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Der Bund kann's in der Bildung auch nicht besser

Mit dem Bund wird es in der Bildung besser? Dafür gibt es keine empirische Grundlage. Also Schluss mit den Anti-Föderalismus-Nebelkerzen.

ES GAB DA diesen alten Senator in Rom, Marcus Porcius Cato, der angeblich jede seiner Reden mit dem Satz beschloss: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Kathargo zerstört werden muss."

 

In der Bildungspolitik der Gegenwart gibt es auch so einen Satz, den nicht nur einer, sondern viele Politiker immerzu benutzen. Zum Glück handelt er nicht vom Krieg, aber kurzen Prozess machen mit einem ewigen Feindbild will auch er: mit dem Bildungsföderalismus, wie wir ihn kennen.

 

Zuletzt brachte FDP-Chef Christian Lindner den Satz. "Mehr Verantwortung für den Bund", forderte er in der FAZ. Die deutsche Bildungslandschaft sei aus der Zeit gefallen, nötig sei ein "grundlegender Systemwechsel" hin zu einem Kooperationsgebot von Bund und Ländern. Und so, wie Cato versprach, wenn Karthago erst niedergemacht sei, stehe Rom ein großartiger Aufstieg bevor, verheißt Linder, wenn die Kultushoheit der Länder erstmal geschleift ist, den Aufstieg Deutschlands zu einer "echten Bildungsnation". 

 

Magere Bilanz bei den
Bundesprogrammen

 

Das Problem an dem Satz ist, dass ihm die empirische Grundlage fehlt. Der Bund hat längst mehr Verantwortung erhalten. Bund und Länder arbeiten spätestens nach mehreren Grundgesetz-Änderungen in Wissenschaft und Bildung andauernd zusammen. Doch der erhoffte Qualitätssprung lässt auf sich warten. So ist zum Beispiel beim Digitalpakt, den Bund und Länder nach langem Geeiere gemeinsam beschlossen haben, bislang kaum ein Euro ausbezahlt. Beim geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler geht das Bund-Länder-Gezerre um die Kosten in die nächste Runde. Übers BAföG wiederum entscheidet der Bund sein 2015 ganz allein, weil er es auch allein zahlt. Die Bilanz 2019: Fast 900 Millionen Euro wurden nicht ausgegeben.


Alles in allem saß der Bund Anfang 2020 auf mehr als 19 Milliarden Euro in diversen Investitionstöpfen, die er gern für Bildung und anderes ausgeben würde, doch fließt das Geld oft nur im Schneckentempo ab – auch weil die Länder und Kommunen es so zögerlich abnehmen. Der Bund habe eben nicht genug mehr Verantwortung bekommen, entgegnen Lindner & Co. Eine Logik, mit der sich schwerlich argumentieren lässt.

 

Die verfügbaren Fakten legen anderes nah. Das eigentliche Problem ist, dass das Steueraufkommen in Deutschland immer noch nicht den Aufgaben entsprechend verteilt ist, weswegen die komplizierten Bund-Länder-Geldtransfers überhaupt nötig sind. Das Problem ist, dass selbst in den wohlhabenderen Ländern die Finanzminister ihre Bildungskollegen oft kurz halten. Das Problem ist auch, dass die Vorschriften zu kompliziert sind, die Förderpolitik zu zerklüftet – und die Verwaltung mit der Antragsbearbeitung nicht hinterherkommt.

 

Das Schicksal des Bildungssystems
entscheidet sich in den Ländern

 

Der Druck auf die Kultusminister der Länder ist zu Recht gewaltig, endlich ihre Schulabschlüsse vergleichbarer zu machen, die Abschlussprüfungen zu harmonisieren und Lehren aus dem katastrophalen, größtenteils hausgemachten Lehrermangel zu ziehen. Liefern sie dieses Jahr nicht in Form eines ambitionierten Bildungsstaatsvertrags, wäre ihr Club, die Kultusministerkonferenz, der eigenen Abschaffung den womöglich entscheidenden Schritt nähergekommen. Doch würde selbst das nichts an dem Befund ändern, dass sich das Schicksal des deutschen Bildungssystems in den Ländern entscheidet, und nicht beim Bund. Erst recht nicht, wenn er, wie einige es sich offenbar wünschen, eine Art Chef-Kontroletti der Bildungspolitik würde.

 

Statt eine Anti-Föderalismus-Nebelkerze nach der anderen zu zünden, die am Ende nur von der Verantwortung der Kultusminister ablenken, wäre es an der Zeit, den Föderalismus in die Lage zu versetzen, dass er seine Stärken ausspielen kann. In einem transparenten Nebeneinander gut finanzierter Bildungssysteme, die sich freiwillig verbindliche Regeln und Standards geben, um auf deren Grundlage um die besten Lösungen zu wetteifern. In denen der Bund Impulse setzt und nicht Grundaufgaben finanziert. Dann würden Politiker endlich auch in Bildungsfragen weniger über Macht und deren Verteilung reden und mehr über gute Ideen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda Will`s Wissen" im Tagesspiegel.

Grafik: Mapcanyon / pixabay - cco.

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Kommentare: 1
  • #1

    Eva-Maria Stange (Montag, 09 März 2020 10:29)

    Beides ist singulär betrachtet falsch: weder eine alleinige Verantwortung des Bundes ( korrekter der Bundesregierung) , noch ein Absolut- Föderalismus, der das Bildungssystem allein in den Händen der Länderregierungen ( und Parlamente) überlässt. Warum gelingt es z.B. Kanada deutlich besser in einem föderalen System ein erfolgreicheres Schulsystem zu organisieren? Deutschland braucht einen kooperativen Föderalismus, bei dem es nicht vorrangig um den Wettbewerb der Länder geht ( ein Schüler kann sich nicht auswählen, in welchem Land er zur Schule gehen möchte!), sondern um ein gemeinsames Verständnis von Bund und Ländern zum Wohle aller Bildungsteilnehmer*innen - von Kita bis Hochschule. Warum gibt es keine ehrliche Analyse für das unterschiedliche Abschneiden der Schüler bei nationalen Tests? Warum rufen ( können) Länder Gelder des Bundes nicht ab?