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Streit um Bildungsföderalismus: Steht Einigung bevor?

Die Unterhändler von Bund und Ländern haben Text ausgearbeitet, der Vermittlungsausschuss soll den Kompromiss möglichst nächste Woche besiegeln. Doch es bleibt mindestens ein Knackpunkt.

DER VERMITTLUNGSAUSSCHUSS von Bundesrat und Bundestag steuert offenbar auf eine Einigung im Grundgesetz-Streit zu. Gestern traf sich die zu diesem Zweck eingesetzte Bund-Länder Arbeitsgruppe und hat dem Vernehmen nach einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet. Da sei ordentlich Bewegung drin gewesen in den vergangenen Tagen, kommentieren Insider unisono.

 

Deutlich wurde heute Nachmittag auch, dass mit einer formalen Beschluss im Vermittlungsausschuss diese Woche nicht mehr zu rechnen ist. Die für heute verabredete Sitzung hatten die Vertreter von Bundestag und Bundesrat kurzfristig abgesagt, um die von der Arbeitsgruppe formulierte Textfassung und auch die darin benannten verbliebenen Knackpunkte in den Fraktionen und Landesregierungen zu diskutieren. Als neuer Termin wird derzeit der 20. Februar genannt.

 

Inhaltlich läuft der Formulierungsvorschlag darauf hinaus, dass die von sämtlichen Ländern kritisierte Verpflichtung, jede Finanzhilfe des Bundes künftig mit 50 Prozent kofinanzieren zu müssen, doch nicht im reformierten Grundgesetz-Artikel 104b auftauchen sein soll. Es soll aber die Zusätzlichkeit der Bundesinvestitionen betont werden. Darüber hinaus bleibt es dem Vorschlagstext zufolge bei der bereits im GroKo-Vertrag angestrebten Regelung, dass die Bundesgelder künftig an alle und nicht nur an die "finanzschwachen" Gemeinden fließen sollen.

 

Um speziell den auf ihre Kultushoheit pochenden unionsregierten Ländern entgegenzukommen, soll die Formulierung, die Finanzhilfen würden "zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens" gewährt, wieder aus der Neufassung des 104c entfernt werden. Hier gibt es allerdings auf Seiten der FDP und der Grünen im Bundestag noch Gesprächsbedarf. Die beiden Oppositionsfraktionen hatten diesen Wortlaut in die vom Bundestag beschlossene Grundgesetz-Änderung hineinverhandelt.

 

Reicht das Wort
"Bildungsinfrastruktur"?

 

Der jetzt vorliegende Kompromissvorschlag sieht vor, statt dessen eine alternative Formulierung aufzunehmen, dass nämlich auch Ausgaben "zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur" finanziert werden können. Die Grünen und die FDP beäugen den Begriff  "Bildungsinfrastruktur" jedoch mit Misstrauen, weil dann – je nach Lesart – nur noch Ausgaben rund um die Gebäude und die Technik und nicht mehr für Personal (zum Beispiel für IT-Fachleute) gemeint sein könnten. 

 

Der Passus, dass neben den "gesamtstaatlich bedeutsamen Investitionen" überhaupt auch unmittelbar mit ihnen verbundene Kosten der Länder und Gemeinden finanziert werden sollen, war ebenfalls erst auf Betreiben von FDP und Grünen in den Bundestagsbeschluss von Ende November gekommen. Und dabei soll es auch bleiben. Allerdings steht in in der vorliegenden Textfassung jetzt der Zusatz, dass diese Ausgaben nur befristet sein dürfen. Weniger als FDP und Grüne wollten, aber offenbar würden sie sich mit diesem Teilerfolg zufrieden geben.

 

Jetzt wird es spannend. Aus der SPD verlautete, dass sie den möglichen Kompromiss wohl so mittragen würde. Doch auch Mitglieder der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion hätten noch Bedenken gegen einzelne Passagen, war am Dienstagnachmittag zu hören. Die Bedenken stammen offenbar vor allem von den Haushaltspolitikern, hatten diese doch Ende November überhaupt erst auf die 50-50-Kofinanzierung gedrungen, die jetzt wieder gekippt werden soll. Die Frage ist, welche Kontrollrechte der Bund bekommen soll, um ohne feste Mitfinanzierungsquote die verlangte Zusätzlichkeit der Mittel zu realisieren. Wobei klar ist: Je mehr Kontrollrechte der Bund bekäme, desto unwahrscheinlicher würde wiederum die Zustimmung der fünf unionsregierten Länder, die am lautesten gegen die Verfassungsänderung getrommelt hatten. 

 

Trotzdem steigt der Optimismus, dass dies bereits der Durchbruch in den Gesprächen sein könnte. Zwischendurch schien es heute sogar möglich, dass man die Einigung im Vermittlungsausschuss doch noch diese Woche hinbekommen könnte, von einem Treffen Donnerstagabend war die Rede. Daraus wurde dann aber doch nichts. Kann der Vermittlungsausschuss nun am 20. Februar den Sack zumachen?  Dann würde der Bundesrat die Einigung in seiner Plenarsitzung am 15. März beschließen können – später als erhofft, aber deutlich früher als befürchtet. Der Föderalismus hätte jedenfalls bewiesen, dass er funktioniert, wenn es drauf ankommt. 

 

Die Zeit drängt aber auch: Je länger sich die Verhandlungen hinziehen, desto unwahrscheinlicher wird, dass die Schulen bereits zu Beginn des kommenden Schuljahres von den versprochenen Digitalpakt-Milliarden profitieren. Die Verabschiedung des Bund-Länder-Programms hat die GroKo an eine vorherige Verfassungsänderung gebunden.


NACHTRAG AM 12. FEBRUAR, 22 UHR:

Per Tweet bestätigt das Sekretariats des Bundesrates nun auch offiziell, dass die nächste Sitzung des Vermittlungsausschusses am 20. Februar stattfinden soll. Und zwar um 19 Uhr, schreiben die Online-Redaktion des Bundesrates, gefolgt von den Hashtags #Grundgesetzänderung, #Kooperationsverbot #Digitalpakt.

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