Bund und Länder hatten die Exzellenzstrategie einst schlau
konzipiert. Dann kam die Realpolitik. Für die nächste Auswahlrunde müssen sie das mühsam gefundene Gleichgewicht zwischen
Exzellenzclustern und Exzellenzuniversitäten wiederherstellen.
Ein Gastbeitrag von Hans-Gerhard Husung.
Hans-Gerhard Husung (SPD) war Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in Berlin und von 2011 bis 2016 Generalsekretär der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK). Foto: Caroline von Schönberg.
DEUTSCHE UNIVERSITÄTEN SOLLEN zur internationalen Spitze aufschließen, die deutsche Hochschullandschaft insgesamt differenzierter werden: Dieser Grundgedanke zunächst der Exzellenzinitiative und nun der Exzellenzstrategie zeigt Wirkung. Viele Universitäten sind bereits intensiv dabei, sich auf die nächste Auswahlrunde 2024/25 der Exzellenzcluster vorzubereiten. Obwohl die laufende Förderperiode inzwischen sieben Jahre umfasst, ist die Vorbereitungszeit nicht üppig bemessen, und wer die Weichen nicht frühzeitig stellt, könnte am Ende wieder mit leeren Händen dastehen.
Aber was sind eigentlich die Konditionen der nächsten Wettbewerbsrunde? Wird es faire Erfolgschancen geben? Werden sie wieder erkauft durch eine Absenkung des Fördervolumens? Ein Vergleich der im Jahre 2016 geschlossenen Verwaltungsvereinbarung von Bund und Ländern zur Exzellenzstrategie mit den 2018 und 2019 tatsächlich getroffenen Auswahlentscheidungen zeigt die möglichen Szenarien auf.
Von Anbeginn der Exzellenzinitiative an gab es im Kreis von Bund und Ländern divergierende Positionen, weniger über das allgemeine Ziel einer Förderung von Spitzenforschung an Universitäten als vielmehr über die Umsetzung in "Spitze und Breite". Davon zeugt die Präambel der Verwaltungsvereinbarung sowohl der Exzellenzinitiative als auch der Exzellenzstrategie: Ihr Text ist unverändert geblieben, weil jeder Änderungsversuch des einmal mühsam getroffenen verbalen Kompromisses eine neue Grundsatzdebatte hätte aufbrechen lassen.
So ging es bei den Verhandlungen um die Neugestaltung der Exzellenzstrategie zentral auch um die Frage der Intensität des Differenzierungsprozesses, ausgedrückt in der geplanten Anzahl von Exzellenzclustern und Exzellenzuniversitäten. Während der Bund die in der Exzellenzinitiative begonnene Differenzierung weiter verstärken und deshalb weniger als zehn Exzellenzuniversitäten prämieren wollte, plädierte eine Ländergruppe für deutlich mehr als zehn.
Die Anzahl der Förderfälle laut Vereinbarung
war als Obergrenze gedacht
Diese Grundkonstellation wiederholte sich bei der Frage der Exzellenzcluster. Am Ende der intensiv geführten Beratungen stand ein wissenschaftspolitisch schlüssig begründetes Ergebnis mit vier zahlenmäßigen Eckpunkten: 385 Millionen Euro sollten für 45 bis 50 Förderfälle bei den Exzellenzclustern eingesetzt werden, 148 Millionen Euro sollten elf Förderfälle in der Linie Exzellenzuniversitäten ermöglichen. Dieses "Magische Viereck" war im Gleichgewicht. Alle damals Verhandelnden verband das gemeinsame Verständnis, dass die Anzahl der Förderfälle eine Obergrenze darstellte.
Weil manche Länder befürchteten, am Ende des Auswahlprozesses könnte ein eher restriktives Ergebnis stehen, ermutigten die Vorsitzenden der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) die DFG und den Wissenschaftsrat, wissenschaftsgeleitet und qualitätsorientiert die Spielräume in vollem Umfang zu nutzen. Doch was in anderer personeller Konstellation aufseiten der Politik dann zwei Jahre später von der Exzellenzkommission entschieden wurde, hätte sich aus jenem Kreis zum damaligen Zeitpunkt kaum jemand vorstellen können.
Aber der Reihe nach. Für eine Einschätzung der Chancen derjenigen Universitäten, die noch kein Exzellenzcluster eingeworben haben und auch künftig nicht den Status einer Exzellenzuniversität anstreben, ist das rechnerische Potenzial der Exzellenzcluster bedeutsam, die voraussichtlich nicht durch Exzellenzuniversitäten gebunden sind. In den vorangegangenen Runden der Exzellenzinitiative kam rein statistisch gesehen auf vier Exzellenzcluster ein Zukunftskonzept.
Für die Exzellenzstrategie wäre nach den Beratungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz das Verhältnis zwischen Exzellenzcluster und Exzellenzuniversität etwa 4,5 gewesen, also eine Chancenverbesserung für Clusterbewerbungen. Dieses Gleichgewicht des ursprünglichen "Magischen Vierecks" wurde bereits im Bundesrat durch die Initiative der Hamburger Landesregierung in die Richtung verändert, dass perspektivisch in der nächsten Runde 2026 in jedem Fall vier neue Förderfälle in die Förderlinie "Exzellenzuniversitäten" aufgenommen werden sollten.
Anscheinend hat sich damit die Gruppe der Länder am Ende durch die Hintertür doch durchgesetzt, die in den Beratungen der GWK vergeblich für deutlich mehr als zehn Exzellenzuniversitäten plädiert hatte. Aber um welchen Preis? Bei Zugrundelegung des Prinzips der vollen Ausschöpfung der quantitativen Möglichkeiten hätte dies für 2026 bedeutet, dass das Verhältnis zwischen Exzellenzcluster und Exzellenzuniversitäten auf 3,3 reduziert werden würde, gleichbedeutend mit einer potenziellen Chancenverschlechterung für diejenigen Universitäten mit ausschließlich Clusterambitionen. Auch wenn für die zusätzlichen Exzellenzuniversitäten gegebenenfalls entsprechend zusätzliche Mittel bereitgestellt werden sollen, ist durch die Hamburger Initiative das "Magische Viereck" an zwei Eckpunkten deutlich verändert worden.
Am Ende blieb nur der Eckpunkt über
die Deckelung der Mitte für Exzellenzcluster
Die zweite gravierende Intervention erfolgte durch die aus Wissenschaft und Vertretern von Bund und Ländern gebildete Exzellenzkommission, dem entscheidenden Auswahlgremium der Exzellenzstrategie. Sie entschied, 57 statt der maximal 50 Exzellenzcluster in die Förderung zu nehmen, ohne dafür die notwendigen zusätzlichen Mittel bereitzustellen.
Damit war die Ausgewogenheit des "Magische Vierecks" vollends ruiniert. Geblieben ist nur der Eckpunkt über die Deckelung der bereitgestellten Mittel für die Exzellenzcluster. Daraus ergeben sich nun aber berechtigte Zweifel, ob die reduzierten finanziellen Spielräume für nunmehr 57 Exzellenzcluster noch in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Exzellenzzielen stehen.
Kann diese Situation die Grundlage für die nächste Runde des Exzellenzwettbewerbs sein?
Um diese Frage zu beantworten, sollen einige Szenarien durchgespielt werden. Wäre ein möglicher Weg, das Viereck wieder ins Gleichgewicht zu bringen, indem die Exzellenzkommission in der nächsten Auswahlrunde die Förderfälle wieder in ein angemessenes Verhältnis zu den politisch gesetzten 385 Millionen Euro setzte? Die Anzahl der Förderfälle müsste dazu von aktuell 57 auf höchsten 50 reduziert werden. Damit in einem solchen Rahmen Raum für Neuanträge entstehen würde, müssten theoretisch weitere Exzellenzcluster aus der Förderung ausscheiden. Unterstellte man einen Erfahrungswert von 20 Prozent, die in solchen kooperativen Forschungsverbünden die Qualitätsstandards nicht erreichen, kämen etwa weitere zehn Fälle des Ausscheidens aus der Förderung hinzu. Es müssten in einem solchen Szenario also insgesamt etwa 17 von 57 aktuellen Förderfällen eingestellt werden, damit es eine berechenbare Chance für 10 Neuanträge gäbe.
Ein solcher Kahlschlag dürfte in der Realität kaum wissenschaftsgeleitet begründbar sein. Selbst politisch steht er außerhalb des eigentlich Denkbaren. Damit sollte diese Variante von vornherein ausscheiden.
Wie die Exzellenzstrategie wieder
ins Gleichgewicht kommt
Ausgehend von der Einsicht, dass die gegenwärtige Anzahl der Förderfälle ohne eine gravierende Gefährdung der Exzellenzstrategie nicht grundsätzlich verändert werden kann, entsteht ein zweites Szenario. Bei weiter etwa 57 Förderfällen und unter der erfahrungsgestützten Annahme, dass rund 20 Prozent der aktuellen Cluster scheitern, entstünde eine deutlich bessere Balance zwischen Weiterförderung und Chancen für neue Vorhaben. Diese Variante wäre ein erster entscheidender Schritt zur Herstellung eines neuen Gleichgewichts in einem fortentwickelten "Magischen Viereck".
In einem solchen Szenario erschiene dann plötzlich die situativ kritisierte Förderentscheidung der Exzellenzkommission in einem ganz anderen Licht mit Blick auf die Zukunft – nämlich nicht länger als vermeintlicher Sündenfall, sondern unter Einbeziehung der Hamburger Bundesratsinitiative als strategischer Beitrag zur Wiederherstellung eines Gleichgewichts zwischen der Anzahl von Exzellenzclustern zu Exzellenzuniversitäten von etwa vier zu eins.
Damit wäre ein bedeutender Schritt in Richtung einer neuen Ausgewogenheit getan. Gemessen am Ziel der Förderung von Spitzenforschung an Universitäten ist es für die Wiederherstellung eines insgesamt ausgewogenen Gleichgewichts allerdings unabdingbar, dass Bund und Länder ein entschlossenes Signal zur Anpassung der Fördermittel an die potenzielle Anzahl der Exzellenzcluster aussenden. Das müsste heute noch keine feste Zahl sein, wohl aber eine belastbare Formel, wie sie Bund und Länder für eine Förderlinie zu den Exzellenzuniversitäten gefunden haben: Die für 57 Förderfälle im Exzellenzclusterwettbewerb zusätzlich notwendigen Mittel werden für die nächste Runde bereit gestellt.
Diese Botschaften von Bund und Ländern im Sinne des "Magischen Vierecks" benötigen alle Universitäten, die in die Vorbereitungen für die Antragstellung und zur nächsten Exzellenzrunde bereits eingestiegen sind, möglichst bald. Am besten noch in diesem Jahr, auf jeden Fall noch vor der Bundestagswahl 2021. Gemessen an den aktuell zusätzlich bereitgestellten Mitteln, insbesondere auch für anwendungsorientierte Forschung im außeruniversitären Bereich, geht es bei dieser finanziellen Absicherung der erfolgreichen Exzellenzstrategie um vergleichsweise kleine Summen. Doch sie stärken mindestens ebenso sehr das deutsche Innovationssystem. Denn es gilt auch in der Krise der Grundsatz, dass dem Anwenden das Forschen vorausgehen muss.
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Edith Riedel (Dienstag, 07 Juli 2020 13:02)
Ich mag ja nicht erbsenzählerisch sein, aber es sind sogar 57 Exzellenzcluster. Das Geld wird also noch über ein Cluster mehr verteilt...
Jan-Martin Wiarda (Mittwoch, 08 Juli 2020 12:11)
Liebe Frau Riedel,
besten Dank für den Hinweis! In Absprache mit Herrn Husung habe ich den Fehler im Text korrigiert.
Viele Grüße
Ihr J-M Wiarda