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Föderales Pingpong-Spiel

Bekommt der Bundestag diese Woche Einsicht in die Wissenschaftspakt-Vereinbarungen?

BUNDESFORSCHUNGSMINISTERIN ANJA KARLICZEK (CDU) und ihre Länderkollegen liefern sich ein Pingpong-Spiel, und der Haushaltsausschuss des Bundestages muss dabei zuschauen.

 

Vergangenen Mittwoch hatten die Parlamentarier von Karliczek gefordert, ihnen unverzüglich den Wortlaut der frisch verabredeten Wissenschaftspakte offenzulegen. Karliczek hatte dem Ausschuss erwidert, ohne Zustimmung der Länder, die ja in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) ihre Verhandlungspartner waren, dürfe sie das nicht. 

 

Und was sagt dazu Bremens Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD), die in diesem Jahr zugleich GWK-Vorsitzende ist? Sie werde mit ihren Landeswissenschaftsminister-Kollegen "erörtern, ob die die Vereinbarungen vor der Befassung der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin herausgegeben werden können". 

 

Und bis wann wird diese Erörterung abgeschlossen sein? Immerhin ist besagte Befassung und Unterzeichnung bereits am 6. Juni, also in gut drei Wochen, vorgesehen, und schön übermorgen trifft sich erneut der Haushaltsausschuss erneut. Quante-Brandt: "Ob das vor Mittwoch geklärt werden kann, kann ich jetzt nicht sagen".  

 

Handelt es sich weniger um ein Pingpong- als um ein Zeitspiel von Karliczek und Quante-Brandt? Wollen die beiden so die Vereinbarungen über die Zeit retten, weil die Haushälter ansonsten möglicherweise noch tiefergehende Veränderungen an den Pakten fordern könnten?

 

Diesen Eindruck könnte man jedenfalls bekommen, und er verstärkt sich noch, wenn man Quante-Brandt nach einem weiteren Dokument fragt.

 

Dass der Haushaltsausschuss vergangene Woche überhaupt so streng auf die Herausgabe der geplanten Bund-Länder-Vereinbarungen gepocht hat, hängt nämlich auch damit zusammen, dass die Abgeordneten Tags zuvor einen Bericht des Bundesrechnungshofs erhalten hatten, in dem dieser den bisherigen Hochschulpakt massiv kritisiert hatte. "Fehlentwicklungen, Verstöße im Haushaltsvollzug und ein intransparentes Berichtswesen" hätten das Milliardenprogramm geprägt, bemängelten die Prüfer – und formulierten strikte Forderungen an die Nachfolge-Vereinbarung. Diese Forderungen kamen kurioserweise jedoch erst vier Tage, nachdem Bund und Länder den neuen Pakt bereits verabredet hatten.

 

Karliczek betonte daraufhin, die neuen Vereinbarungen hätten wesentliche Kritikpunkte, die der Rechnungshof aufwirft, bereits berücksichtigt. Doch was sagen die Länder?

 

Quante-Brandt, gefragt nach dem Rechnungshof-Bericht, sagt: "Wenn der Bericht vorliegt, werden wir uns in der GWK darüber austauschen." 

 

Es ist die nächste Folge föderaler Komplexitäten: Denn während der Haushaltsausschuss die Wissenschaftspakt-Vereinbarungen bislang nicht einsehen durfte, berichtet der Bundesrechnungshof nur an den Haushaltsausschuss – und nicht an die Länder, weswegen diese wiederum offiziell keinen Zugriff auf den Berichtstext hatten bislang.  Hat Quante-Brandt als Bremer Senatorin oder hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz als Ganzes den Rechnungshof-Bericht denn angefordert? Antwort: "Nein, das haben wir nicht."

 

So dürfte eine offizielle Antwort der GWK auf den Prüf-Bericht auf sich warten lassen, womöglich bis nach dem 6. Juni? 


"Die Transparenz, die der Bundesrechnungshof vermisst"

Auch wenn der GWK der Rechnungshofbericht bislang nicht offiziell vorliegt, als Bremer Senatorin hat Eva Quante-Brandt zu dem Vorwürfen durchaus eine klare Meinung, und sie sagt sie auch. 

 

Der Rechnungshof habe sich nicht zu den aktuellen Beschlüssen der GWK geäußert, sagt sie, doch würden in seiner Kritik "Themen und Fragestellungen aufgegriffen, die Gegenstand der Verhandlungen zu den neuen Pakten waren". 

 

Sie beziehe sich auf die bisherige Berichterstattung über den Bericht, sagt Quante-Brandt weiter, und demzufolge kritisiere der Rechnungshof ja vor allem die Verschlechterung der Betreuungsrelation an den Hochschulen. Dass der starke Anstieg der Studierendenzahlen nicht von dem entsprechenden Ausbau von Dauerstellen begleitet worden sei, liege daran, dass die Bundesmittel bislang nicht verstetigt gewesen seien. 

 

Was Quante-Brandt nicht sagt: Genau diese Verstetigung beobachtet der Rechnungshof mit großen Vorbehalten. Was man zumindest als widersprüchlich betrachten kann, wenn er gleichzeitig die mangelnden Effekte des bisherigen Paktes kritisiert. 

 

Quante-Brandt geht zwar auf diesen Punkt nicht weiter ein, aber sie bekräftigt: Durch den neuen "Zukunftsvertrag: Studium und Lehre stärken" werde sich die Situation grundsätzlich ändern. Die "recht stabilen Leistungsparameter", sagt die Senatorin, gäben den Hochschulen Planungssicherheit, und dies ermögliche künftig den Ausbau dauerhafter Beschäftigung, die nun ein herausgehobenes Ziel des Zukunftsvertrages sei. "Der Ausbau dauerhafter Beschäftigungsverhältnisse ist sowohl eine klare  

Zielvorgabe des Vertrages als auch Bestandteil des Monitorings, das wir auf eine gänzlich neue Grundlage stellen werden."

 

Als Beispiele dieser neuen Grundlage nennt Quante-Brandt die im Vertrag vorgesehenen, länderübergreifend verabredeten und anschließend veröffentlichten Verpflichtungserklärungen: "Zukünftig wird jedes Land im Rahmen der Umsetzung erläutern, für welche Ziele und Maßnahmen es die Gelder verwenden wird. Die Betreuungsverhältnisse werden hierin verpflichtend aufgenommen werden." Ebenso die Angaben zum Studienerfolg und Studienabbruch, fügt die Senatorin hinzu: "Damit schaffen wir Transparenz, die der Bundesrechnungshof ja bislang vermisst."

 

Auch verweist Quante-Brandt auf die "quantitativen Berichte", die im Detail Aufschluss geben sollen über die Einnahmen der einzelnen Länder aus dem neuen Hochschulpakt und über die Verwendung der Mittel. "Hierzu gibt es eine sehr viel detailliertere Verständigung und Vorgaben, als dies noch im Hochschulpakt der Fall war. Wir setzen also gemeinsame Standards." Auch diese Berichte würden veröffentlicht, und alle sieben Jahre werde die Zukunftsvertrags-Vereinbarung durch den Wissenschaftsrat evaluiert – Punkte, auf die auch Bundesministerin Karliczek in ihrem ersten Pressestatement zur Rechnungshof-Kritik hingewiesen hatte. Durch die Evaluation, sagt Quante-Brandt, stellen Bund und Länder den "Erfolg der durchgeführten Maßnahmen (und) die Mechanismen auf den Prüfstand und prüfen die Auswirkungen des Zukunftsvertrages auf das Hochschulsystem". In Summe, sagt Quante-Brandt, enthalte die neue Bund-Länder-Vereinbarung "wesentliche Mechanismen, die der Bundesrechnungshof für den Hochschulpakt zu vermissen scheint".


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