· 

"Das Schließen der sozialen Schere beginnt bei der Verteilung der Bildungschancen"

Die linke Hochschulpolitikerin Nicole Gohlke fordert einen neuen Bildungsaufschwung und sagt, warum sie ihn von der Großen Koalition nicht erwartet: ein Gespräch über BAföG, Exzellenzstrategie und Stellenbefristungen.

Nicole Gohlke. Foto: Katja-Julia Fischer. 

Frau Gohlke, am 1. August ist die BAföG-Novelle in Kraft getreten, einen Tag später meldete das Statistische Bundesamt, dass die Zahl der BAföG-Empfänger unter den Studierenden auf ein Zehn-Jahres-Tief-Gefallen ist. Da kam die kräftige Erhöhung wohl zur rechten Zeit?

 

Die Entwicklung bei den Empfängerzahlen ist ja noch dramatischer, wenn man sie im Zusammenhang betrachtet. 2009 haben 25 Prozent weniger Menschen studiert als heute. Von einer BAföG-Erhöhung zur rechten Zeit redet darum nur die Bundesregierung. Was ich nicht begreife: dass der seit Jahren bestehende Trend, der überhaupt erst zu solchen Zahlen geführt hat, von der GroKo nicht längst als Alarmsignal wahrgenommen wird.

 

Was für ein Alarmsignal meinen Sie?

 

Dass die Union mit den Achseln zuckt, wundert mich nicht wirklich. Aber die Sozialdemokraten tun doch immer so, als sei das BAföG eines ihrer Leib- und Magenthemen. Ich erinnere mich, dass die SPD uns schon vor vier Jahren verkündet hat, dass jetzt endlich die Trendwende eingeleitet werde beim BAföG. Wir dagegen haben damals prognostiziert, dass die Empfänger-Zahlen im Sinkflug bleiben. Und Recht behalten. Und jetzt sag die SPD wieder, dass die Trendwende unmittelbar bevorstehe. Mal ehrlich: Da fehlt doch das Problembewusstsein. 

 

"Nirgendwo zeigt die GroKo ein den
Herausforderungen angemessenes Verhalten"

 

Das Problembewusstsein wofür?

 

Dass es nicht damit getan ist, an ein paar Schräubchen der Studienförderung zu drehen, sondern dass wir inzwischen ein Maß an sozialer Schieflage in unserem Bildungssystem, auch beim Zugang zu den Hochschulen, erreicht haben, das uns alle nervös machen sollte. Wir brauchen dringend einen neuen Bildungsauf-


NICOLE GOHLKE, 43, ist hochschul- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Fraktion der Linken im Bundestag. Dem Parlament gehört sie seit 2009 an. Die Münchnerin studierte Kommunikationswissenschaft und arbeitete nach dem Studium zunächst im Eventmanagement und in der Markt- und Meinungsforschung. Sie engagierte sich politisch in der WASG und seit 2007 in der Linken. Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde.


schwung, denn ganz besonders Schulen und Hochschulen, Bildung und Wissenschaft, werden in der Lage sein, den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken.  Das Schließen der sozialen Schere beginnt bei der Verteilung der Bildungschancen, der Kampf gegen demokratiefeindliche Tendenzen wird auch in Klassenzimmern und Hörsälen geführt. Wir brauchen den Beitrag der Forschung, um die großen gesellschaftlichen Aufgaben lösen zu können, von der Bewältigung des Klimawandels bis hin zu den Folgen von Verstädterung und einer alternden Gesellschaft, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Doch die Notwendigkeit, Schulen, Hochschulen und Wissenschaft zur Top-Priorität in 


unserem Land zu machen, spiegelt sich an keiner Stelle des aktuellen Regierungshandelns wider. Nirgendwo zeigt die GroKo ein den Herausforderungen angemessenes Verhalten. Das ist das Kernproblem dieser Regierung und von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. 

 

Vielleicht ja, weil die soziale Schieflage im Bildungssystem und die Unterfinanzierung von Schulen und Hochschulen am Ende doch nur eine Minderheit der Leute wirklich interessieren?

 

Wieso? Das Bewusstsein in der Bevölkerung ist doch da. Wenn man die Leute im Vorfeld von Wahlen, ob für den Bundestag, die Landtage oder in den Kommunen, fragt, was für sie die wichtigsten Themen sind, was sie besonders umtreibt, stehen Bildung und Bildungspolitik immer ganz oben auf der Liste. Die Bundesregierung nimmt das aber offenbar nicht zur Kenntnis.

 

"Die Menschen sind das bis zum Exzess betriebene Pingpong-Spiel der Zuständigkeiten so leid"

 

Wie kommen Sie darauf? Erstmals investiert Deutschland drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung, es gibt milliardenschwere Bundesprogramme für die Digitalisierung der Schulen, für Kitas und Ganztag.  

 

Ja, aber das sind doch immer nur Nadelstiche. Fest steht: Die letzten drei Bundesbildungsministerinnen haben es nicht geschafft, der Bildung den politischen Stellenwert zu verschaffen, den sie verdient. Bei Anja Karliczek mag das an einer fehlenden Leidenschaft für das Thema liegen, vielleicht besitzt sie diese Leidenschaft aber auch und kann sich nur nicht durchsetzen innerhalb der Bundesregierung und der eigenen Partei. Ein Problem dabei ist auch die föderale Struktur, dieses ständige, bis zum Exzess betriebene Pingpong-Spiel der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, das die Menschen so leid sind. Die Menschen interessiert nicht, wer schuld ist, wenn in der Bildungspolitik wieder mal nichts zusammengeht, sie wollen einfach, dass es endlich besser wird. Eine moderne Bildungspolitik muss viel stärker vom Bund unterstützt und vorangetrieben werden. Nicht nur, weil dann mehr Geld ins System kommt, sondern auch, weil dann der Stellenwert von Bildung insgesamt steigt. 

 

Tatsächlich? Gerade noch haben Sie die BAföG-Erhöhung als unzureichend kritisiert. Dabei hat ausgerechnet bei der Studienförderung der Bund seit 2015 allein die Verantwortung übernommen. 

 

Ich gebe zu, nur nach dem Bund zu rufen, reicht nicht. Es kommt auch darauf an, wer im Bund die Verantwortung trägt. Und ob die Regierung ein Konzept, eine Strategie hat, die das Große und Ganze im Blick nimmt. Mir kommt es bei der GroKo so vor, als würde sie sich in jeder Legislaturperiode jeweils die zwei, drei Ecken vornehmen, an denen es in der Bildung am stärksten brennt, und ein bisschen Geld draufwerfen. Anstatt zu sagen: Wir verfolgen diese oder jene Vision für unsere Schulen und Hochschulen, und das sind die konkreten Schritte, mit denen wir sie erreichen wollen. Ich finde diese Art, Bildungspolitik auf Zuruf zu machen, total frustrierend. 

 

Sie haben vorhin gesagt: Die letztem drei Ministerinnen haben es nicht gebracht. Die Amtsinhaberin davor hieß Edelgard Bulmahn. 

 

Bei Frau Bulmahn tue ich mich in der Tat schwerer mit der Einschätzung, was zum einen daran liegt, dass sie schon nicht mehr im Amt war, als ich in den Bundestag eingezogen bin. Außerdem hat sie als Sozialdemokratin viele Reformen angeleiert, die ich nicht als sozialdemokratische Politik bezeichnen würde, von der Exzellenzinitiative bis zum Bildungssparen. Aber immerhin, und das kann und muss man Frau Bulmahn zugutehalten, gab es bei Rot-Grün noch ein gesellschaftliches Projekt, das man unterstützen oder an dem man sich reiben konnte. Sie können sich vorstellen, wie unsäglich ich persönlich diese ganze Agenda-2010-Kiste fand. Ich habe auch abgelehnt, wie Frau Bulmahn den von ihr proklamierte Bildungsaufbruch mit der neoliberalen Agenda verwoben hat, mit diesem ganzen Gerede von Eigenverantwortung und Spitzenförderung. Aber wie gesagt, immerhin gab es ein Momentum in der Politik, bei der das Thema Bildung eine zentrale Rolle spielte. Heute habe ich das Gefühl, die ganze Bildungs- und Wissenschaftspolitik ist nur noch ein Dahinplätschern ohne Richtung.  

 

Sie haben vorhin den seit Jahren bestehenden Trend zur immer mehr sozialen Selektivität kritisiert. Nicht alle werden Ihnen zustimmen, dass es den überhaupt so gibt. Nie haben so viele Menschen studiert wie heute, und dass so wenige Leute BAföG beziehen, könnte ja auch daran liegen, dass sich die finanzielle Lage vieler Familien durch den jahrlangen Wirtschaftsboom merklich verbessert hat. 

 

"Die Annahme, dass es den Leuten relativ gut geht,
deckt sich nicht mit der Alltagsrealität"

 

Wie Frau Karliczek es gern darstellt, ich weiß. Ich kann das so nicht unterschreiben. In den 70er und 80er Jahren konnte man tatsächlich beobachten, dass die soziale Selektivität zurückging. Doch der ab Mitte der 90er einsetzende marktförmige Umbau der Gesellschaft hat auch vor Schulen und Hochschulen nicht Halt gemacht. Die Leute sollten sich nicht in ihrer Hängematte ausruhen, hieß es. Sie sollten Eigenverantwortung zeigen. Doch ich frage: Wie soll ein Neunjähriger Eigenverantwortung zeigen, für den sich zum Beispiel in Bayern am Ende der vierten Klasse entscheidet, welchen Bildungsweg er einschlägt? Da geht es nicht um Eigenverantwortung, sondern um das Stadtviertel, in dem er aufwächst, und um den Bildungsstand seiner Eltern. Wir haben die vergangenen 15, 20 Jahre damit zugebracht, mühsam diese neoliberale Hegemonie gesellschaftlicher Diskurse zu brechen. Und wir haben immerhin erreicht, dass in der Wahrnehmung der meisten Menschen nicht mehr jeder allein selber schuld ist an seinem Erfolg und Misserfolg im Leben.  

 

Aber nochmal zum BAföG: Sind die niedrigen Empfängerzahlen automatisch ein Krisenzeichen – oder ein Zeichen für wachsenden Wohlstand?

 

Die Annahme, dass es den Menschen aktuell relativ gut geht, deckt sich nicht mit der Alltagsrealität, die einem in Städten wie München, wo ich zu Hause bin, begegnet. Die Arbeitslosigkeit ist zwar gesunken, aber die prekäre Beschäftigung hat zugenommen, schlecht bezahlte Arbeitsverträge, Teilzeit- und Zweitjobs. Menschen, von denen ich gedacht hätte, sie gehörten zur Mittelschicht, verlassen reihenweise die Stadt. Sie berichten mir, dass sie es sich nicht mehr leisten können, zwei Kindern ein Studium zu finanzieren. Einem vielleicht, aber nicht zwei. Ich rede hier nicht mehr vor den klassischen Industriearbeitern, die es ohnehin immer weniger gibt und die tatsächlich dank der früheren sozialdemokratischen Bildungspolitik einen beachtlichen Bildungsaufstieg hingelegt haben. Ich rede von Krankenschwestern, von Polizisten, sogar von Lehrern. Die exorbitanten Mieten lassen ihnen keine Luft mehr zum Atmen. Und all das bildet sich nicht im BAföG ab. Zu dessen Bezug sind die meisten der Betroffenen nämlich wegen angeblich zu hoher Einkommen gar nicht mehr berechtigt. 

 

Da spricht die Münchnerin.

 

Aber die Situation in anderen großen Städten wie Frankfurt, Stuttgart, Berlin oder Hamburg ist davon nicht mehr weit entfernt! Manchmal habe ich das Gefühl, Frau Karliczek hat sich mit den Lebensumständen von Menschen in der Großstadt nicht wirklich auseinandersetzt, deren Probleme kennt sie gar nicht. Und wenn sie dann sagt, das sei ja schade mit den hohen Mieten auch in den Hochschulstädten, doch ließen sich Probleme des Mietmarktes nun mal nicht übers BAföG kompensieren, dann finde ich das zynisch.

 

Aber sie hat doch Recht. Die Krise des Wohnungsmarktes hat ihre Ursachen nicht im Bildungssystem und kann deshalb auch nicht im Bildungssystem gelöst werden.

 

Theoretisch stimme ich zu. Aber was ich nicht in Ordnung finde: Die Union regiert seit 14 Jahren im Bund, sie hat es in den 14 Jahren nicht geschafft, der Mietpreisentwicklung Einhalt zu gebieten. Wenn man einerseits nicht in der Lage oder willens ist, den Mietenwahnsinn zu deckeln, andererseits aber so tut, als seien einem die Hände gebunden, und sagt, übers BAföG ließe sich das Problem für die Studierenden auch nicht lösen, dann finde ich das unredlich gegenüber den jungen Menschen. 

 

"Wir fordern einen Hochschulsozialpakt und 

ein Sofortprogramm für Wohnheimplätze"

 

Was fordern Sie konkret?

 

Wir fordern zum einen endlich ein bedarfsdeckendes BAföG, bei dem die Wohnpauschale die tatsächlichen Mietkosten abbildet. Und wir fordern einen Hochschulsozialpakt und als Teil davon ein sofortiges Sonderprogramm des Bundes: für die Instandsetzung der bestehenden Wohnheimplätze und den Bau von 50.000 zusätzlichen bei den Studierendenwerken. Der Bund muss jetzt in Vorleistung gehen, anstatt sich mit Hinweis auf seine föderalen Zuständigkeiten weiter aus der Affäre zu ziehen. 

 

Als am 19. Juli die Gewinner der Exzellenzstrategie gekürt wurden, haben Sie die Spielverderberin gespielt. Exzellenz bringe Exklusion, haben sie gesagt und: "Die heutige Entscheidung bedeutet einen weiteren Schritt zur Zweiteilung der deutschen Hochschullandschaft." Warum haben Sie sich nicht einfach mit den elf Gewinnern gefreut?

 

Moment. Gegen eine Exzellenzstrategie on top hätte ich gar nichts. Dann würde ich vielleicht sogar sagen, dass ein solcher Wettbewerb wichtige inhaltliche Anreize setzt. Aber in der chronisch unterfinanzierten Hochschullandschaft, die wir haben, in der immer neue Anforderungen an die Hochschulen herangetragen werden, ohne dass die Zuschüsse entsprechend steigen, sind die Folgen der Exzellenzförderung verheerend. Viele dieser Folgen beklagt ja nicht nur die Linke, sie wurden hochoffiziell von Dieter Imboden und seiner internationalen Expertenkommission konstatiert, die die Exzellenzinitiative evaluieren sollten.

 

Welche Folgen meinen Sie?

 

Vor allem den sich selbst reproduzierender Wettbewerb, der denen, die schon haben, immer mehr gibt, ohne dass es in erster Linie um Qualität geht. Die Förderung sogenannter Spitzenforschung, die sich zu Lasten der Lehre auswirkt, weil die besten Wissenschaftler in die Cluster gezogen werden und dann in den Hörsälen fehlen. Und die dann wieder von Mitarbeitern ersetzt werden müssen, die oft auf befristeten Stellen arbeiten. Überhaupt, das Befristungsunwesen, das der Exzellenz-Wettbewerb nicht ausgelöst, aber in neue Höhen gesteigert hat. Imboden und seine Kommission haben viele bedenkenswerte Punkte genannt, doch die Politik hat keinen einzigen davon aufgegriffen. Das Signal ist vielmehr: Die durch die Exzellenzinitiative ausgelösten Verwerfungen sind egal.  

 

"Viele Wissenschaftler leben mit der alltäglichen Misere
 – und dann werden die ExStra-Ergebnisse verkündet"

 

Unterschätzen Sie nicht die positiven Wirkungen des Wettbewerbs? Zum Beispiel gehört die Kür der Exzellenzuniversitäten zu den seltenen Anlässen, zu denen sich die Hochschulen auf den Titelseiten Tageszeitungen wiederfinden. Als Bund und Länder wenige Wochen vorher den neuen Hochschulpakt beschlossen haben und es um viermal so viel Geld ging wie bei der "ExStra", interessierte das außerhalb der Szene kaum jemand.

 

Ja, die Aufmerksamkeit für die Exzellenz-Wettbewerbe ist da, aber ich kann mit bestem Willen keine überbordende Begeisterung erkennen. Viele Wissenschaftler leben mit der alltäglichen Misere an den Hochschulen, und dann werden die ExStra-Ergebnisse verkündet, und sie sagen: Jetzt also auch das noch. Das ist die Reaktion bei den meisten. Natürlich erregt das ihre Aufmerksamkeit, wenn sie selbst sehen, wie beim Hochschulpakt geknausert wird und dann ein paar Wochen später große Batzen Geld für ein paar wenige Universitäten verteilt werden. Vielleicht sogar für die eigene Uni, aber womöglich führt das Geld nur dazu, dass sie noch mehr Arbeit haben. 

 

Überschätzen Sie das mit dem "großen Batzen Geld" nicht? 530 Millionen Euro für 57 Exzellenzcluster, zehn Exzellenzuniversitäten und einen Exzellenzverbund ist im internationalen Vergleich nicht eben viel.  

 

Ja, aber ich muss die Zahlen doch wieder ins richtige Verhältnis setzen. Die zwei Milliarden aus dem Hochschulpakt gehen an 200, 300 Hochschulen. Die 530 Millionen aus der Exzellenzstrategie zum ganz überwiegenden Teil an nur elf Gewinner. Außerdem kommt es in der Wissenschaftspolitik beileibe nicht oft vor, dass überhaupt Summen in dieser Größenordnung bewegt werden. Ich weiß noch, als wir mal ein Anreizprogram vorgeschlagen haben, um Mitarbeiterstellen an den Hochschulen im großen Stil zu entfristen, war der Aufschrei riesig: "Unglaublich! Realitätsfern! Verantwortungslos!" Was wir konkret gefordert hatten, waren eine Anschubfinanzierung zur Stellenentfristung, über zwei Jahre sollte sie laufen und 10.000 Euro pro Stelle umfassen. Das wären 200 Millionen Euro pro Jahr gewesen. Für ein Programm, das ein Viertel oder womöglich am Ende die Hälfte aller Stellen an den Hochschulen hätte verbessern können – mit einer vielfach größeren Hebelwirkung also als bei der Exzellenzstrategie. Manchmal glaube ich, vielen in der Wissenschaftspolitik ist das Gespür verloren gegangen für das, was die Menschen wirklich brauchen. 

 

Kritiker meinen, das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz sei der Quell des Übels und habe den hohen Anteil an befristeten Arbeitsverträgen in der Wissenschaft überhaupt erst ermöglicht. 

 

Was man sagen kann: Die Bundesregierung will offenbar gar nicht genau wissen, welche Folgen ihre Politik hat. Sie hat das Wissenschaftszeitvertragsgesetz novelliert, doch die versprochene Evaluation kommt zu spät und ist in ihrer Fragestellung viel zu begrenzt. Währenddessen höre ich erste Rückmeldungen etwa von der Universität des Saarlandes, denen zufolge die Befristungen kaum weniger werden. Als Linke fordern wir Ministerin Karliczek deshalb dringend auf, das Gesetz erneut nachzubessern, und zwar noch vor Ablauf dieser Legislaturperiode. Andernfalls gehen den Hochschulen weitere Generationen junger und talentierter Wissenschaftler verloren.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Thomas Höhmann (Donnerstag, 15 August 2019 10:07)

    In einem Punkt stimme ich zu: Die Beschäftugungssituation an den Hochschulen muss sich ändern. Es ist einfach unattraktiv für die Meisten, dort zu arbeiten. Langfristig ist das katastrophal, nicht bloß für die Hochschulen.

  • #2

    René Krempkow (Mittwoch, 21 August 2019 18:07)

    zum "seit Jahren bestehenden Trend zur immer mehr sozialen Selektivität", und "Nicht alle werden Ihnen zustimmen, dass es den überhaupt so gibt.":
    Ich denke, die regelmäßigen, vom DZHW Hannover durchgeführten Sozialerhebungen für das Deutsche Studentenwerk sprechen hier eine deutlich Sprache. Der Abstand zwischen Akademikerkindern und Nichtakademikerkindern beim Hochschulzugang ist über die letzten Jahre tendenziell größer geworden und hat sich auch nach der letzten Auswertung kaum verringert (siehe auch ZEIT-online-Interview: www.zeit.de/gesellschaft/2018-05/chancengleichheit-herkunft-elternhaus-universitaet-akademikerfamilie).

    Und die soziale Selektion hört an der Schwelle zur Hochschule ja keineswegs auf, wie eine Studie des Stifterverbandes zeigte (siehe Artikel in www.zeit.de/2017/22/soziale-herkunft-eltern-bildung-studium)
    Auch in dem o.g. Interview heißt es: "Selbst bei Habilitierten können wir noch nachweisen, dass solche aus höheren Schichten es leichter auf eine Professur schaffen."
    Zum letzterem Aspekt gibt es zudem weitere, neuere Studien, welche zeigen, dass der Zugang zur Professur insgesamt in Deutschland inzwischen deutlich sozial selektiver ist als in früheren Jahrzehnten und zuletzt so sozial selektiv wie nie in letzten 50 Jahren. Besonders stark ist die soziale Selektivität jüngerer Studien zufolge übrigens bei Juniorprofessuren (Überblick zu den jüngsten Studien in: www.researchgate.net/publication/333163357).