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Hoffen auf die letzten 25 Prozent

Heute wird der Bundestag voraussichtlich einem Großteil der Helmholtz-Zentren die Haushaltssperre aufheben. Allerdings droht  für 2020 die nächste Sperre. Und der Bundesrechnungshof macht auch schon wieder Druck auf Deutschlands größte Forschungsorganisation.

DEN MITGLIEDERN DER Helmholtz-Gemeinschaft droht weiter Ungemach. Zwar hat der Haushaltsausschuss des Bundestags anders als in einigen Zeitungen berichtet noch keine Entscheidung getroffen. Doch es zeichnet sich ab: Auch nächstes Jahr könnten die Zentren einen beträchtlichen Teil ihres Budgets vorläufig gesperrt bekommen.

 

Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist bereits vorgesehen, dass 25 Prozent der Betriebsmittel auch 2020 erst bewilligt werden sollen, sobald die Zentren nachweisen können, dass sie die ersten 75 Prozent ausgegeben haben. Der Haushaltsausschuss selbst hat sich zu einer Verlängerung der Sperre allerdings noch nicht geäußert, er müsste sie dem Bundestag vorschlagen.  

 

"Zunächst steht aber die Entsperrung von den Zentren an, die die Mittel soweit bereits ausgegeben haben bzw. bald ausgegeben haben werden", sagt der SPD-Haushaltspolitiker Swen Schulz. Über eine neue Sperre entschieden werden müsse spätestens in der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Mitte November. 

 

Die Sperre der Betriebsmittel soll die Zentren zwingen, ihre sogenannten Selbstbewirtschaftungsmittel abzubauen – also Geld auszugeben, das sie aus den Vorjahren noch im Budget stehen haben. Der Vorwurf: Die Zentren haben so viel Geld, dass sie mit dem Ausgeben nicht hinterherkommen und Steuermittel in Milliardenhöhe vor sich herschieben.

 

Bei vier Zentren wurde die Sperre schon
aufgehoben, acht weitere könnten diese Woche folgen

 

Nach Angaben der Helmholtz-Gemeinschaft hatte das zuständige Bundesforschungsministerium bereits im Frühsommer für vier der 17 betroffenen Zentren beim Haushaltsausschuss die Aufhebung der Sperre beantragt – "und diese wurden auch erteilt." Über den Sommer seien sukzessiv weitere Anträge auf Entsperrung gestellt worden. "Wir sind derzeit optimistisch, dass ein Großteil der Helmholtz-Zentren die Voraussetzungen für eine Entsperrung erfüllen wird", sagte Helmholtz-Sprecher Roland Koch.

 

Die vier Zentren, die bereits über die restlichen 25 Prozent der Betriebsmittel für 2019 verfügen dürfen, sind dem Vernehmen nach das Hamburger DESY, das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg, das Helmholtz-Zentrum München und das mit Helmholtz assoziierte Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. 

 

In ihrer heutigen Sitzung werden die Mitglieder des Bundestags-Haushaltsausschusses die Anträge im Namen von acht weiteren Helmholtz-Zentren behandeln und voraussichtlich auch der Entsperrung ihrer Mittel zustimmen. Mit dem Forschungszentrum Jülich und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind zwei der größten Helmholtz-Einrichtungen darunter, außerdem das Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, das Helmholtz-Zentrum Potsdam (GFZ), das Helmholtz-Zentrum Berlin, das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin. Diese acht haben nachweisen können, dass sie die 75-Prozent-Quote bei den Betriebsmitteln erreicht haben oder kurz davor stehen. 

 

Die Anträge für zwei Einrichtungen (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und Helmholtz-Zentrum Geesthacht) werden heute noch nicht entschieden, bei ihnen ist also offen, ob und wann entsperrt wird. Drei Zentren, so heißt es, werden die Kriterien für die Aufhebung der Sperre voraussichtlich nicht erreichen: das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. 

 

"Wir machen sehr gute Erfahrung" mit der
Sperre, sagt der CDU-Chefhaushälter

 

Nicht betroffen von der 2019er-Sperre waren von Anfang an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das sich im Zuständigkeitsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums befindet, und das zum 1. Januar 2019 in die Gemeinschaft aufgenommene Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (CISPA).

 

Was aber hat die Sperre denn nun gebracht? Eine Bewertung ihrer konkreten Auswirkungen sei noch nicht möglich, betont Helmholtz-Sprecher Koch, "da noch nicht feststeht, an welchen Zentren die Sperren nicht aufgehoben werden." Klingt angesichts der oben gemachten Aufzählung ein bisschen nach Ausweichen.

 

Eine Frage stellt sich jedenfalls: Wenn die große Mehrheit der Helmholtz-Zentren so, wie es aussieht, die Auflagen der Sperre erfüllt haben – sollte das nicht Anlass für den Haushaltsausschuss sein, zumindest sie aus der Bewährung zu entlassen und entgegen dem Haushaltsentwurf die Betriebsmittel im kommenden Jahr von Anfang an wieder zu 100 Prozent freizugeben? Man kann aber natürlich auch anders herum argumentieren: Gerade weil die Sperre dieses Jahr so gut funktioniert hat, wiederholt man sie im nächsten Jahr. "Wir machen sehr gute Erfahrung damit", heißt es aus dem Büro von CDU-/CSU-Chefhaushälter Eckhardt Rehberg. Darum solle die Sperre wie im Regierungsentwurf vorgesehen auch 2020 bestehen bleiben.

 

Letzteres scheint im Haushaltsausschuss die verbreitete Auffassung zu sein. Klar scheint bereits, dass die anderen Forschungsorganisationen von Max Planck bis zur Leibniz-Gemeinschaft und auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft auch 2020 keine Sperre fürchten müssen. Eine Ausweitung sei nicht geplant, lässt Eckardt Rehberg mitteilen. Vergangenes Jahr hatte er noch laut überlegt, sollte die Sperre sich als erfolgreich erweisen, könne man sie unter Umständen auf andere Organisationen mit hohen Rücklagen ausweiten. 

 

Der Bundesrechnungshof übt schwere Kritik
an der Helmholtz-Geschäftsstelle

 

So bleibt das Misstrauensvotum der Haushaltspolitiker vor allem Helmholtz gegenüber. Dass sie Deutschlands größte Forschungsorganisation weiter auf dem Kieker haben, hängt auch mit einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes zusammen, der bereits Ende Juni dem Parlament überstellt worden ist. Darin wird die Helmholtz-Gemeinschaft für die Ausrichtung ihres sogenannten Impuls- und Vernetzungsfonds kritisiert. Für diesen Fonds, "das strategische Instrument des Präsidenten zur Weiterentwicklung der Helmholtz-Gemeinschaft" (Bundesrechnungshof), müssen alle Zentren einen festen Beitrag aus ihren Budgets leisten. 

 

In den Jahren 2003 bis 2018 habe Helmholtz aus dem Fonds Fördermittel in Höhe von 905 Millionen Euro ausbezahlt, berichten die Prüfer und befinden: Dass die Helmholtz-Geschäftsstelle rund die Hälfte dieser Mittel für Vorhaben genutzt habe, die länger als fünf Jahre dauern, stehe "nicht im Einklang mit dem Verwendungszweck des Fonds", der nicht zur dauerhaften Förderungen einzelner Initiativen und Institute vorgesehen sei.

 

Zudem habe die Geschäftsstelle aus dem Fonds ohne die Einwilligung der Zuwendungsgeber aus Bund und Ländern Einrichtungen gefördert, die eigentlich gar nicht dafür in Frage kämen, darunter auch einige im Ausland. Auch wisse die Geschäftsstelle nicht vollständig, was genau die Zentren mit den ihnen zugestandenen Fondsgeldern gemacht hätten, an wen sie welche Summen ausgezahlt hätten.

 

Am schwersten wiegt aber wohl dieser Vorwurf: Bei der Verwaltung der Fördermittel habe Helmholtz "wesentliche Regelungen der Vereinbarung mit dem BMBF nicht umgesetzt, die auf eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung gerichtet sind." Die Geschäftsstelle habe durchgehend auf Beleglisten und vertiefte Prüfungen der Verwendungsnachweise verzichtet. Darüber hinaus verfüge die Geschäftsstelle "nicht über ein strukturiertes Qualitätsmanagement" und eine unzureichende IT-Struktur, was die Gefahr berge, dass Daten manipuliert werden könnten.

 

Helmholtz weist die Vorwürfe teilweise zurück
und lobt an anderer Stelle Besserung

 

Die Helmholtz-Gemeinschaft weist die Vorwürfe teilweise zurück. "Wir haben den Eindruck, dass hier sehr weitreichende Schlüsse aus einer Momentaufnahme gezogen worden sind", sagt Helmholtz-Geschäftsführerin Franziska Broer zu dem Vorwurf, Fonds-Mittel seien für zu langfristige Projektfinanzierungen eingesetzt worden. Für Laufzeiten von fünf und mehr Jahren gebe es sehr gute und nachvollziehbare Gründe. Und: Die durchschnittliche tatsächliche Projektlaufzeit habe zuletzt zwischen 3,6 und 4,2 Jahren rangiert. 

 

Dass Einrichtungen gefördert worden seien, die eigentlich gar nicht in Frage gekommen , bestätigt Helmholtz "insofern, dass sie sich in ihrer Langfristigkeit von den anderen Maßnahmen unterscheiden." Präsident Otmar Wiestler sagt: "Hier handelt es sich insbesondere um die Initiative Haus der Kleinen Forscher, die sich zwar in der Tat von dem üblichen Förderschema des Fonds abhebt, aber andererseits etwas unzweifelhaft Positives ist und durch die permanente Weiterentwicklung immer wieder mit neuen Konzepten die Förderung erneut und zeitlich begrenzt einwirbt." Das hätten auch Bund und Länder bislang so gesehen und ihre ausdrückliche Einwilligung dazu erteilt.

 

Dass die Prüfer die Forschungskooperationen mit ausländischen Partnern problematisieren, bezeichnet Wiestler als eine "unangenehme Überraschung". Die Weiterleitung von Fondsmittel an ausländische Institutionen sei bereits in den vergangenen Jahren eingestellt worden. 

 

"Wir wissen, wer welche Fondsgelder wofür verwendet hat, denn dafür gibt es in jedem Projekt Verwendungsnachweise", bekräftigt unterdessen Hemholtz-Geschäftsführerin Broer. "Die sind übrigens auch nicht manipulierbar, denn sie kommen als Papier oder pdf." Recht habe der Rechnungshof, wenn er die IT-Infrastruktur der Fondsververwaltung als erneuerungsbedürftig kritisiere. "Hier werden wir ein adäquates IT-System einführen." Auch an einer Reihe anderer Stellen hat Helmholtz schon in seiner Stellungnahme für den Rechnungshof Besserung gelobt.

 

Warum die Vorwürfe der Rechnungsprüfer zu
einfach sind und Helmholtz doch enorm schaden

 

Und schließlich eine wichtige Feststellung aus Sicht der Helmholtz-Präsidenten Wiestler: "Was der Bundesrechnungshof nicht in Frage stellt, ist der Impuls- und Vernetzungsfonds als solches in seiner Widmung, seinem Volumen und seinen Peer Review-Verfahren."

 

Der Rechnungshof folgert derweil, die strategische Ausrichtung und die Verwaltung des Fonds haben mit dem stetigen Mittelaufwuchs nicht Schritt gehalten. Womit er wieder bei einem seiner Kernvorwürfe an die Adresse von Helmholtz angekommen ist: Die Forschungsorganisation erhält so viel Geld, dass sie gar nicht mehr weiß, wie sie vernünftig damit umgehen soll. 

 

Ein hochpolitischer Vorwurf, den der Bundesrechnungshof freilich nicht immer gut belegt hat. Auch dass seine Prüfer sich immer wieder an den hohen Selbstbewirtschaftungsmitteln stören, die Helmholtz und – in geringeren Quantitäten – die übrigen Forschungsorganisationen wie eine "Bugwelle" vor sich herschöben, ist bei differenzierter Betrachtung ein wenig einfach. Denn das Wissenschaftsfreiheitsgesetz hat den Forschungsorganisationen ja gerade explizit erlaubt, Selbstbewirtschaftungsmittel von einem Jahr ins andere mitzunehmen, als ein Instrument moderner Wissenschaftsförderung. Doch finden mittlerweile auch viele Haushaltspolitiker der Regierungskoalition, dass Helmholtz es damit übertrieben habe: der Grund für die verhängte Sperre.

 

Der jüngste Prüfbericht des Bundesrechnungshofs hat zwar mit diesem Vorwurf nichts zu tun. Leichter macht er es der Helmholtz-Führung jedoch nicht, im Haushaltsausschuss für neues Vertrauen zu werben. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Elmar Neitzert (Donnerstag, 26 September 2019 10:55)

    Im laufenden Haushaltsjahr bezieht sich die Sperre auf die Betriebsmittel. Dies mit dem Ziel die noch vorhandenen Selbstbewirtschaftsmittel vorrangig abzubauen.

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 26 September 2019 10:58)

    Vielen Dank für die Anmerkung, lieber Herr Neitzert. Ich habe die Formulierung am Anfang entsprechend konkretisiert.

    Viele Grüße
    Ihr Jan-Martin Wiarda