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Der fromme Wunsch beim Hochschulpakt

Die Zahl der Studienanfänger soll weiter hoch bleiben. Zum Glück hat die Politik vorgesorgt. Aber die Lehrqualität wird so nicht besser.

ES GAB DA dieses Wort, das vor fast anderthalb Jahrzehnten durch die Schlagzeilen geisterte – damals, als Bund und Länder in die Verhandlungen um den ersten Hochschulpakt einstiegen. "Studentenberg", lautete es, und es transportierte eine bildungspolitische Selbsttäuschung: Ja, die Studienanfängerzahlen werden steigen durch ein paar geburtenstarke Jahrgänge und die Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre. Aber irgendwann wird die Bergspitze erklommen sein, und dann geht es wieder runter in die Ebene.

 

Ein paar Jahre später kursierte ein neuer Begriff: "Hochplateau". Die Studierendenzahlen bleiben hoch, besagte es, und zwar viel länger, als wir ursprünglich dachten. Weil mehr Menschen als früher sich für ein Studium statt für eine Ausbildung entscheiden. Aber irgendwann, ganz sicher, kommt doch der Abstieg, allein schon, weil weniger junge Menschen da sind.

 

Spätestens seit einer neuen Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK) von vergangener Woche sollte auch den letzten klar sein: Der Abstieg kommt nicht mehr. Nicht bis 2030 und vermutlich auch nicht danach. Jedes Jahr erwarten die Kultusminister über eine halbe Million Studienanfänger, bis auf 2025 und 2026, wo es (durch die Rückkehr zum Abi nach 13 Jahren) vorübergehend ein paar tausend Erstsemester weniger gibt. Aber selbst dann starten immer noch über 100.000 junge Leute mehr ins Studium als 2007.

 

Die Gründe, zusätzlich zu den bereits bekannten, sind vielfältig; unter anderem zieht Deutschland dauerhaft mehr internationale Studenten an, und – ebenso positiv – endlich, wenn auch weiter nur langsam, steigt auch der Anteil der Studienanfänger ohne Abitur.

 

Die Wissenschaftspolitik hat vorbildlich reagiert über die Jahre, indem sie den Hochschulpakt, ursprünglich als vorübergehende Kraftanstrengung gedacht, immer wieder verlängerte und, vor wenigen Wochen erst, endgültig auf Dauer stellte.

 

Die letzte verbliebene Illusion hat es
in den Zukunftsvertrag geschafft


Eine letzte Illusion ist freilich geblieben, und auch für sie haben Bildungspolitiker einst einen Namen kreirt: demografische Rendite. Wenn die Schüler- und Studentenzahlen irgendwann runtergehen, dann verbessert sich die Qualität der Lehre automatisch, solange wir Schulen und Hochschulen das Geld lassen. Nur kürzen dürfen wir nicht.

 

Sogar bis in den neuen Zukunftsvertrag hinein, der den Hochschulpakt ersetzt, lässt sich diese Argumentation von Spitzenpolitikern aus Bund und Ländern nachweisen: In den nächsten Jahren kann es an den Hochschulen dank unserer Unterstützung endlich auch um mehr Qualität als nur um Quantität in der Lehre gehen. Was sich als frommer Wunsch erweisen dürfte, solange die Studentenzahlen stabil bleiben und auch die Finanzierung des Zukunftsvertrags auf dem Level des alten Hochschulpakts verharrt. Es sei denn, auch die letzten Länder kommen ihrer Verantwortung nach und legen endlich bei ihren eigenen Hochschulbudgets kräftig etwas drauf.

 

All das soll und darf die Leistung der Wissenschaftspolitiker, die den Hochschulpakt entfristet haben, nicht schmälern. Aber es setzt die Dinge in Perspektive.

 

In Perspektive setzt es auch das monatelange Gezerre zwischen den Ländern um einen Finanz-Ausgleich im Zukunftsvertrag für die Stadtstaaten, allen voran Berlin.

 

Der Parameter-Mix, nach dem künftig die Pakt-Milliarden auf die Hochschulen verteilt werden, hebt, siehe oben, klar auf Qualität ab – zumindest auf das, was die Wissenschaftspolitik derzeit dafür hält. Je mehr Studenten sich in der Regelstudienzeit (plus zwei Semester) befinden und je mehr den Studienabschluss schaffen, desto besser. Die Zahl der Studienanfänger wird, anders als bislang, nur noch mit einem Fünftel des Geldes belohnt.

 

Gut, dass Berlin sich
durchgesetzt hat

 

Was zu enormen Verwerfungen geführt hätte: "Berliner Unis drohen Einbußen", titelte im März zum Beispiel der Tagesspiegel. Konkret: bis zu 60 Millionen pro Jahr – gegenüber 144 Millionen, die die Hauptstadt aktuell aus dem Hochschulpakt erhält. Eben weil Berlin im vergangenen Jahrzehnt besonders viele zusätzliche Studienanfänger aufgenommen hatte, ähnlich auch die anderen Stadtstaaten und Nordrhein-Westfalen.

 

Insofern müssen es stressige Wochen gewesen sein für Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) und seine Kollegen aus Hamburg und Bremen, als sie im Frühjahr den übrigen Ländern – und einem ebenfalls skeptischen Bund – einen Kompromiss abtrotzten. Aber auch erfolgreiche Wochen: Teil des Zukunftsvertrags ist jetzt, dass vor allem die Stadtstaaten von den westlichen Flächenländern 40 Millionen Euro Ausgleich im Jahr erhalten, wovon wiederum von 2023 an 30 Millionen nach Berlin gehen. Und vor allem NRW hat seinerseits durchgesetzt, dass die neuen Parameter die Verteilungslogik des alten Hochschulpakts erst allmählich ablösen, es also einen sanften Übergang gibt.

 

Nein, für Puristen müssen solche Lösungen eine Enttäuschung sein. Und so versprach das Bundesforschungsministerium auch gleich im Bundestags-Haushaltsausschuss, dass es auf Dauer "keine Sonderregelungen für Länder oder Ländergruppen" mehr geben werde, nach der Übergangszeit sei Schluss.

 

Doch zeigt die aktuelle KMK-Prognose eben auch: Der Bund kann wirklich froh sein, dass Krach und seine Kollegen Hauptnutznießer der Pauschalen sind. Ein Zukunftsvertrag ohne sie hätte in den nächsten Jahren zu einem enormen Studienplatz-Abbau genau dort geführt, wo die Nachfrage am höchsten ist. Und, wie die Vorausberechnung zeigt, bleiben wird.

 

Insofern wird man auch das BMBF-Versprechen im Ausschuss in einigen Jahren bestenfalls noch mit einem Lächeln quittieren. Und sich von der nächsten Illusion verabschieden.

 

Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will’s wissen" im Tagesspiegel. 

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Kommentare: 2
  • #1

    GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 04:45)

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  • #2

    GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 05:45)

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