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Wunsch nach Erneuerung

Auf der designierten DFG-Präsidentin Katja Becker ruhen jetzt viele Hoffnungen. Schafft sie es, die Modernisierungskrise der DFG zu bewältigen?

ES WAR DER WUNSCH nach Erneuerung. In jeder Hinsicht. Die Biochemikerin Katja Becker wird Peter Strohschneider als Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nachfolgen

 

Vor allem Unirektoren waren zuletzt nicht mehr zufrieden damit, wie die Dinge liefen bei "ihrer" DFG, die sich so gern als Selbstorganisation der Wissenschaft präsentiert. Zu abgehoben, zu politiknah agiere die Führung unter Strohschneider. Als die Ex-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek im vergangenen November gehen musste, reichte der Ärger über die vermeintliche Intransparenz des Vorgangs dann bis in die Ministerbüros hinein. Und die Reform der anstehenden Fachkollegienwahl brachte Fachgesellschaften und Fakultätentage auf die Barrikaden. Sie sahen sich gegenüber den Hochschulleitungen benachteiligt.

 

Es wäre nicht fair, für die Modernisierungskrise, in der die DFG steckt, allein ihren amtierenden Präsidenten verantwortlich zu machen. Eine solche Darstellung wäre auch insofern zu einfach, weil Becker selbst als Vizepräsidentin schon seit 2014 zur (erweiterten) DFG-Führung zählt. Doch wirkte das Präsidium zuletzt alles Andere als homogen und im Gezerre zwischen Bewahrern und Erneuerern gefangen. 

 

Auf Becker ruhen jetzt viele Hoffnungen. Schafft sie es, die DFG mit ihren Mitgliedern und der Wissenschaft, vor allem aber mit ihrem eigenen Wachstum versöhnen? Denn die gegenwärtige Krise liegt auch in ihrem enorm gewachsenen Budget begründet: rund eine Milliarde mehr in zehn Jahren. Die Politik gibt mehr Geld und verlangt dafür, oft sehr subtil, mehr Mitsprache. Das viele Geld muss über immer mehr Gutachter auf immer mehr Projekte verteilt werden, was die Gutachterauswahl an Grenzen stoßen lässt genau wie die sinnhafte Evaluation der Forschungsqualität. Bei all dem wirkte die DFG als Organisation schwerfällig, ihr Förderpolitik nutzte dem Mainstream oft mehr, als dass sie den Mut zur Innovation unterstützte. Weil ihren Förderinstrumenten selbst die Innovation fehlte.  

 

Kommt nach einem Mann des Wortes
nun eine Frau der Tat?

 

Nach einem Mann des Wortes, als welcher der brillante, aber gelegentlich überdrehende Redner Strohschneider gilt, wünschten sich die DFG-Mitglieder jetzt offenbar eine Frau der Tat. Eine, die als ehemalige Gießener Uni-Vizepräsidentin Führungserfahrung hat, die die DFG kennt und gleichzeitig weit weg ist von den Männer-Netzwerken, die große Teile der deutschen Wissenschaftslandschaft immer noch unter sich ausmachen. Ein wenig mag sich so auch ihr deutlicher Vorsprung vor Beckers Mitkandidaten Wolfgang Marquardt erklären, dem hochgeachteten Chef des Forschungszentrums Jülich, auch wenn der persönlich als uneitler Pragmatiker bekannt ist.  

 

Die größte Gefahr für Becker ist, dass die Erwartungen jetzt überbordend werden. Als erste Frau an der Spitze der DFG und einzige Frau unter den Chefs der fünf größten Wissenschaftsorganisationen wird ihre Wahl schon jetzt als "Revolution" gefeiert, als "Aufbruch", als "Riesenchance". Nicht nur für die DFG, nein für die Wissenschaft insgesamt. Es zeichnet Becker aus, dass sie abgeklärt genug ist, um mit all dem umgehen zu können. Und dann trotzdem richtig anzupacken. 

 

Dieser Kommentar erschien heute zunächst im ZEITChancen Brief. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Achim Meyer auf der Heyde (Donnerstag, 04 Juli 2019 14:49)

    Ist mir schon gestern in der Kommentierung aufgefallen - daher zur Erinnerung: an der Spitze des Wissenschaftsrats steht mit Prof. Martina Brockmeier auch eine Frau!

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 04 Juli 2019 14:55)

    Lieber Herr Meyer auf der Heyde,

    das ist richtig, allerdings ist der Wissenschaftsrat keine der fünf PFI-Organisationen, den Schwergewichten der Forschung bzw. Forschungsförderung, und um die ging es den meisten Kommentatoren. Unter den Allianz-Organisationen, zu denen auch der Wissenschaftsrat zählt, hat auch der DAAD derzeit eine Präsidentin.

    Beste Grüße
    Ihr Jan-Martin Wiarda