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Wer kommt nach Strohschneider?

Drei Kandidaten gehen ins Rennen um die DFG-Präsidentschaft. Wer sie sind – und was die Universitäten dazu sagen.

Die DFG-Geschäftsstelle in Bonn.  Foto: Mkill / Wikimedia CC-BY-2.5.

DIE KANDIDATEN FÜR die Strohschneider-Nachfolge stehen fest. Katja Becker, Wolfgang Marquardt und Dorothea Wagner sind die Namen auf der Dreier-Liste, die demnächst bekanntgegeben werden soll. Bei ihrer Mitgliederversammlung am 03. Juli 2019 in Rostock will die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ihre neue Präsidentin oder ihren neuen Präsidenten wählen. 

 

Der Germanist Peter Strohschneider ist seit Anfang 2013 im Amt, intern hatte er vor längerer Zeit bekannt gegeben, nicht mehr kandidieren zu wollen. Nach den Querelen um die überraschend abberufene Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek und angesichts einer zunehmenden Unzufriedenheit mit dem Zustand der DFG hatten führende Wissenschaftspolitiker hinter den Kulissen ebenfalls auf einen personellen Neuanfang gedrängt. 

 

Ursprünglich hatte die Kandidatenliste acht Namen umfasst. Die DFG-Mitglieder (im Wesentlichen die Universitäten, vertreten durch ihre Präsidenten) konnten dann jeweils ihre Favoriten nennen. Die Findungskommission unter Führung des DFG-Vizepräsidenten Wolfgang Schön verkürzte die Liste anschließend aufgrund der Mitgliedervoten auf vier Namen. Jetzt wurde dem vierten Kandidaten, dem einzigen Unipräsidenten auf der Vierer-Liste, abgesagt. Damit ist klar, wer am 3. Juli ins Rennen geht.

 

Zwei der Kandidaten haben DFG-Stallgeruch. Die Medizinerin und Biochemikerin Katja Becker, Jahrgang 1965, ist Professorin an der Universität Gießen und seit 2014 Vizepräsidentin der DFG. Dorothea Wagner, geboren 1957, ist Informatikerin und Professorin für Algorithmik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie war von 2007 bis 2014 DFG-Vizepräsidentin, seit 2015 ist sie Mitglied im Wissenschaftsrat. 

 

Katja Becker  Foto: David Plas

Dorothea Wagner  Foto: KIT

Apropos Wissenschaftsrat: Kandidat Nr. 3, Wolfgang Marquardt, bekleidete von 2011 bis 2014 den Vorsitz im wichtigsten wissenschaftspolitischen Beratungsgremium von Bund und Ländern und war damit Nachfolger Strohschneiders. Seit 2014 leitet der 62 Jahre alte Ingenieur und Professor für Verfahrenstechnik das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörende Forschungszentrum Jülich. 

 

Wolfgang Marquardt  Foto: Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach

Marquardt gilt als der erfahrenste Wissenschaftsmanager unter den Kandidaten und hat einen hervorragenden Ruf, doch hat er auch zwei Handicaps: Erstens ist er Ingenieur, obwohl dem inoffiziellen DFG-Fächerproporz folgend nach dem Geisteswissenschaftler Strohschneider jetzt ein Naturwissenschaftler, idealerweise ein Physiker, an der Reihe wäre. Außerdem würde die Wahl Marquardts ein Muster fortsetzen, das viele Universitäten gern durchbrechen würden: dass die Führungspositionen in der deutschen Wissenschaft immer unter den gleichen wenigen Personen ausgemacht werden, die noch dazu zwischen den Institutionen herumspringen. So war Marquardt schon beim Wissenschaftsrat Strohschneiders Nachfolger gewesen.

 

Wobei genau das, was einigen als Argument gegen Marquardt gilt, andere wiederum bei Becker und Wagner vermissen: Sie hatten bislang kein absolutes Führungsamt. Dafür allerdings können sie DFG-Erfahrung vorweisen und, noch wichtiger, sie erfüllen nahezu das gewünschte Fächerprofil. 

 

Der Job wird nicht einfach

 

Hervorragende Wissenschaftler sind alle drei: Becker, die auch drei Jahre als Vizepräsidentin ihrer Universität fungierte, wurde bereits mit 34 Jahren in die Leopoldina aufgenommen, Marquardt wurde 2001 mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet. Wagner erhielt erst im vergangenen Jahr die Werner Heisenberg-Medaille der Humboldt-Stiftung.

 

Gleich wer von den drei am Ende das Rennen macht, die Aufgabe, die vor ihm oder ihr liegt, ist gewaltig: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft befindet sich in einer Krise – nach innen, was ihre Organisation und ihre Prozesse betrifft, und nach außen, was ihr Image an den Universitäten angeht. Das Misstrauen vieler Unirektoren gegenüber "ihrer" DFG hat inzwischen ein kritisches Niveau erreicht. Sie habe sich zu weit von den Universitäten entfernt, sagen die Kritiker, stelle immer wieder ihr institutionelles Eigeninteresse in den Vordergrund und kommuniziere schlecht mit ihren Mitgliedern. 

 

Diese Kluft zwischen Unis und DFG wurde ausgerechnet bei der Vorbereitung der Präsidentenwahl erneut deutlich. Obwohl auch DFG-Präsident Strohschneider in der Vergangenheit mehrfach und demonstrativ die Rolle der Universitäten als Organisationszentren des Wissenschaftssystems hervorgehoben hatte, hat es kein einziger amtierender Unipräsident auf die Liste der Kandidaten geschafft. Dabei hätte es dem Vernehmen nach mehrere interessierte und aus Sicht der Unirektoren äußerst qualifizierte Persönlichkeiten gegeben. Der letzte wurde gerade erst durch die Findungskommission aussortiert. 

 

Auch sonst wurde die DFG mit harscher Kritik ihrer Mitglieder an dem Wahlverfahren konfrontiert. Am meisten erregte die Rektoren zweierlei. Zum einen, dass sie der Findungskommission ihre Wunschkandidaten in einem nicht geheimen Verfahren mitteilen mussten. Das heißt: Die Wahlvorschläge waren zumindest für DFG-Vize Schön den jeweiligen Mitgliedern zuzuordnen. Zum anderen, dass die Wahl zur Strohschneider-Nachfolge in unmittelbarer Nähe der wichtigsten Entscheidung in der laufenden Exzellenzstrategie stattfinden soll. Am 19. Juli werden die Exzellenzuniversitäten gekürt, bis dahin will sich kein Unirektor mit der DFG anlegen, erst recht nicht öffentlich.

 

Hinzu kommt, dass die nach dem Dzwonnek-Abgang (zumindest für die Mitglieder überraschend) eingeleitete Satzungsreform offenbar ebenfalls am 3. Juli durchgezogen werden soll, jedenfalls ein erster Teil. Hier sollten Tatsachen geschaffen werden, bevor Universitäten und Politik die Exzellenzstarre hinter sich gelassen hätten, argwöhnen einige. 

 

Überstürzte Satzungsreform?

 

Dem Vernehmen nach will die eigens eingerichtete Satzungskommission folgende Änderungen vorschlagen: Der bislang zweiköpfige DFG-Vorstand soll um einen hauptamtlichen Vizepräsidenten erweitert werden. Auf diese Weise erhielten die Wissenschaftler die Mehrheit in dem Gremium – nachdem sich dort vorher Strohschneider und Generalsekretärin Dzwonnek gegenübergestanden und zum Teil gegenseitig ausgehebelt hatten. Die Position des Generalsekretärs soll erhalten bleiben, zudem soll der oder die Amtsinhaberin auch künftig mehr als nur eine Verwaltungschefin sein. Allerdings soll die Generalsekretärin anders als bislang alle paar Jahre wiedergewählt werden müssen.  

 

Weitere Veränderungen der Satzung könnten später folgen, doch argumentiert die DFG, bei der grundlegenden Governance sei Eile geboten: Die Generalsekretärs-Position müsse dringend neu besetzt werden. Einige Mitglieder, namentlich Unipräsidenten, haben intern ihr Unverständnis für den Zugzwang geäußert, der da aus ihrer Sicht erzeugt wird. 

 

In jedem Fall hinterfragen kann man, warum eine erst vor wenigen Jahren grundlegend reformierte und damals als extrem modern gefeierte Satzung plötzlich als so schlecht gilt, dass man unbedingt sofort ranmuss, damit die DFG wieder handlungsfähig wird. 

 

Derweil reißen Gerüchte nicht ab, Strohschneider könnte am Ende doch noch für eine dritte Amtszeit kandidieren, was laut geltender Satzung möglich ist. Szenarien werden genannt, in denen die drei auf der Liste befindlichen Kandidaten bis Juli aufgrund anderer Spitzenämter entweder nicht mehr zur Verfügung stehen oder die Mitglieder inhaltlich nicht überzeugen könnten – gerade angesichts des unruhigen Fahrwassers, in dem sich die DFG angesichts der anhaltenden Unzufriedenheit vieler Mitglieder und der laufenden Satzungsreform befindet. Strohschneider jedoch hat wie gesagt eine erneute Kandidatur wiederholt ausgeschlossen. 

 

Auch wäre das Wahlverfahren der DFG wohl diskreditiert, wenn am Ende keine/r der drei Ausgewählten den Sprung in die oberste Etage der DFG-Zentrale an der Bonner Kennedyallee schaffen würde. Es liegen spannende – und angespannte – drei Monate vor der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 


NACHTRAG

Die DFG hat die Personalia inzwischen in einer Pressemitteilung offiziell bekanntgeben. Interessant ist eine Formulierung im letzten Absatz: Der derzeitige Präsident Peter Strohschneider "scheidet nach zwei Amtsperioden turnusmäßig aus." Tatsächlich wäre aber eine dritte Amtszeit seit der Satzungsänderung von 2014 mit einer Zweidrittel-Mehrheit unter den 96-DFG-Mitgliedern möglich. In der Pressemitteilung klingt Strohschneiders Ausscheiden indes irgendwie zwangsläufig. Ist es aber nicht. 

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Kommentar zum Blog-Design (Donnerstag, 11 April 2019 14:37)

    Lieber Herr Wiarda,
    herzlichen Dank für Ihren Blog - Ihre Beiträge finde ich in der Regel sehr interessant und aufschlussreich und lese sie daher auch mit großer Regelmäßigkeit. Was mir aber schon seit geraumer Zeit unter den Nägeln brennt, ist Ihr Blog-Design. Ihre Umstellung auf ein wöchentlich wechselndes Wissenschaftsbild ist natürlich reine Geschmackssache. Was ich aber daran als sehr störend empfinde, ist der semitransparente Hintergrund des Blog-Textes, der je nach darunter liegendem Bild das Lesen des Textes manchmal doch sehr unangenehm macht.

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 11 April 2019 20:31)

    @Kommentar zum Blog-Design: Vielen Dank für die konstruktive Kritik am Design. Sicher ist das Geschmacksache, aber Sie sollen die Texte ja gut lesen können. Ich überlege mir mal was.

    Viele Grüße
    Ihr Jan-Martin Wiarda

  • #3

    Edith Riedel (Freitag, 12 April 2019 18:19)

    Vielleicht ist das "turnusmäßig" ja schon ein Vorgriff auf die neue Satzung? Es bleibt spannend bei der DFG.

  • #4

    HS (Montag, 15 April 2019 17:26)

    Nicht nur die DFG ist – wie Wiarda schreibt – in einer Krise. Es gibt vielmehr Anzeichen, dass die Wissenschaft in Deutschland in keinem guten Zustand ist; jüngster Hinweis ist der Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Tübingen.
    Es ist offensichtlich, dass die Wahl eines neuen DFG-Präsidenten in dieser Situation von kritischer Bedeutung ist. Ein Neuanfang ist dringend geboten, auch einer außerhalb eines Personalkarussels eines engen Personenkreises. In dieser Lage ist es befremdlich, dass die Findungskommission dem vierten Kandidaten abgesagt hat, der als einziger einen wirklichen Neuanfang dargestellt hätte. Wie man hört, hatte dieser Kandidat die höchste Stimmenzahl in der ersten Runde erhalten. Diese Kandidatur wäre eigentlich ein schönes Zeichen dafür gewesen, dass die DFG an ihren Mitgliedern interessiert wäre und zugestünde, dass der DFG- Präsident praktische Erfahrung in einer Spitzenposition im Wissenschaftsmanagement haben sollte. Gerade jetzt erschiene mir dieser Aspekt besonders gewichtig, wo mit der Generalsekretärin eine erfahrene Wissenschaftsmanagerin die DFG verlassen hat. Die DFG-Spitze scheint wenig geneigt, die Anzeichen von Nachdenklichkeit ihrer Mitglieder und den Wunsch nach einem echten Neubeginn zu beherzigen.