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Keine neue Generalsekretärin für die DFG?

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft denkt nach dem Dzwonnek-Abgang offenbar über weiterreichende Governance-Veränderungen nach. Was sind die Hintergründe? Was wird diskutiert? Die offiziellen Antworten bleiben – mal wieder – im Ungefähren.

Baustelle DFG? Die Fassadensanierung immerhin ist bereits abgeschlossen. Leit: "Bonn-Plittersdorf Kennedyallee 40 Deutsche Forschungsgemeinschaft Sanierung.jpg", CC-BY-SA-4.0.

SEIT DEM UNFREIWILLIGEN ABGANG von Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek wird in der Szene viel über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und ihren Zustand diskutiert. Doch fast ausschließlich hinter vorgehaltener Hand. Das hat einen Grund: Der Einfluss von Deutschlands finanzstärkster Forschungsförderorganisation ist in den vergangenen zehn Jahren so groß, ja übermächtig geworden, dass Kritik an der DFG immer auch Kritik an der Wissenschaftspolitik und der von ihr etablierten Förderlogik bedeutet. Wie sollen Hochschulrektoren oder Wissenschaftsminister offen kritisieren, wovon sie so offensichtlich abhängen?

 

Journalisten wie ich werden dann schon mal ins Gebet genommen. Es sei ja richtig und notwendig, die Prozesse und Strukturen bei der DFG zu hinterfragen – "aber sehen Sie nicht die Gefahr, dass dadurch das Vertrauen in die Exzellenzstrategie gleich mit erschüttert wird?" Schließlich ist die DFG neben dem Wissenschaftsrat Administrator des Wettbewerbs, und DFG-Präsident Peter Strohschneider hatte den Vorsitz in der letzten Sitzung der Exzellenzkommission. 

 

Wissenschaftspolitiker attestieren
sich selbst "Beißhemmungen"

 

Ein Wissenschaftsminister gesteht im Hintergrund ein, er spüre bei sich selbst eine Beißhemmung, wenn es um die DFG gehe – und ärgere sich darüber. Ein Hochschulrektor sagt, die DFG habe sich über die Jahre von ihren Mitgliedern, ganz überwiegend den Hochschulen, entfernt, und eine immer stärkere institutionelle Eigenlogik entwickelt. 

 

So genießt die DFG einen Schutz in öffentlichen Debatten, von dem eine Max-Planck-Gesellschaft oder erst recht eine Helmholtz-Gemeinschaft nur träumen könnten. Als sei die Führung der DFG per se irgendwie selbstloser, stärker am Gemeinwohl interessiert als die Manager der Forschungsorganisationen, weil sie nach "wissenschaftsgeleiteten Verfahren" Fördermittel verteilt. Max Planck & Co hingegen müssen sich bei all dem Richtigen und Wichtigen, das sie tun, eben immer auch zum Teil sehr strengen Fragen nach ihrer Performance und ihrer gesellschaftlichen Verankerung stellen. Was viele dabei vergessen: Die DFG profitiert neben den vier großen außeruniversitären Forschungsorganisationen seit vielen Jahren ebenso vom regelmäßigen Aufwuchs im Pakt für Forschung und Innovation (PF), als Vertreterin der Hochschulen wohlgemerkt.

 

Der PFI ist übrigens auch der Grund, warum die DFG so mächtig geworden ist – und warum die Universitäten inzwischen so stark von ihr abhängen. Ihr Förderetat verdoppelte sich zwischen 2006 und 2017 auf 3,2 Milliarden Euro – während die realen Grundmittel vielerorts bestenfalls stagnierten.

 

Bis auf Weiteres besteht der DFG-Vorstand
aus einer Person: Peter Strohschneider

 

Doch alle Rufe nach mehr Transparenz verhallen bislang ungehört. Ein weiteres – aktuelles – Beispiel: Die DFG hat erst auf meine Nachfrage mitgeteilt, dass sie Dzwonneks vakante Stelle vorerst nicht neu besetzen will.

 

Dieses Gerücht machte seine Runde seit einer Betriebsversammlung, auf der Peter Strohschneider sich wenige Tage nach Dzwonneks Abberufung der Belegschaft stellte. Seitdem wurde von DFG-Mitarbeitern auch berichtet, der Posten der Generalsekretärin solle gestrichen werden, eine Präsidialstruktur werde vorbereitet, die neben dem Präsidenten einen hauptamtlichen Vizepräsidenten vorsehe und zusätzlich einen Verwaltungsleiter für die DFG-Geschäftsstelle. Offizielle Quellen für diese Behauptungen gibt es nicht.

 

Der Kommentar aus der DFG-Pressestelle: "Zu den übrigen von Ihnen angeführten oder kolportierten Annahmen nimmt die DFG keine Stellung."

 

Was die DFG aber bestätigt: Nach Dzwonneks Ausscheiden sei vom Präsidium eine interne Kommission eingesetzt worden, "die sich mit der Frage befasst, ob aus den Entwicklungen in der DFG neben dieser personellen auch konstitutionelle Folgerungen zu ziehen sind, und wenn ja: welche."

 

Man kann den Umstand kaum indirekter ausdrücken, aber das soll wohl heißen: Das könnte Auswirkung haben auf die Struktur der DFG. Wenn diese Frage geklärt sei, sagt Pressesprecher Marco Finetti, "kann der Prozess zur Findung einer Nachfolge im Amt der Generalsekretärin eingeleitet werden."

 

Oder, wenn man der Logik des Gesagten folgt, eben auch nicht. Eben dann, wenn die entsprechenden "konstitutionelle Folgerungen" gezogen werden. Aber auch hierüber breitet sich ein Nebel der ungefähren Formulierungen. 

 

Erstaunlich ist, dass Strohschneider sich offenbar auf der Betriebsversammlung überhaupt schon so kurze Zeit nach Dzwonneks Abgang zu möglichen organisatorischen Folgen geäußert hat. Und dass das Präsidium als erste Reaktion eine interne Kommission eingesetzt hat, die derart grundsätzliche Fragen beantworten soll. Was die Fragen aufwirft: Seit wann gibt es Überlegungen, Hand an die Governance der DFG zu legen? Gab es sie schon vor dem 12. November, dem letzten Tag der Generalsekretärin? Fragen, auf welche die DFG mir nicht antworten wollte. 

 

Klar ist dagegen, wie die Führungsstruktur der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den kommenden Monaten aussehen wird. Der bislang zweiköpfige DFG-Vorstand besteht bis auf Weiteres nur noch aus einer Person: Peter Strohschneider. In der "Übergangszeit" würden die satzungsgemäßen Aufgaben der Generalsekretärin wie folgt verteilt, erläutert Marco Finetti: "Die Funktion Vorstand gemäß § 26 BGB wird vom Präsidenten wahrgenommen. Für die mit der Leitung der Geschäftsstelle verbundenen Aufgaben gelten Regelungen auf der Ebene der Abteilungsleitungen."

 

Fest steht auch, dass Strohschneiders Amtszeit nur bis Ende 2019 geht. Die DFG steht also so oder so vor einem grundsätzlichen Umbruch.