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Das Hin und Her war nötig

Hätte es schneller gehen können mit dem Digitalpakt? Nein, nicht wirklich. Das Fünf-Milliarden-Paket ist ein Erfolg für Anja Karliczek, vor allem aber ist es ein Verdienst ihrer Vorgängerin: Johanna Wanka.

WENN DER BUNDESRAT heute den Weg für den Digitalpakt freimacht, werden die meisten Experten zwei Statements von sich geben. Erstens: Gut, dass er jetzt kommt. Zweitens: Er kommt viel zu spät. Dass Bund und Länder sich seit Herbst 2016 ein peinliches – und viel zu langes – Hin und Her geliefert haben, gilt inzwischen als eine Art Gemeinplatz. Aber stimmt das auch? Meine Antwort: Nein, das glaube ich nicht.

 

Ja, es ist peinlich, dass es bis 2016 gedauert hat, bevor mit Johanna Wanka (CDU) eine Bundesbildungsministerin den Anstoß für die bundesweite IT-Ertüchtigung der Schulen gegeben hat. Warum ist dies nicht bereits acht oder zehn Jahre zuvor geschehen? Die Erklärung ist, wenn man es sich überlegt, eigentlich einfach: Weil zehn Jahre zuvor (Stichwort Föderalismusreform) die Bund-Länder-Zusammenarbeit in der Bildung gerade ziemlich am Ende war.

 

Wanka ist insofern zu loben: Sie hat geschickt den 2016 bereits spürbaren Stimmungswandel hin zu wieder mehr Kooperation ausgenutzt für einen Vorstoß, der damals unter den herrschenden Verfassungsbedingungen eigentlich noch gar nicht möglich war. Wanka ist auch deshalb zu loben, weil sie sich mit ihrer Initiative im Oktober 2016 weit aus dem Fenster lehnte und einfach mal fünf Milliarden Euro ankündigte. Die sie, wie später immer deutlicher wurde, zu dem Zeitpunkt politisch (vom Haushaltsrechtlichen gar nicht zu reden) noch gar nicht sicher hatte.

 

Wanka wusste das, und doch schaffte sie mit ihrem demonstrativen Fünf-Milliarden-Angebot an die Länder Tatsachen. Und setzte die Politik, auch ihre eigene Koalition, unter Zugzwang. Als die Digitalpakt-Verhandlungen sich dann zogen und ihre Ministerkollegen in den Ländern sie für vermeintlich leere Versprechen schalten, hielt Wanka dagegen, während ihr der öffentliche Druck im Stillen womöglich sehr recht war. Ihr Ziel: Die fünf Milliarden sollten in den nächsten Koalitionsvertrag. Und da standen sie dann auch.

 

Wenn heute Anja Karliczek heute Mittag mit ihren Kultusminister-Kollegen vor der Bundespressekonferenz Platz nimmt, wird ihre Vorgängerin logischerweise nicht dabei sein. Aber vielleicht erwähnt Karliczek sie ja mal. Denn fest steht: Ohne Wanka hätte es den Digitalpakt nicht gegeben, auch wenn viele mit ihr vor allem das lange Hin und Her verbinden. Ja, das Hin und Her war lang. Aber es war die Voraussetzung, um überhaupt an das Geld zu kommen.

 

Zugleich ist der Digitalpakt auch der bislang größte Erfolg, den Karliczek vorzuweisen hat. Sie hat die festgefahrenen Gespräche mit den Kultusministern im vergangenen Frühjahr in erstaunlich schneller Zeit wiederbelebt, sie war kompromissbereit, ohne beliebig zu werden. Und sie hatte mit ihren Hauptverhandlungspartnern aus den Ländern, Ties Rabe (Hamburg, SPD) und Susanne Eisenmann (Baden-Württemberg, CDU) zwei kundige Gesprächspartner, die es ihr nicht einfach gemacht haben, denen man aber nichts erklären musste. Und noch ein Mann sollte heute nicht unerwähnt bleiben: Thüringens Kultusminister Helmut Holter (Linke), der vergangenes Jahr KMK-Präsident war und mit seiner ruhigen, ausgleichenden Art geschickt die Verhandlungen gen Abschluss bugsierte. 

 

Gingen also die ganzen zweieinhalb Jahre von Wankas Idee bis zum heutigen Abschluss in Ordnung? Nein, natürlich nicht. Mindestens das letzte Vierteljahr hätten sich Bund und Länder sparen können. Indem zum Beispiel SPD-Finanzminister Olaf Scholz die Grundgesetz-Änderung geschickter eingespielt hätte. Und wenn Bund und Länder den Schulen und sich gegenseitig den Showdown im Vermittlungsrat erspart hätten. Aber dieses Gezerre war nun wirklich nicht die Verantwortung der Bildungspolitiker. 

 

Wenn diese heute den Digitalpakt feiern und auch ein wenig sich selbst, geht das also in Ordnung. Sie sollten nur Johanna Wanka ein bisschen mitfeiern. Und dann wieder an die Arbeit gehen. Denn, wie der Bildungsforscher Andreas Breiter im Interview sagt, jetzt kommen große Aufgaben auf sie zu. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus Diepold (Freitag, 15 März 2019 16:17)

    Das ist schon mal positiv, dass es hier weitergeht. Wir werden sehen, welche Wirkungen mit dem Digitalpakt in den Schulen erreicht werden. Ich bin da mal neugierig.

    Ich habe kürzlich einige Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern in bayrischen Gymnasien geführt. Die Betroffenen freuen sich grundsätzlich über die Aussicht auf neue Ausrüstung. Andererseits sehen sie das Problem, dass es eben kein Geld für zusätzliches Personal gibt, dass die Geräte und die Infrastruktur pflegt. Das müssen dann Fachlehrer übernehmen ... die Begeisterung hält sich dann wieder in Grenzen.