaus Diepold

  • #3

    Mascha Hansen (Dienstag, 04 Dezember 2018 19:59)

    Sehr geehrter Herr Ganseuer,

    das sind alles gute Ideen, und viele kleine Projekte sorgen bereits für interessantere Veranstaltungen. Aber mir fällt auf, dass durchweg von "den Lehrenden" die Rede ist, als ob es sich hier um eine klar umrissene, womöglich sogar homogene Gruppe handelte. So richtig es ist, die (offensichtlich primär gemeinten) ProfessorInnen anzusprechen: die sind zumeist vollauf mit Forschung, Drittmittelanträgen und Verwaltung beschäftigt. Die befristeten MitarbeiterInnen - häufig diejenigen, die an hochschuldidaktischen Schulungen teilnehmen und zahlenmäßig einen Großteil der Lehre leisten - verlassen die Universitäten zumeist binnen weniger Jahre wieder. Und was ist mit den Lehrbeauftragten, die kaum für ihre Kurse bezahlt werden? Solange sich die Strukturen nicht ändern, wird die Lehre ein Stiefkind bleiben, digital oder analog.