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Langsamer Digitalpakt, schneller Digitalpakt

Erst 112 Millionen der ursprünglichen fünf Milliarden sind nach anderthalb Jahren ausgegeben, deutlich zügiger läuft das Laptop-Programm für Schüler.

DIE ZWISCHENBILANZ IST ERNÜCHTERND: Von den ursprünglich fünf Bundesmilliarden für den Digitalpakt Schule sind bis Ende 2020 erst zwei Prozent abgeflossen. Das hat das Bundesbildungsministerium heute auf der Grundlage von Ländermeldungen mitgeteilt. 112 Millionen Euro hätten die Länder abgerufen – knapp 4,9 Milliarden Euro sind also noch im Topf.

 

Deutlich schneller ging das Geld weg bei dem nach Beginn der Coronakrise beschlossenen Zusatzprogramm für Laptops und Tablets, die Schulen anschaffen und an Schüler ausleihen können, die zu Hause keine eigenen Geräte nutzen können. Von den dafür bereitstehenden 500 Millionen Euro wurden den Angaben zufolge bereits 376 Millionen ausgegeben, acht Bundesländer haben schon sämtliche Mittel ausgeschöpft.

 

Nimmt man den Basis-Digitalpakt und das Zusatzprogramm zusammen, wurden bislang 488 Millionen Euro ausgegeben. Bund und Länder betonten, dass weitere 875 Millionen hinzukämen, die bereits beantragt und bewilligt, aber noch nicht abgerufen seien. 

 

Der ursprüngliche Digitalpakt trat im Mai 2019 in Kraft. Die Daten zum Mittelabfluss werden zweimal im Jahr zum 30. Juni und 30. Dezember erhoben. Mitte 2020 seien erst 16 Millionen Euro abgerufen und 242 Millionen Euro gebunden gewesen, ein halbes Jahr später zusammengenommen bereits 1,363 Milliarden Euro. 

 

Bund und Länder beeilten sich in einem Hintergrundgespräch am Freitagmorgen zu versichern, dass es zwar schneller gehen müsse, der geringe Mittelabfluss beim ursprünglichen Digitalpakt zu diesem Zeitpunkt aber grundsätzlich erwartbar sei, weil es sich um ein Infrastrukturprogramm handle, das viele Vorarbeiten und behördliche Abstimmungen erfordere.

 

Bund und Länder versprechen:
Der Pakt nimmt jetzt Fahrt auf

 

Auch hätten viele Schulträger offenbar zunächst auf die Beantragung der Sofortprogramm-Mittel konzentriert, weswegen der Mittelabfluss beim Basis-Digitalpakt womöglich noch langsamer ablaufe. Das Tempo der Mittelverwendung werde aber in den nächsten Jahren stark zunehmen.

 

Muss es allerdings auch: Der Digitalpakt läuft bis Ende 2024. Und bis dahin, bestätigte das BMBF, müssen die Bundesmilliarden vollständig ausgegeben sein. Sonst fließen sie zurück zum Finanzministerium.

 

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) räumte in einer Pressemitteilung am Freitag ein: "Bei der Umsetzung zum DigitalPakt für die Infrastruktur müssen wir zwar noch Tempo machen. Aber die Richtung stimmt jetzt." Ursprünglich war vorgesehen, dass Mittel erst fließen können, wenn die Schulträger Konzepte vorgelegt haben. Inzwischen können die Konzepte auch nachgereicht werden. Karliczek sagte weiter: "Bund und Länder arbeiten in der Krise gut zusammen, und mein Wunsch ist, dass wir unsere Zusammenarbeit weiter intensivieren." In den vergangenen Monaten sei deutlich Bewegung in die Digitalisierung der Schulen gekommen. 

 

KMK-Präsidentin Britta Ernst, die SPD-Bildungsministerin von Brandenburg sagte: "Gemeinsam mit den Schulträgern arbeiten die Länder unter Hochdruck an weiteren Verbesserungen. Das lässt sich auch an der Zahl der Anträge ablesen, die bereits bewilligt oder in Umsetzung sind, für die aber noch keine Mittel geflossen sind. Digitalisierung ist, das sieht man auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, eine sehr große Aufgabe."

 

Sowohl in Karliczeks als auch in Ernsts Äußerungen ist das Bestreben erkennbar, sich vor der absehbaren Kritik angesichts des geringen Mittelabrufs beim ursprünglichen Digitalpakt zu rechtfertigen. 

 

Noch nicht enthalten in den vorliegenden Daten sind erste Mittelabflüsse für die weiteren Zusatz-Programme zum Digitalpakt. So stehen seit 4. November 2020 weitere 500 Millionen Euro für die Förderung von Administratoren zur Verfügung, die sich um die digitale Technik kümmern sollen. Ebenfalls 500 Millionen Euro gibt es, um Leihgeräte für Lehrkräfte zu finanzieren. Das Programm ist zwar erst am 28. Januar gestartet, aber es ist möglich, dass die Länder bereits in die Vorfinanzierung gegangen sind und sich das Geld anschließend vom Bund erstatten lassen. 

 

Bei allen Bundesmitteln kommen laut den Bund-Länder-Vereinbarungen noch einmal zehn Prozent Länderanteil hinzu.

 

Die acht Länder, die Ende Dezember 2020 bereits alles Geld für die Schüler-Laptops abgerufen hatten, waren: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein. Hessen lag bei 98 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern bei 89 Prozent – wobei die fehlenden elf Prozent laut Angaben aus dem Land der Anteil der Privatschulen ist, die bislang keinen Bedarf angemeldet hätten. Allein Thüringen hatte den Angaben zufolge Ende 2020 noch keinen Euro abgerufen – was allerdings die Wirklichkeit nicht wiedergebe, wie in dem Hintergrundgespräch am Freitagmorgen betont wurde. Der Freistaat habe das Programm für Schüler-Endgeräte zunächst aus Landesmitteln komplett vorfinanziert.

 

Die bildungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Margit Stumpp, bezeichnete die Zahlen zum Mittelabfluss als "ernüchternd". Auch wenn es zu begrüßen sei, "dass einige benachteiligte Kinder und Jugendliche mit Endgeräten versorgt werden konnten", könne es nicht zufriedenstellen, dass noch keine zehn Prozent der eigentlichen Digitalpaktmittel abgeflossen seien. Es hake weiter großflächig an Breitbandanschlüssen für die Schulen, an WLAN und Ausstattung. "Das wäre schon ohne Pandemie und Schulschließungen verheerend und vergrößert aktuell die Ungerechtigkeiten Tag um Tag." Neben der Beseitigung bürokratischer Hürden für die Basisdigitalisierung forderte Stumpp einen "weiterführenden Digitalpakt Plus", um Planungssicherheit für die Schulen und Schulträger zu schaffen. Die Länder wiederum müssten "ihrer Pflicht nachkommen, ihre Pädagog*innen für die Daueraufgabe Digitalisierung flächendeckend und intensiv weiterzubilden."


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