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Studierenden-Überbrückungshilfe wird bis Ende März 2021 verlängert

Anträge können ab sofort gestellt werden. Es gibt nur geringe Anpassungen beim Antragsverfahren, an der Förderhöhe ändert sich nichts.

Foto: Green Chameleon / Unsplash.

DIE CORONA-ÜBERBRÜCKUNGSHILFE für Studierende wird bis zum Ende des Wintersemesters verlängert, hat Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Freitagmittag vor der Presse mitgeteilt. Parallel soll der KfW-Studienkredit bis Ende 2021 und damit neun Monate länger als bislang geplant zinsfrei gestellt werden.

 

Dass die Überbrückungshilfe nach einer einmonatigen Unterbrechung zum November wieder aufgenommen werden sollte, hatte Karliczek bereits Ende Oktober angekündigt. Doch war zunächst unklar, für wieviele Monate die Ansage galt. Die 100 Millionen, die das Bundesfinanzministerium ursprünglich zur Verfügung gestellt hatte, reichten jedenfalls nach Schätzungen nur noch in den Dezember hinein. Offen war zudem, ab wann Studierende, die durch Corona in eine finanzielle Notlage geraten sind, die Hilfen für November würden beantragen können. Das BMBF musste nämlich auch die Konditionen des Programm-Neustarts  mit den Studierendenwerken, die die Bearbeitung der Anträge und die Bewilligung administrieren, neu aushandeln. Die Studierendenwerke hatten ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, aber zugleich umfangreichere Anpassungen verlangt.

 

Jetzt hat das Finanzministerium offenbar grünes Licht gegeben, auch wenn Karliczek heute keinen konkreten Betrag nannte, bis zu dem die 100 Millionen Euro im Bedarfsfall aufgestockt werden sollen. Auch mit den Studierendenwerken gab es eine Einigung. Karliczek sagte heute, die Anträge auf Überbrückungshilfe könnten ab sofort gestellt werden, und riet den Betroffenen, wegen der bevorstehenden Weihnachts- und Urlaubszeit dies "möglichst frühzeitig" zu tun.

 

Was anders als
im Frühjahr ist

 

Anders als von den Studierendenwerken, Studierendenverbänden und verschiedenen Bundestagsfraktionen gefordert, ändert sich an der Überbrückungshilfe neben der längeren Laufzeit allerdings inhaltlich nicht viel. Karliczek formulierte dies so: "Bewährtes wird bleiben, notwendige Neuerungen sind vorgenommen." Die konkreten Änderungen – neben der Verlängerung der Laufzeiten – sind:

 

- Eine pandemiebedingte Notlage kann ab sofort auch durch erfolglose Job-Bewerbungen nachgewiesen werden, nicht nur durch Kündigungen. Das sei wichtig besonders für Erstsemester, die oft noch gar keinen Nebenjob gehabt hätten.

 

- Künftig reichen Kontoauszüge aus dem Vormonat der Antragstellung und bis zum Tag vor der Antragstellung. 

 

Und das war es bereits. Die Anpassungen hörten sich nach "Kleinklein" an, sagte Karliczek, "beantwortet aber die konkreten Rückmeldungen, die wir von den Studierenden und aus den Studenten- und Studierendenwerken bekommen haben". 

 

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Aus den Studierendenwerken hatte es noch viel mehr Rückmeldungen und konkrete Forderungen gegeben. Dazu zählte unter anderem eine Verringerung der Antragskriterien mit deutlich weniger Bescheinigungen, "um den überproportionalen und aufwändigen Anteil von Nachfragen bei Studierenden weitmöglich reduzieren zu können". Außerdem solle grundsätzlich ein Pauschalbetrag von 500 Euro gewährt werden, anstatt abhängig vom Kontostand den Zuschuss in Hunderterschritten zu staffeln, forderten die Studierendenwerke laut einem internen Papier.

 

Zur Verlängerung der Zinsfreistellung beim KfW-Kredit sagte Karliczek, dadurch profitierten Studierende entsprechend länger und stärker von der Entlastung bei der späteren Rückzahlung. Internationale Studierende aus Nicht-EU-Ländern könnten noch bis März 2021 vorübergehend Studienkredite beantragen, die ebenfalls bis Ende 2021 zinsfrei seien.  

 

Wie lange dauern
die Bewilligung diesmal?

 

Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Dachverbandes Deutsches Studentenwerk (DSW), ging auf die Verhandlungen mit dem BMBF im Einzelnen nicht ein. Die Studierendenwerke seien froh, die Überbrückungshilfe erneut anbieten zu können, sagte er. Sie seien auch die richtigen Partner dafür. Allerdings seien die Rahmenbedingungen für die Studierendenwerke jetzt deutlich schwieriger als im Frühjahr, fügte Meyer auf der Heyde hinzu, da zum Wintersemester wie jedes Jahr 80 Prozent der Studienanfänger ihr Studium aufnähmen. Deshalb herrsche in den Studierendenwerken ohnehin "Hochkonjunktur" unter anderem bei der Bearbeitung neuer BAföG-Anträge oder der Vergabe von Wohnheimplätzen. Die Arbeitskapazitäten der Mitarbeiter in den Studierendenwerken seien dementsprechend "voll beansprucht, aber sie wollen und können helfen."

 

Heißt das, dass die Bewilligungen diesmal länger als bis im Frühjahr dauern werden? Schon damals hatten viele Studierende teilweise wochenlang auf ihr Geld gewartet, allerdings beschleunigten viele Studierendenwerke die Antragsbearbeitung im Laufe der Monate spürbar.

 

Karliczek: Denken über
grundsätzliche BAföG-Reform nach

 

Zu den Forderungen der Studierendenwerke ans BMBF hatte auch die Einführung eines grundsätzlichen Notfallmechanismus gehört, "um ein Hangeln von Überbrückungshilfe zu Überbrückungshilfe zu vermeiden". 

 

Bereits Ende September, als das BMBF die Hilfe vorübergehend ausgesetzt hatte, hatte Meyer auf der Heyde darauf hingewiesen, dass bei mehr als der Hälfte der abgelehnten Anträge die Begründung gelautet habe: "Ablehnung, obwohl die Studierenden in einer Notlage sind – diese aber eben nicht pandemiebedingt ist."

 

Die Betroffenen hätten sich nicht durch den coronabedingten Verlust eines Nebenjobs oder wegbrechender Elterneinkommen in einer Ausnahmesituation, sondern "in einer dauerhaft prekären Notlage." Es gebe eine strukturelle Armut unter den Studierenden, die schon vor der Pandemie virulent gewesen sei. "An ihnen musste die Überbrückungshilfe notwendigerweise vorbeigehen; diesen Studierenden konnten wir nicht helfen." So sagte der DSW-Generalsekretär Ende September und forderte "dringend eine strukturelle Reform der Studienfinanzierung" insgesamt. Auch die Bundestagsopposition hatte wiederholt eine grundlegende Neuaufstellung der Studierendenhilfe gefordert, der SPD-Koalitionspartner verlangte ebenfalls einen Notfallmechanismus.

 

All das wird es jedoch, das wurde heute erneut deutlich, in absehbarer Zeit nicht geben – auch wenn Meyer auf der Heyde vor der Presse Gespräche mit dem BMBF über neue Formate erwähnte. 

 

Karliczek hingegen bremste am Mittag die Erwartungen. Man werde in der nächsten Legislaturperiode sehen, ob und wie eine grundsätzliche Reform aussehen könne, die "zielgenau den neuen Lebenswirklichkeiten" entspreche. "Wir denken sehr grundsätzlich darüber nach", sagte sie, fügte aber hinzu: Das werde nicht einfach werden. Außerdem sei der Staat "kein Selbstbedienungsladen".  Kurzfristig wies Karliczek auf die jüngsten Reformen bei dem BAföG hin – mit höheren Fördersätzen, Wohnkostenzuschlägen und Einkommensgrenzen, aber auch einer verlängerten Förderhöchstdauer, wenn coronabedingte Beeinträchtigungen im Studium nachgewiesen werden könnten.

 

Seit heute Morgen ist das Überbrückungshilfe-Antragsportal wieder freigeschaltet. Meyer auf der Heyde sagte, bis zum späten Vormittag seien bereits über 500 Anträge eingegangen. Davon seien sechs bereits angenommen, bei zehn seien weitere Informationen angefordert worden. "Wir sind schon mitten in der Arbeit." Anders als beim ersten Antragsstart im Sommersemester hielten offenbar auch die Server dem ersten Ansturm stand.


Kritik von Studierendenvertretern
und Bundestagsfraktionen

Nach Bekanntgabe der Verlängerung kritisierten Studierendenvertreter am Mittag, die erhoffte Runderneuerung des Hilfsprogramms sei ausgeblieben. Die verkündeten Erleichterungen bei der Antragstellung seien richtig, änderten aber nichts daran, dass eine Unterstützung von maximal 500 Euro am realen Bedarf notleidender Studierender vorbeigehe, sagte Jonathan Dreusch, Vorstandsmitglied des Studierenden-Dachverbands fzs. "Die Aussage der Ministerin, man lasse niemanden allein, ist vor diesem Hintergrund reiner Hohn." Begrüßenswert sei zwar die Zusage, bis Ende des Wintersemesters zu fördern. "Von Planungssicherheit kann trotzdem nicht gesprochen werden, solange eine monatliche Neubeantragung notwendig bleibt. Dieser Beantragungsmodus erzeugt nicht zuletzt auch Mehrarbeit für die Studierendenwerke." Deren Mitarbeitern, fügte der fzs hinzu, sei man "sehr dankbar" für ihr Engagement. fzs-Vorstandsmitglied Iris Kimizoglu nannte es "völlig unverständlich, dass die Ministerin nicht endlich die Notwendigkeit einer echten BAföG-Reform erkennen will."

 

Auch der Koalitionspartner SPD äußerte sich unzufrieden. "Nach wochenlangem Zögern hat Bildungsministerin Anja Karliczek nun endlich die Überbrückungshilfe für Studierende wieder eingesetzt – nachdem sie diese trotz absehbarer zweiter Infektionswelle erst im Oktober ausgesetzt hatte", sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek. Immerhin werde sie nun für das gesamte Wintersemester gezahlt und auch das Antragsverfahren werde vereinfacht. "Bedauerlich ist jedoch, dass die Hilfe noch immer keine Wohnkosten berücksichtigt und dass sich auch der Kreis der Berechtigten nur minimal verändert hat. Besonders diejenigen Studierenden, deren Notlage nicht pandemiebedingt ist, werden von Ministerin Karliczek im Stich gelassen." Einmal mehr habe Karliczek die Chance verpasst, einen Nothilfemechanismus im BAföG zu verankern, der auch in zukünftigen Krisensituationen für Sicherheit bei den Studierenden sorgen könne. "So aber hangelt man sich von Überbrückungshilfe zu Überbrückungshilfe und Studierende müssen von Monat zu Monat bangen, ob sie ihre Miete noch zahlen können."

 

Noch heftiger fiel die Kritik der Opposition aus. "Ministerin Karliczek fehlt der soziale Kompass, sie setzt ihren kaltschnäuzigen Zickzackkurs gegenüber den drei Millionen Studierenden fort", sagte der grüne Hochschulpolitiker Kai Gehring. "Ihr Krisenmanagement ist desaströs für die junge Generation. Ihre Tölpeleien bei der Bildungsfinanzierung gehen weiter: Erst schaffte sie kurz vor Semesterbeginn inmitten der Pandemie ihre mangelhafte Studierenden-Hilfe ab, jetzt soll es sie doch wieder geben." Das größte Problem bleibe, fügte Gehring hinzu, "der ungestillte Bedarf" an wirksamer Unterstützung, diese leisteten  weder der KfW-Studienkredit, der in Schulden treibe, noch die Überbrückungshilfe. "Die Politik von Karliczek dient der Bundesregierung in erster Linie als Alibi, etwas für Studierende in Corona-Nöten zu tun. Wenn Karliczek nicht endlich umsteuert und planbar handelt, wird die Zahl der Studienabbrüche immens sein." Anstatt einen Neustart des BAföG mit einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende anzugehen, bedrohten  "Gleichgültigkeit und Geiz" bei Karliczek und Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Bildungschancen einer ganzen Generation. 

 

Der FDP-Bildungspolitiker Jens Brandenburg sagte, die Bildungsministerin habe schon im Frühjahr "viele Monate vertrödelt. Auch jetzt sind wieder drei ganze Wochen vergangen, nur um ein längst vorhandenes Instrument zu reaktivieren." Die Bildungsministerin dürfe sich nicht länger von einem symbolischen Trostpflaster zum nächsten hangeln. "Studierende brauchen endlich eine verlässliche und krisenfeste Studienfinanzierung. Zumindest das BAföG-Volldarlehen sollte Frau Karliczek jetzt schnell und pragmatisch für alle öffnen." Die Probleme seien hausgemacht: Trotz finanzieller Nöte fielen noch immer viele Studierende durch das komplizierte Förderraster. "Eine strukturelle Reform zu einem elternunabhängigen BAföG ist überfällig."

 

Die hochschulpolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, sagte: "Zusätzlich zu den übriggebliebenen 33 Millionen Euro aus den ersten Überbrückungshilfen werden lediglich weitere 34 Millionen mobilisiert." Das sei für die fünf Monate des Wintersemesters derselbe Betrag, der im Sommer für vier Monate aufgelegt worden sei. "Was in aller Welt lässt Frau Karliczek denken, dass die Situation während der ungleich schwereren zweiten Welle in diesem Winter leichter zu bewältigen sein wird, obwohl es wohl mehr Anträge geben wird?" Karliczek verhalte sich "mehr als kurzsichtig". 

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