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Fünf Botschaften der EFI – und was aus ihnen folgt

3,5-Prozent-Ziel, DFG-Förderstrukturen oder Digitalisierungspauschale: Die Expertenkommission sorgt mit ihren Analysen und Empfehlungen für Zündstoff. Gut so.

DIE EXPERTENKOMMISSION Forschung und Innovation (EFI) hat der Bundeskanzlerin gestern ihr Jahresgutachten vorgelegt. Es ist eine Bestandsaufnahme der Wissenschafts- und Bildungspolitik. Fünf ausgewählte EFI-Forderungen und was aus ihnen folgen sollte.

 

 

1. Das 3,5-Prozent-Ziel

 

Die GroKo hat vor einem Jahr in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die gesamtgesellschaftlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2025 auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung steigern zu wollen. Doch die EFI zweifelt offenbar an der Ernsthaftigkeit der Bundesregierung. "Die derzeit budgetierten Mittel" reichten nicht aus, "um dieses Ziel zu erreichen", heißt es im Gutachten. 

 

Wie unrealistisch die GroKo bislang kalkuliert, habe ich im vergangenen Jahr in zwei Artikeln dargestellt. Seitdem hat sich die Lage noch verschärft: Die nachlassende Konjunktur verengt den haushaltspolitischen Spielraum von Bund und Ländern. Zwar sind bei einem geringeren Wirtschaftswachstum auch die für das 3,5-Prozent-Ziel erforderlichen F&E-Ausgaben kleiner, sowohl die staatlichen wie die privaten. Aber unter dem Strich wird eine entschiedene haushaltspolitische Prioritätensetzung für Forschung und Entwicklung noch dringlicher (und politisch schwieriger) als vor einem Jahr. 

 

 

2. Tempo bei der Digitalisierung der Hochschulen

 

Die EFI fordert eine Digitalisierungspauschale pro eingeschriebenem Studentin/in, um den Entwicklungsrückstand speziell in der Hochschullehre auszugleichen. Denn, wie die Kommission betont, während die Hochschulen in der Forschung im Schnitt digital "bereits gut aufgestellt" seien, bestünden "deutliche Entwicklungspotentiale" besonders "in den Bereichen Lehre und Verwaltung". Man könnte auch härter formulieren: Weite Teile der Verwaltung und der Hochschullehre haben mit der Digitalisierung noch nicht einmal angefangen oder sind mittendrin stecken geblieben.

 

Hierzu sind in meinem Blog ebenfalls mehrere Beiträge erschienen, unter anderem forderte ich Ende 2018 einen Digitalpakt für die Hochschulen. Ähnlich äußerte sich wenig später auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt. Und die Debatte um die ausstehende Reform der Wissenschaftsverwaltung hat als einen Kernaspekt ebenfalls die Digitalisierung. 

 

Die von der EFI angeregte Digitalisierungspauschale erinnert übrigens an eine Forderung des Thüringer Wissenschaftsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) im Vorfeld der Hochschulpakt-Verhandlungen. Vielleicht kein Zufall: Das zuständige Kommissionsmitglied Uwe Cantner ist Vizepräsident der in Thüringen gelegenen Universität Jena. Jedenfalls ist der Zeitpunkt der EFI-Initiative ideal: Bund und Länder verhandeln zurzeit das Nachfolgeprogramm des nach 2020 auslaufenden Hochschulpakts. In dem – Stand heute – kein spezieller Posten für die Digitalisierung vorgesehen ist. Aber womöglich lässt sich das Thema ja mit EFI-Rückenwind in den noch anstehenden Zielvereinbarungen zum Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern einbauen. 

 

 

3. Vage KI-Strategie

 

Ziemlich heftig kritisiert die EFI die im November 2018 beschlossene KI-Strategie der Bundesregierung. In ihrer derzeitigen Fassung bleibe sie in vielen Punkten vage, sagte der EFI-Vorsitzende Dietmar Harhoff. Es bedürfe vor allem eines "Implementierungsplans mit klar definierten Zielvorgaben". Anstatt zwölf neue KI-Kompetenz-Zentren aufzubauen, solle die Bundesregierung das Geld lieber in die Stärkung der bereits bestehenden KI-Standorte stecken. Zumal es angesichts des "überhitzten Arbeitsmarktes" fraglich sei, ob die von der Regierung angestrebten 100 Professuren "qualitativ hochwertig besetzt werden können". 

 

Eine ebenfalls wichtige EFI-Stellungnahme: Ich hatte im vergangenen September in einem Beitrag einen "digitalen Förderhype" beschrieben und vor einer Schaufensterpolitik gewarnt. Diese gilt es, so verstehe ich die EFI, jetzt umso stärker zu vermeiden. 

 

 

4. Steuerliche F&E-Förderung

 

"Die Expertenkommission drängt nochmals auf die zügige Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung", schreibt die EFI in ihrem Gutachten. Der gegenüber den Vorjahren spürbar größere Nachdruck erklärt sich vor allem durch die Fragezeichen, die die sechs Experten hinter das 3,5-Prozent-Ziel und dessen Realisierbarkeit gesetzt haben. 

 

Wie das Handelsblatt heute berichtet, hat das Bundesfinanzministerium den entsprechenden Gesetzentwurf fast fertig. Olaf Scholz (SPD) veranschlagt demzufolge für die Förderung 1,25 Milliarden pro Jahr, wobei er sie von 2020 an erstmal auf vier Jahre befristen will. Großzügig ist Scholz dagegen in Bezug auf dem Empfängerkreis: Alle Unternehmen, auch die Großkonzerne, sollen förderberechtigt sein, auch Auftragsforschung soll geltend gemacht werden können, allerdings ist laut Entwurf pro Unternehmen maximal eine Ersparnis von 500.000 Euro pro Jahr drin.

 

Die EFI hatte sich gestern noch einmal – und offenbar vergeblich – für eine besondere Berücksichtigung der kleinen und mittleren Unternehmen ausgesprochen. Dementsprechend kritisiert die Bundestagsopposition auch den Scholz-Plan als "grandiose Fehlleistung". Sie drohe "zum teuren und nutzlosen Geschenk für Großunternehmen zu werden", sagten Kerstin Andreae, die grüne Sprecherin für Wirtschaftspolitik, und Danyal Bayaz, der Startup-Beauftragte der grünen Bundestagsfraktion.

 

Meine Bedenken sind noch grundsätzlicher. Fünf Milliarden Euro für die steuerliche Forschungsförderung: In Zeiten knapper werdender Haushalte sind das absehbar fünf Milliarden, die bei der direkten Förderung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen fehlen werden. Vor allem das Budget des Bundesforschungsministeriums und die Innovationsförderung im Bundeswirtschaftsministeriums dürften entsprechend langsamer wachsen – und damit auch der Einfluss der Forschungspolitiker.  Ich wundere mich, dass das so wenig thematisiert wird. Und ich frage mich umso mehr angesichts der zu erwartenden Mitnahmeeffekte bei den Großkonzernen, ob es das wert ist. 

 

 

5. DFG-Schelte und die Reaktion

 

Das wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nicht gern vernommen haben inmitten der ebenfalls laufenden Bund-Länder-Verhandlungen um die Zukunft des Pakts für Forschung und Innovation (PFI). Der PFI beschert neben den großen Forschungsorganisationen auch der DFG ein jährliches Plus von aktuell drei Prozent. Doch was macht sie damit? Die EFI-Experten meinen: im internationalen Vergleich zu wenig.

 

Der starke Fokus der DFG auf "Förderprogramme, die Kooperation und Strukturbildung erzielen sollen, sollte einer kritischen Überprüfung unterzogen werden", fordern sie. Auffällig sei zudem eine "unterdurchschnittliche internationale Zusammenarbeit" von DFG-geförderten Forschern. Und – womöglich die härteste Ansage an die Adresse der Förderorganisation – die Qualität der Publikationen aus DFG-geförderten Projekten sei niedriger als in Vergleichsländern, befinden die Experten und verlangen mehr "Wirkungs- und Ursachenanalysen nach neuesten wissenschaftlichen Standards". 

 

Der FDP-Wissenschaftspolitiker Thomas Sattelberger sprach in einer ersten Reaktion von "schlaflosen Nächten", die die EFI-Schelte DFG-Präsident Peter Strohschneider bereiten werde.

 

Strohschneider wehrte sich heute auf seine Weise – mit einer länglichen Pressemitteilung, in der die DFG zunächst die "ausführliche Beschreibung und Kommentierung" ihrer Förderstrukturen durch die EFI begrüßte. Dann jedoch geht sie in die Gegenoffensive und wirft der Kommission – halbwegs nett verpackt – einen Mangel an Differenziertheit vor. 

 

So seien beim Verhältnis von Einzelförderung und Verbundförderung "die legitimen Interessen der unterschiedlichen Akteure in der Wissenschaft angemessen zu berücksichtigen". Es gehe nicht nur um die Förderung der besten Köpfe, sondern auch um strukturbildende Maßnahmen und wissenschaftspolitische Initiativen (explizit nennt die DFG die Exzellenzinitiative und die Exzellenzstrategie). 

 

Die Kritik der nach internationalen Vergleich mangelnden Qualität kontert die DFG mit dem sprachlich komplizierten Hinweis, die Wissenschafts- und Finanzierungssysteme seien "ganz unterschiedlich" aufgebaut, was wiederum "die sehr weitgehend die Unterschiedlichkeit der Aufgaben und Leistungen von Einrichtungen der Forschungsförderung" bestimme. Übersetzt heißt das Wohl: Die EFI vergleiche Äpfel mit Birnen.

 

Die Bundestagsfraktionen indes werden den EFI-Ruf nach neuen Formen der Wirkungs- und Ursachenanalyse  mit Interesse vernommen haben – vor allem jene im Haushaltsausschuss. Derweil steigt der Druck aufs Bundesforschungsministerium weiter, in den PFI-Verhandlungen neue Formen des Leistungsnachweises zu verankern.   

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Kommentare: 3
  • #1

    Zukunftsmusiker (Donnerstag, 28 Februar 2019 19:51)

    Bravo. Die DFG ist viel zu mächtig. Eine Entflechtung wäre sinnvoll: Mehrere DFGen mit unterschiedlichen Gutachtern. Davon mindestens eine Post-DFG mit Gutachtern nur aus dem Ausland, um die in Deutschland viel zu mächtigen Seilschaften rauszuhalten.

  • #2

    René Krempkow (Freitag, 01 März 2019 08:48)

    Lieber Herr Wiarda,

    Danke für Ihre prägnante Zusammenfassung der EFI-Botschaften und Ihre Einordnung in die wissenschaftspolitische Diskussion!
    Eine etwas ausführlichere fünfseitige Zusammenfassung zentraler Ergebnisse der EFI-Schwerpunktstudie "Digitalisierung der Hochschulen" mit Links zu weiteren Infos finden sich in https://scilogs.spektrum.de/wissenschaftssystem/wie-weit-sind-die-deutschen-hochschulen-digitalisiert/; die komplette Schwerpunktstudie in https://www.e-fi.de/fileadmin/Innovationsstudien_2019/StuDIS_14_2019.pdf.

    Beste Grüße
    René Krempkow

  • #3

    Carsten Schwäbe (Freitag, 08 März 2019 12:03)

    Lieber Herr Wiarda,

    die erwarteten Mitnahmeeffekte bei der steuerlichen FuE-Förderung werden hoch sein, wenn auch Großunternehmen von Ihnen profitieren sollen. Dabei hätten es die kleineren um so nötiger, Förderungen zu erhalten, denn diese können sich oft keine eigenen FuE-Abteilungen leisten. Übrigens geht das mit der Projektförderung oder anderen Instrumenten viel besser als mit einer steuerlichen FuE-Förderung, die ja nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten übernehmen kann.

    Außerdem: Gerade KMU sind oft auch ohne FuE innovative und bräuchten ganz andere Förderansätze und -instrumente, um ihre Wettbewerbsfähigkeit durch ihre spezifischen Innovationsaktivitäten jenseits von FuE zu erhalten.

    Ich habe das Gefühl, hier geht es eher darum, den Steuerwettbewerb durch die Hintertür zu forcieren, denn natürlich ist die steuerliche FuE-Förderung ein Instrument, dass zum Teil sehr generös in unterschiedlichen EU-Ländern gewährt wird - allerdings mit oft sehr dürftigen Ergebnissen über die Vorteile des Instruments als solches...

    Vielleicht interessiert Sie unser Artikel im Wirtschaftsdienst zu dem Thema:

    https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/5/steuerliche-foerderung-von-forschung-und-entwicklung-in-kmu-irrweg-fuer-deutschland/

    Mit besten Grüßen,

    Carsten Schwäbe