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ExStra-Finale: Wie kommen eigentlich die Entscheidungen zustande?

39 Wissenschaftler, 17 Wissenschaftsminister, zwei Gremien und ein Ampelsystem: ein Überblick über ein ausgeklügeltes Auswahlverfahren.

VOM HEUTIGEN DIENSTAG AN an sitzen sie zusammen: die 39 Wissenschaftler, viele davon von ausländischen Universitäten, die das sogenannte Expertengremium der Exzellenzstrategie bilden. 

 

Sie waren auch von Februar bis April dabei, als alle 19 Exzellenzuniversitäts-Bewerber nacheinander von international zusammengesetzten Gutachtergruppen besucht wurden. Nach dem immer gleichen Verfahren haben die Gutachter jeweils zwei Tage lang Präsentationen der Hochschulleitungen und der am Antrag beteiligten Wissenschaftler angehört, sie haben Fragen zu den Anträgen gestellt, und am Ende des zweiten Tages haben sie eine so genannte Evaluation Summary verfasst, eine englischsprachige Bewertung, so wie die ganze Begehung auf Englisch stattfand. Die Summary orientierte sich an den zu Beginn der "ExStra" vom Expertengremium festgelegten Kriterien, sie durfte nach der Begehung nicht mehr verändert werden und ist, wenn man so möchte, das entscheidende Dokument, das über Wohl und Wehe eines Antrages entscheidet.

 

19 Evaluation Summaries
und 19 Begutachtungsberichte

 

Die Geschäftsstelle Wissenschaftsrates, das die zweite ExStra-Förderlinie administriert (bei den Clustern war die Deutsche Forschungsgemeinschaft zuständig), hat aus der Summary dann einen deutschsprachigen Bericht formuliert, zusammen mit den jeweils vier Mitgliedern des Expertengremiums, die pro Begehung dabei waren. 

 

19 Evaluation Summaries, 19 Begutachtungsberichte: Sie gingen vor einigen Wochen an alle Mitglieder des Expertengremiums und auch an alle zuständigen Wissenschaftsminister von Bund und Ländern. Wodurch das Verfahren hochgradig transparent ist: Alle, die am Ende zu entscheiden haben, wissen dasselbe. 



Wenn die 39 Wissenschaftler des Expertengremiums nun heute zusammenkommen, legen sie alle Summaries und Berichte nebeneinander. Sie werden diskutieren und abwägen und am Ende voraussichtlich eine Liste nach dem Ampelsystem erstellen. So war es zumindest bislang immer, weil die Ampeln es so schön plakativ für die Politik machen. Rot bedeutet: Diesen Antrag empfehlen wir nicht zur Förderung. Grün heißt: Dieses Konzept sollte auf jeden Fall Berücksichtigung finden. Und gelb signalisiert: Hier könnte man so oder so entscheiden.

 

Die Förderempfehlungen – sprich: voraussichtlich die Ampeln – sind am Donnerstagabend fertig und geht an die Wissenschaftsminister. Dann beginnt die letzte Stufe des Entscheidungsprozesses: Am Freitagfrüh treffen die 39 Mitglieder des Expertengremiums auf Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und ihre 16 Länderkollegen. Alle zusammen, Wissenschaftler und Politiker, ergeben die "Exzellenzkommission", und die beschließt endgültig, wer Exzellenzuniversität wird und wer nicht.

 

Noch schärfere Regeln als

bei den Exzellenzclustern

 

Hier gelten gegenüber der Entscheidung über die Exzellenzcluster im vergangenen September nochmal verschärfte Spielregeln. Sie werden vorgegeben durch die am 19. Oktober 2016 zwischen Bund und Ländern geschlossene Verwaltungsvereinbarung zur Exzellenzstrategie. Deren Paragraph 2, Absatz 5 bestimmt: Um Exzellenzuniversität zu werden, braucht ein Standort die einfache Mehrheit der Wissenschaftlerstimmen (also mindestens 20, wenn alle da sind und keiner sich enthält) und 25 Stimmen der Politik. Hierzu muss man wissen, dass die Wissenschaftsminister insgesamt 32 Stimmen haben, eines für jedes Bundesland und 16 für den Bund. Was heißt: Wenn der Bund nicht zustimmt, geht gar nichts. Und auch mindestens neun Bundesländer müssen für einen Vorschlag sein. 

 

Bei den Exzellenzclustern reichte noch eine einfache Mehrheit in der Exzellenzkommission insgesamt, womit theoretisch Entscheidungen gegen die Mehrheit der Wissenschaftler, gegen die Stimmen der Länder oder die des Bundes möglich gewesen wären. Tatsächlich gab es nach der Exzellenzcluster-Auswahl Streit zwischen den SPD-regierten Ländern und Karliczeks Ministerium: Die Bundesforschungsministerin habe zusätzliche Cluster durchgedrückt, so lautete der Vorwurf. Wobei die Bundesforschungsministerin immer betonte, dass keine Entscheidung gegen die Mehrheit der Wissenschaftler gefallen sei. 

 

Am Freitag wird es also spannend: Wie viele grüne Ampeln präsentieren die Wissenschaftler der Politik? Und wie viele rote? Da die ExStra-Verwaltungsvereinbarung festlegt, dass es maximal elf Exzellenzuniversitäten geben darf, ist die Frage hochbrisant. Denn es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass die Politik keine roten Ampeln auf Grün stellt, also das Votum der Wissenschaft aufhebt. Woraus folgt: Je näher die Zahl der grünen Ampeln der Elf kommt und je mehr der übrigen Anträge von den Wissenschaftlern als Rot bewertet werden, desto kleiner wird Entscheidungsspielraum der Politik. 

Und die will, und, wie man angesichts der ExStra-Verwaltungsvereinbarung sieht, die SOLL auch etwas mitzureden haben, um der Exuni-Auswahl die größtmögliche Akzeptanz zu geben. Das wissen auch die Wissenschaftler, und werden deshalb voraussichtlich einen Balanceakt versuchen: so viel wie möglich vorab festzulegen und der Politik trotzdem etwas zum Entscheiden zu lassen. 

 

Theoretisch könnte es auch

weniger als elf Sieger geben

 

Theoretisch könnten auch weniger als elf Bewerber zu Exzellenzuniversitäten gekürt werden, denn die Verwaltungsvereinbarung fordert elf "Förderfälle" explizit nur "bei Erfolg im wettbewerblichen Verfahren". Eine geringere Zahl als elf hätte den Vorteil, dass die siegreichen Bewerber vermutlich die gesamte Fördersumme erhalten würden, die sie beantragt haben. Sollte es dagegen elf Gewinner geben, ist davon auszugehen, dass alle etwas weniger erhalten, weil es für die gesamte Förderlinie nur 148 Millionen Euro pro Jahr geben soll. 

 

Allerdings wird die Versuchung der Politik, wenn es schon elfmal den begehrten Titel gibt, ihn auch elfmal zu vergeben, groß sein. Wenn denn die Wissenschaft – siehe die Ampeln – sie lässt. 

 

Fest steht: Am Freitag um 16 Uhr müssen Wissenschaftler und Wissenschaftspolitiker durch sein. Denn dann beginnt sie, die Pressekonferenz, auf die an den 19 Bewerber-Standorten so atemlos gewartet wird. Dann nehmen im Bonner Wissenschaftszentrum, vor den anwesenden Journalisten und den kurz zuvor eingeschalteten Webkameras, die Spitzen der deutschen Wissenschaftsadministration Platz: Bundesministerin Karliczek, die Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Martina Brockmeier, DFG-Präsident Peter Strohschneider und Bremens scheidende Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD). Sie verkünden die Gewinner, zollen den Verlierern ihren Respekt – und setzen den Schlusspunkt nach drei Jahren Exzellenzwettbewerb. 

 

Und auch wenn es Exzellenzuniversitäten schon bislang gab, ist es diesmal doch ein ganz besonderer Termin: Die alte Exzellenzinitiative war ein befristetes Projekt, die neue Exzellenzstrategie läuft auf Dauer. Das heißt: Wer am Freitag Exzellenzuniversität wird, bleibt das mindestens für sieben Jahre, aber potenziell viel länger. Denn 2026 müssen die Exzellenzuniversitäten keine neuen Konzepte zur Begutachtung einreichen. Allerdings müssen sie in der neuen Wettbewerbsrunde, die dann stattfindet, wieder mindestens zwei erfolgreiche Cluster-Anträge durchbringen, wobei sowohl eine Verlängerung der bestehenden Verbünde als auch Neuanträge möglich sind. Außerdem müssen sich die Exzellenzuniversitäten einer Evaluation stellen: Sind sie den Zielen, die sie versprochen haben, näher gekommen? Verdienen sie die weitere Förderung? Es entscheiden: Das Expertengremium. Und die Exzellenzkommission.


Wer im Rennen ist

Insgesamt durften nach der Cluster-Verteilung noch 17 Universitäten auf den Titel Exzellenzuniversität hoffen: Kiel, Hamburg, Bochum, Bonn, Aachen, Köln, Dresden, TU München, LMU München, Tübingen, Konstanz, Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Stuttgart, Münster und Braunschweig. Dazu kommt der Berliner Verbund aus drei Universitäten (plus Charité) – und das Hannoveraner Duo aus Uni und Medizinischer Hochschule. Also insgesamt 19, wie das in der ExStra-Sprache heißt, potenzielle "Förderfälle". Maximal elf von ihnen erhalten für die nächsten sieben Jahre zwischen 10 und 15 Millionen Euro pro Jahr, Universitätsverbünde bekommen zwischen 15 und 28 Millionen Euro jährlich bewilligt. Insgesamt stehen für die Förderlinie "Exzellenzuniversitäten" 148 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, wovon der Bund 75 Prozent und die jeweiligen Länder 25 Prozent zahlen.

 

Einige Länder haben bereits angekündigt, dass sie die Konzepte ihrer Bewerber in jedem Fall fördern wollen. Die Berliner Landesregierung zum Beispiel will ihren Verbund "Berlin University Alliance" mit mindestens sechs Millionen Euro pro Jahr unterstützen, wie der Tagesspiegel am Wochenende berichtete – und zwar unabhängig vom Erfolg in der Exzellenzstrategie. Sollte der Berliner Antrag durchkommen, würde das Land die Kofinanzierung dafür noch obendrauf legen. Von den sechs bereits jetzt versprochenen Millionen pro Jahr sollen zwei in Spitzenberufungen gehen und vier Millionen an Forschungsvorhaben zu "Grand Challenges" etwa zu Klima und sozialem Zusammenhalt.

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