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Weniger Ansteckungen durch die Schulöffnungen?

Seit die Sommerferien zu Ende sind, sinkt der Anteil der Neuinfektionen unter Kindern und Jugendlichen. Wie kann das sein? Und was hat das mit den Testhäufigkeiten zu tun? Eine Analyse.

WÄHREND DIE CORONA-FALLZAHLEN auf ein Allzeithoch steigen, nimmt die Debatte über die richtigen Gegenmaßnahmen Fahrt auf. Der Vorschlag einiger Unionspolitiker, die Weihnachtsferien für die Schulen zu verlängern (verklausuliert für erneute Schulschließungen) ist bei den Kultusministern und sogar bei der Lehrergewerkschaft GEW durchgefallen. 

 

In der Tat kann man nur den Kopf schütteln, dass trotz inzwischen vieler empirischer Belege dafür, dass sich Kinder und jüngere Jugendliche seltener anstecken als Erwachsene, die Reflexe ("als erstes die Bildungseinrichtungen zu!") bei einigen immer noch dieselben sind. Dabei betonte auch das Robert-Koch-Institut (RKI) zuletzt, dass Kinder und Jugendlichen nicht "Treiber der Pandemie seien".

 

Allerdings stellte das RKI zugleich fest, dass das tatsächliche Ausmaß einer Übertragung innerhalb der Schulen und von den Schulen in die Familien/Haushalte "weitgehend unklar und Gegenstand der Forschung" sei. Ausbrüche in Schulen würden in zunehmendem Umfang beobachtet. "Sie können bislang gut kontrolliert werden. Oftmals erfolgt der Eintrag in Schulen über Erwachsene."

 

Das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IAZ) wartete zuletzt in einer Studie mit dem Ergebnis auf,  dass es nach den Sommerferien durch die Schulöffnungen nicht zu einem Anstieg der Corona-Infektionen gekommen sei. Tatsächlich seien die Fallhäufigkeiten bei Schülern und in der Altersgruppe ihrer Eltern dort, wo die Sommerferien zu Ende waren, sogar gefallen im Verhältnis zu den Ländern, wo das Schuljahr erst später begann. Über dieselbe Beobachtung hatte ich hier im Blog bereits mehrmals berichtet.

 

Zurückhaltung aus Angst
vor dem "Homeschooling"?

 

Als mögliche Erklärungen vermuten die Forscher, neben dem insgesamt geringen Infektionsgeschehen im Spätsommer hätten die strikten Hygienemaßnahmen in den Schulen wie die Maskenpflicht oder, wo nötig, Klassen-Quarantänen, gut funktioniert. Außerdem hätten Eltern nach den Erfahrungen mit dem "Homeschooling" besondere Vorsicht walten lassen, um keinen erneuten Betreuungsengpass zu riskieren.

 

Der Anteil der Unter-15-Jährigen an allen wöchentlichen Neuinfektionen ist seit Mitte August von 15,5 Prozent kontinuierlich auf 8,8 Prozent in der vergangenen Woche gesunken. Erste Zahlen in der aktuellen Kalenderwoche deuten auf einen weiteren Rückgang hin – allerdings nehmen sie nach einem zwischenzeitlich  absoluten Absinken der Neuinfektionen auch in dieser Altersgruppe wieder zu – aber eben deutlich langsamer als bei den Älteren.  

 

Einen Grund für die zurückgehenden Anteile führen die IZA-Wissenschaftler nicht an, obgleich er vor allem in den sozialen Medien immer wieder diskutiert wird – die Testhäufigkeiten bei den Kindern und Jugendlichen: Ging der Anteil getesteter Unter-15-Jähriger nach einem zwischenzeitlichen Anstieg womöglich so stark zurück, dass schlicht deshalb weniger Neuinfektionen entdeckt wurden?

 

Die vorhandenen empirischen Belege sprechen allerdings nicht für diese These. Zwar nahmen die Testhäufigkeiten bei den 0- bis 14-Jährigen tatsächlich zwischen Woche 31 und 35 stark zu, was vermutlich mit den Massentests unter Reiserückkehrern zusammenhing (parallel stiegen zum Beispiel auch die Tests bei den 15- bis 34-Jähren kräftig). Doch blieben sie danach bei den 5- bis 14-Jährigen bis heute (nahezu) auf demselben Niveau, bei den 0- bis 4-Jährigen sanken sie dagegen vor allem nach Woche 39 wieder stärker ab. Allerdings: Der Anteil der infizierten Kinder und Jugendlichen, der durch die vermehrten Tests zwischen Anfang und Mitte August einen Sprung nach oben gemacht hatte, ging seit Woche 33 kontinuierlich wieder zurück, und zwar kräftig – obwohl die Testzahlen mehr oder weniger gleich hoch blieben. 

 

Unabhängig von der Dynamik: Absolut gesehen werden 0- bis 4-Jährige immer noch am seltensten getestet, 5- bis 14-Jährige liegen auf dem Niveau der 60- bis 79-Jährigen. Ist das zu wenig? Die Positivraten gelten als Indiz für die Beantwortung dieser Frage, und dabei zeigt sich: Diese stiegen auch bei den 0- bis 14-Jährigen zuletzt an, aber komplett parallel zu den anderen Altersgruppen und liegen mit 1,6 bzw. 1,7 Prozent nach den über 80-Jährigen am niedrigsten. Bei einer Untertestung sollten die Positivraten höher liegen. 

 

Es wäre wirklich wünschenswert, dass die tatsächlichen Zahlen in den öffentlichen Debatten eine angemessene Rolle spielen würden.

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