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Sie haben nichts beschlossen

Was die Kultusminister heute zu den bevorstehenden Schulschließungen zu sagen hatten.

ES WAR EINE surreale Pressekonferenz. Die Kultusminister wollten vor dem drohenden Lockdown über Schulschließungen und Fernunterricht sprechen – und die Digitaltechnik versagte: Einige Gesprächsteilnehmer flogen wiederholt aus der Leitung, bei anderen gab es Tonprobleme, und wieder andere, Journalisten vor allem, waren nicht in der Lage, ihr eigenes Mikrofon stummzuschalten. Insgesamt ein wenig mutmachendes Bild zur bundesdeutschen – nicht allein der kultusministerlichen – Digitalkompetenz nach neun Monaten Pandemie. 

 

Doch das war noch der geringste Anlass für Ernüchterung. Der viel Wesentlichere: Die Kultusminister haben bei ihrer Sitzung gestern beschlossen, keinen Beschluss zu den drohenden Schulschließungen zu fassen. So räumten sie es heute erst auf Nachfrage ein. Ist das nun besonders smart, wie ein Beobachter auf Twitter kommentierte – weil jeder KMK-Beschluss spätestens am Sonntag durchs Votum der Ministerpräsidenten politisch überholt würde?  Oder ist es besonders töricht von den Kultusministern, weil sie sich für den weiteren Verlauf der Debatte über Schulschließungen selbst überflüssig gemacht haben?

 

Dabei hatten die drei anwesenden Kultusminister, neben Noch-KMK-Präsidentin Stefanie Hubig der SPD-Koordinator Ties Rabe aus Hamburg und der neue Unions-Koordinator Alexander Lorz aus Hessen (der Susanne Eisenmann ablöste), ja durchaus eine Botschaft mitgebracht. Sie lautete: Wenn es aufgrund so hoher und weiter steigenden Infektionszahlen zu einem allgemeinen Lockdown kommen müsse, könnten und würden sich auch die Schulen nicht entziehen. Allerdings eben nur, wenn auch alle anderen gesellschaftlichen Bereiche (inklusive Einkaufszentren) gleichermaßen zurückfahren müssten. Hybrid- und Fernunterricht seien einer Verlängerung der Schulferien vorzuziehen. Insgesamt müssten Schulschließungen möglichst kurz ausfallen, und es gelte währenddessen die unterschiedlichen Altersstufen differenziert zu behandeln.  

 

Diese Botschaft werde von den übrigen Kultusministern geteilt, versicherte Ties Rabe. Offenbar hatte man sich auf eine gemeinsame Sprachregelung gegenüber der Presse geeinigt. Warum dann hat man sie nicht in einen formalen Beschluss gepackt? Wäre nicht gerade dies Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins und der seit Pandemiebeginn angeblich so viel engeren Zusammenarbeit gewesen, ihres neuen Gemeinschaftsgefühls, das die Kultusminister seit Monaten und auch heute wieder betonten?

 

Hätten die Kultusminister heute einen konkreten Maßnahmenplan vorgelegt, wie sie die bevorstehenden Schließungen umsetzen wollen, wären sie im Spiel geblieben. Ja, sie hätten sich dann auf etwas festlegen müssen, und vieles davon – vielleicht das meiste – wäre von ihren Chefs nicht übernommen worden oder durch die Entwicklung der Pandemie überholt worden. Und doch wären sie nur so überhaupt noch in der Lage gewesen, den weiteren Verlauf der politischen Entscheidungsfindung ein Stückweit zu beeinflussen. Seit heute Mittag sind sie es – zumindest auf Bundesebene – nicht mehr. 

 

Dieser Kommentar erschien heute Mittag auch bei Tagesspiegel.de.


Es geht los: Schleswig-Holstein und NRW beschließen Fernunterricht ab sofort

Auf Landesebene verhalten sich einige Kultusminister strategisch schlauer. So trat Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Karin Prien schon heute die Flucht nach vorn an und teilte mit: Schüler ab Klasse acht müssen von Montag an zu Hause im Distanzunterricht lernen. Bis Klasse 7 bleibt es beim Präsenzunterricht, doch wird die Präsenzpflicht in der letzten Woche vor den Weihnachtsferien auf Antrag der Eltern aufgehoben. Unaufschiebbare Klassenarbeiten und Klausuren dürften unter Einhaltung der Hygieneregeln stattfinden. 

 

Nach den Weihnachtsferien gelten die Regeln für den 7. und 8. Januar weiter, woraufhin Prien darauf hinwies, dass diese Tage ohnehin schon als Distanzlerntage angesetzt gewesen seien.

 

"Die Lage ist ernst", sagte Prien. Wenn es das Infektionsgeschehen zulasse, soll ab dem 11. Januar 2021 der Präsenzunterricht im Corona-Regelbetrieb fortgesetzt werden.

 

Andere Länder wollen offenbar einen ähnlichen Weg gehen. So kündigte die NRW-Landesregierung an, ab Montag die Präsenzpflicht bis Klasse 7 aufzuheben und ab Klasse 8 in den Distanzunterricht zu gehen. Die Kitas sollen auch in NRW offenbleiben. 

 


KMK beruft Ex-BMBF-Staatssekretärin Quennet-Thielen in Findungskommission

Ein bisschen Routine gab es dann doch noch bei der KMK – und die war wichtig. Die Kultusminister beschlossen die Einrichtung einer Findungskommission, um die im Oktober auf den Weg gebrachte "Ständigen wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz" (der Ersatz für den gescheiterten Bildungsrat) auf den Weg zu bringen. Mitglieder sind der ehemalige Wissenschaftsratsvorsitzende und BildungsforscherManfred Prenzel, die renommierten WissenschaftlerInnen Elsbeth Stern und Dieter Euler, der frühere Hamburger Staatsrat Michael Voges sowie – die vielleicht größte Überraschung die Ex-BMBF-Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen. Womit die KMK, was mutig ist, die Bundesperspektive gleich bei der Auswahl der Kommissionsmitglieder mitberücksichtigen.

 

Durch den Einsatz der Findungskommission werde sichergestellt, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit und übergreifende Perspektive der zwölf zu berufenden Mitgliedern der Ständigen wissenschaftlichen Kommission gewährleistet werde, betonte die KMK. Ihre Vorschläge sollen bis zur Juni-Sitzung der Kultusminister vorliegen. 



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