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Die Hochschulen brauchen jetzt Klarheit

Das Geld für den Zukunftsvertrag ist längst zugesagt. Es soll auf Dauer fließen. Doch viele Beschäftigte auf Projektstellen hängen weiter in der Luft – und damit auch die gute Hochschullehre. Marco Winzker kommt das bekannt vor: ein Gastbeitrag.

Foto: moritz320 / pixabay - cco.

ES WAR DER 3. Mai 2019: Bund und Länder einigen sich auf die drei Pakte zur Wissenschaftsfinanzierung. Ein wichtiger Tag auch für mich persönlich: Seit Beginn des Qualitätspakt Lehre (QpL) bin ich dabei, habe 2010/11 mit den Gremien und der Hochschulleitung den Antrag unserer Hochschule erarbeitet, nach der Förderzusage wurde ich Projektleiter. Da war ich im Mai natürlich hocherfreut, dass von 2021 jährlich 3,76 Milliarden Euro fließen sollen.

 

Am 6. Juni wurde dann die Verwaltungsvereinbarung beschlossen, und auf der Webseite des BMBF steht ganz klar: "Im Zukunftsvertrag, der dauerhaft gilt, steht daher nicht mehr die Ausweitung der Studienkapazitäten, sondern die Qualität von Studium und Lehre im Mittelpunkt."


Marco Winzker ist Professor für Elektrotechnik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und leitet das Projekt der Hochschule im Qualitätspakt Lehre.  Seit 2010 gehört er zum ersten Jahrgang des Netzwerks Lehren.  Foto: privat.


Das passt ja wunderbar!, dachte ich: Eineinhalb Jahre, bevor der Qualitätspakt Lehre am 31. Dezember 2020 endet, hat die Politik gehandelt und die Rahmenbedingungen so rechtzeitig geschaffen, dass die im Qualitätspakt geschaffenen Strukturen zur Verbesserung der Hochschullehre erhalten bleiben.

 

Jetzt, ein halbes Jahr später, schlägt meine Freude allerdings so langsam in Skepsis um. Erinnerungen aus dem Jahr 2015 holen mich ein.

 

Es war der 6. November 2015: Ich bekomme vom Projektträger die E-Mail, dass unser Fortsetzungsantrag für die zweite Phase des 


Qualitätspakt Lehre bewilligt wurde. Super, denke ich, es geht weiter! Mehr als ein Jahr, bevor die erste Projektphase endet, kann unsere Hochschule planen, und die Kolleginnen und Kollegen aus unserem Projekt wissen, dass sie weiter beschäftigt werden.  

 

Aber dann fing die Uhr an zu ticken. Im Januar 2016 hatten wir letzte Nachfragen zu unserem Antrag beantwortet, es folgte monatelanges Warten. Im Juni 2016 kamen plötzlich nochmal Rückfragen des Projektträgers zu einzelnen Personalkosten, die wir umgehend beantworteten. Einen rechtsverbindlichen Förderbescheid erhielten wir im Gegenzug nicht. Im Sommer häuften sich dann die Fragen der befristet beschäftigten Personen, das Unverständnis wurde lauter: Die MitarbeiterInnen wollen wissen, warum sie trotz Projektzusage im November des Vorjahres noch keine Verlängerung ihrer befristeten Verträge erhalten hatten.

 

Vor der letzten Verlängerung mussten die
Beschäftigten
den Weg zum Arbeitsamt antreten

 

Anfang September 2016, drei Monate vor Ende des Beschäftigungsvertrags, mussten sie den Weg zum Arbeitsamt antreten. Am 28. September 2016, zehn Monate nach der Bewilligung unseres Antrages, kam dann endlich der rechtsverbindliche Förderbescheid, und die Hochschule konnte im Oktober 2016 die Verträge verlängern. Ein Happy-End? Nur wenn man die monatelange Unsicherheit verdrängt.

  

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will nicht über die Vergangenheit klagen, sondern mir geht es um die Zukunft. Auch jetzt haben wir die prinzipielle Förderzusage für den Zukunftsvertrag, und die Zeit vergeht, ohne dass etwas Sichtbares passiert. Ich als QpL-Projektleiter, aber vor allem die befristet beschäftigten Kolleginnen und Kollegen haben die Erwartung, dass Fakten geschaffen und sie über den aktuellen Stand informiert werden.

 

Zumal etwas Entscheidendes anders ist als 2015: Diesmal steht das Geld nicht allein für den Qualitätspakt Lehre zur Verfügung, sondern die Mittel aus dem Zukunftsvertrag sollen sowohl Quantität (Hochschulpakt) als auch Qualität (QpL) fördern. HRK-Präsident Peter-André Alt berichtete neulich im Interview, einige Länder versuchen "die eigene Kofinanzierung möglichst gering zu halten". Wie wird da die Aufteilung sein? Können wir die Maßnahmen des Qualitätspakt Lehre überhaupt weiterführen?

 

Was auf dem
Spiel steht

 

Der Qualitätspakt Lehre hat viel bewirkt. Bei uns an der Hochschule haben wir Studierwerkstätten eingerichtet, ein Lehrformat zum begleiteten Selbststudium für Bachelor-Studierende im ersten Studienjahr. In allen Studiengängen gehen Lehrveranstaltungen zur projektbasierten Lehre über, in MINT-Studiengängen genauso wie in der BWL, wo Studierende sich Inhalte selbst erarbeiten und als Buch veröffentlichen. Und die Unterstützung zum wissenschaftlichen Schreiben wird so stark nachgefragt, dass wir in der zweiten Projektphase dafür eine weitere Stelle eingerichtet haben. Dazu Brückenkurse, Tutorien, hochschuldidaktische Weiterbildung und noch einiges mehr.

 

Studierende nutzen und schätzen die Unterstützung. Dies gilt in der Breite, wenn Studierende durch Projekte theoretische Inhalte besser verstehen. Und es gilt im Einzelfall, wenn Zeit für persönliche Beratung vorhanden ist, um individuelle Hindernisse beim Studienstart zu überwinden. Wir konnten in den vergangenen Jahren vielen Studierenden helfen, die dadurch letztendlich ihr Studium geschafft haben, oftmals mit sehr guten Noten. Externe Evaluation bestätigt die positive Wirkung, und als weiteren Beleg gab es 2018 den Ars legendi Fakultätenpreis Chemie für die Studierwerkstatt.

 

Was jetzt
passieren sollte

 

Gute Lehre braucht aber verlässliche Bedingungen. Für die Hochschulen ist es darum essentiell wichtig, Anfang 2020 zu wissen, über wie viel unbefristetes Budget sie vom 1. Januar 2021 verfügen werden. Die Gesamtfördersumme steht doch seit einem halben Jahr fest, und es gibt Kriterien für die Verteilung auf die Länder. Es muss doch möglich sein, dass auf die einzelnen Hochschulen herunterzurechnen. Vielleicht muss man nach Hochschultyp differenzieren und zur Vermeidung von Härten noch etwas justieren, aber das sollte bei gutem Willen in einem halben, Dreivierteljahr machbar sein.

 

Für NRW hat Ministerin Pfeiffer-Poensgen bislang einen Betrag von gut 50 Millionen Euro angekündigt, der aus dem Länderanteil des Zukunftsvertrags stammen soll. Allerdings hat NRW einen Anteil von 27 Prozent der deutschen Studierenden. Die Verteilung der 3,76 Milliarden Euro berücksichtigt etwas andere Parameter, aber als grobe Schätzung ergeben sich damit etwa eine Milliarde Euro aus dem Zukunftsvertrag, wovon die bislang versprochenen 50 Millionen nur einen Bruchteil ausmachen.

 

Als weiteren offenen Punkt nannte HRK-Präsident Alt in seinem jüngsten Interview die Verpflichtungserklärungen, die die Länder für den Zukunftsvertrag abgeben müssen. Auch hier liefert die Verwaltungsvereinbarung eine gute Vorlage. Die Anlage nennt etliche Maßnahmen und Indikatoren, die in den Erklärungen adressiert werden sollen und die nach meiner Meinung gut ausgewählt sind. In vielen dieser Maßnahmen erkenne ich die Erfahrungen aus dem Qualitätspakt Lehre wieder. Die Länder können, wenn gewünscht, noch Prioritäten setzen oder einzelne Maßnahmen ausklammern, aber auch das sollte eigentlich kurzfristig möglich sein. Auch eine Balance zwischen Quantität und Qualität kann man rationalerweise in einem vernünftigen Zeitraum finden. Oder verstehe ich etwas komplett falsch?

 

Was ich verstehe: Wenn wir im Sommersemester keine Klarheit haben, sehe ich die Weiterführung der Maßnahmen des Qualitätspakt Lehre gefährdet. Das wäre ein schwerer Rückschlag und eine nachhaltige Demotivation für alle, die sich für die Qualität der Lehre einsetzen. Ein schwerer Rückschlag wäre es auch für die Studierenden, wenn viele unterstützende Lehrangebote und Betreuungsmaßnahmen entfallen müssten.

 

Das wäre doch ein wirklicher "Zukunftsvertrag" für alle, die seit Jahren "Studium und Lehre stärken": Wenn sie mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag in unbeschwerte Sommerferien gehen könnten. Das Geld ist doch zugesagt.


Kommentare: 7
  • #7

    Martin Lommel (Donnerstag, 05 Dezember 2019 08:28)

    Herzlichen Dank! Du sprichst wahrscheinlich vielen aus der Seele und auch ich stimme Dir zu. Das nächste Vierteljahr ist entscheidend und richtungsweisend. Für alle, die sich seit Jahren in der Lehre engagieren, für die Studierenden, die auf viele der Angebote angewiesen sind und auch für die Politik, die Maßnahmen zum Studienerfolg fordert und gegenüber dem*r Steuerzahler*in (=Mittelgeber*in) in der Pflicht steht. Wichtig ist, dass wir es gemeinsam schaffen, die Rückverweisung der Verantwortlichkeit (Land, Hochschulleitung, Fachbereiche) zu durchbrechen. Ein "wir haben ja schon, aber die..." oder "wir würden ja, aber dafür..." bringt keinen von uns weiter. Eine Schwierigkeit dürfte sein, dass die Relevanz der jeweiligen QPL-Projekte und auch einzelner Teilprojekte für die Förderung des Studienerfolgs ("Qualitätsaspekt in der Lehre") und die Zielsetzung der Hochschule ansich (gerade an den Unis: auch Forschung) innerhalb der Hochschulen unterschiedlich beurteilt wird. Hier muss wahrscheinlich jede Hochschule ihren individuellen Weg finden, Kontinuität zu ermöglichen und zugleich auch Pfadabhängigkeiten zu durchbrechen. Das macht es m.E. jenseits der möglicherweise unklaren finanziellen Situation (ist die wirklich so unklar?) schwer. Auch weil es einerseits um Inhalte und andererseits um Personen geht, man es IMO getrennt diskutieren möchte und sollte, es aber zugleich stets verbunden bleibt. Es ist gut, wenn wir hierzu im Gespräch bleiben - innerhalb der Hochschulen und in unseren Netzwerken. Nur so werden wir in der Lage sein, die Dynamik der letzten zehn Jahre zugunsten der Lehre zu nutzen. Das wünsche ich mir zu Weihnachten. ;-)

  • #6

    Karla K. (Mittwoch, 04 Dezember 2019 21:46)

    Guten Abend, Herrn Winzker!

    Es macht den Anschein, dass auch Ihre Hochschulleitung nicht über den fortgeschrittenen Diskussionstand mit dem Wissenschaftsministerium informiert.

    Jenseits dessen das bereits Offizielle:

    (a) Mit der Hochschulvereinbarung 2021 hat das damalige Wissenschaftsministerium 2017 begonnen, einen Teil des Landesanteils des Hochschulpaktes bis 2021 auf 250 Mio. Euro aufwachsend dauerhaft in die Hochschulhaushalte zu überführen. Für Ihre Hochschule sind im Haushaltsentwurf 2020 von den dann verstetigten 200 Mio Euro ca. 5,7 Mio. Euro vorgesehen, 2021 dürften es 7,1 Mio. Euro sein (der dann verstetigten 250 Mio. Euro). Das ist Geld, bei dem seit 2016 klar ist, dass es Ihrer Hochschule in dieser Höhe und ab dann eben unbefristet zur Verfügung steht.

    (b) Von der Wissenschaftsministerin sind 50 Mio. Euro der ZSL-Mittel als Erhöhung der Qualitätsverbesserungmittel angekündigt (Sie verweisen entsprechend).

    (a + b) Mit den 250 Mio. Euro verstetigten Mitteln und den 50 Mio. Euro Mehr an QVM sind 300 Mio. Euro des Zukunftsvertrags "definiert".

    Für 2020 beziffert das Land NRW die zur Verfügung stehenden HSP-Mittel auf ca. 950 Mio Euro (je hälftig Landes- und Bundesanteil). NRW geht davon aus, dass die Mittel des Zukunftsvertrags in ähnlicher Höhe liegen werden.

    Zum Qualitätspakt Lehre: Sollten die Hochschulen beim Antrag zur zweiten Förderphase nicht Verstetigungskonzepte vorlegen, wie erfolgreiche Strukturen nach Ende der QPL-Laufzeit weiterfinanziert werden?

    Mit besten Grüßen,
    Karla K.

  • #5

    Th. Klein (Mittwoch, 04 Dezember 2019 15:49)

    Leider kein spezifisches QPL-Problem. Siehe aus aktuellem Anlass die EXIST-Förderung, die auch Lücken hatte, auch wenn die Darstellung auf der Homepage dies vertuscht. Bei ExIni/ExStra gab's tatsächlich mal ne Überbrückungsfinanzierung.

  • #4

    Wolfgang Deicke (Mittwoch, 04 Dezember 2019 12:01)

    Vielen Dank für diese gekonnte Zusammenfassung der Situation!

  • #3

    Steffen Prowe (Mittwoch, 04 Dezember 2019 11:58)

    Danke an Marco, das zeigt sehr schön auf was von "Zukunft" und einer verlässlichen Unterstützung für einen (nicht nur seit Pisa) dringend notwendigen Zugewinn an Qualität der Hochschule-Strukturen immer wieder gehalten wird. Durch solche Hinhalte-"Strategien" wurden und werden engagierte Menschen fortgetrieben.
    Gerade in Berlin haben wir derzeit das Problem in massiver Konkurrenz zu den Verwaltungen der Bezirke, des Senats als auch des Bundes zu stehen um gute Mitarbeiter*innen. Die es aber nicht in der Menge gibt. Und da sind verlässlich finanzierte Strukturen und Angebote dringend notwendig, um motivierten Menschen einen (meist etwas geringer bezahlen) Job an den Hochschulen attraktiv genug gestalten zu können.
    Und es muss klar sein, dass solche Programme kontinuierlich die Qualität und anfallende Menge der Aufgaben an den Hochschulen positiv unterstützen. Verlässlich. Rechtzeitig.
    #FrististFrust (und das unterstütze ich voll als Beamter:)

  • #2

    Maria Worf (Mittwoch, 04 Dezember 2019 10:46)

    Vielen Dank für den Beitrag. Sie sprechen mir und sicher vielen QPL-Projektleitungen im ganzen Land aus dem Herzen. Leider sieht im Freistaat Sachsen derzeit vieles danach aus, die Waage in Richtung Quantität (was hier heißt NEUE Studienkapazitäten) auszurichten. Das Thema Qualität sei "mehrfach überbucht" und von den laut ganz frischem Koalitionsvertrag versprochenen 800 Dauerstellen braucht es mehr für den Kapazitätsausbau als für den Erhalt und Entwicklung von Qualität.
    Wenn nicht zeitnah ein klares Bekenntnis zum Wert der Maßnahmen und Aktivitäten des QPL jenseits von positiven Effekten auf den Studienerfolg, positiven Zufriedenheitsevaluationen von Studierenden und Entlastungsleistungen gegenüber bestehenden Universitätsstrukturen kommt, dann wird spätestens ab kommendem Frühjahr keine/r mehr da sein, die/der mit einer fast 10-jährigen Expertise derlei Studienerfolgsmaßnahmen aufrecht erhalten kann. Ich bin gespannt, wie die Verhandlungen zwischen den Ländern und den Hochschulen ausgehen und ob Qualität in der Bildung wichtig bleibt oder der von Ihnen beschriebene schwere Rückschlag eintritt.

    Fakt ist: die individuellen Bedürfnisse der immer diverser werdenden Studierendenschaft verschwinden nicht mit dem Ende der Projektlaufzeit des QPL!

  • #1

    Tobias Ortelt (Mittwoch, 04 Dezember 2019 10:12)

    Lieber Marco,

    besser hätte ich es nicht zusammenfassen können:)

    Lieben Gruß aus Dortmund

    Tobias