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Kinder und Jugendliche: Ein Viertel mehr gemeldete Corona-Neuinfektionen binnen einer Woche

Läuft die dritte Welle über die Jüngsten an? Oder sind die Zahlen Folge wieder gestiegener Tests? Bei der Interpretation ist vorläufig Vorsicht geboten.

DIE GEMELDETEN CORONA-NEUINFEKTIONEN bei Kindern und Jugendlichen steigen massiv an. Dies zeigen die noch vorläufigen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) für die gestern zu Ende gegangene Kalenderwoche.

 

Demnach wurden für den Zeitraum vom 1. bis 7. März bislang insgesamt 7104 Neuinfektionen bei 0- bis 14-Jährigen ans RKI gemeldet, das entspricht einem Plus von 1318 Fällen bzw. knapp 23 Prozent gegenüber der Vorwoche. 

 

Insgesamt dürften die derzeitigen Meldezahlen die Gesamtbilanz der Kalenderwoche 9 noch um zwei bis drei Prozentpunkte unterschätzen. Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Ohne das Fallwachstum bei den Kindern und Jugendlichen wären die gesamtgesellschaftlichen Inzidenzen in der vergangenen Woche vermutlich sogar leicht gefallen. 

 

Denn in der Altersgruppe der 15- bis 69-Jährigen gibt es gegenüber der Vorwoche kaum Bewegung. Derzeit liegt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen für diese Altersgruppe noch leicht im Minus (-0,2 Prozent), am Ende dürfte ein leichtes Plus herauskommen. Und bei den Über-70-Jährigen ergibt sich ein vorläufiger Rückgang der Meldezahlen um 17,1 Prozent. 

 

Mit anderen Worten: Allein die gemeldeten Neuinfektionen bei den Kindern und Jugendlichen treiben die Pandemie-Statistik zurzeit. 

 

Die Rolle der
Corona-Testhäufigkeiten

 

Doch so eindeutig die Zahlen aussehen, so schwierig wird es mit der Ursachensuche. Dabei scheinen zwei Erklärungen für viele auf der Hand zu liegen. Erstens: Die Kitas und Schulen sind wieder (teilweise) offen, dort findet ein massives Infektionsgeschehen statt, und das schlägt auf die Zahlen durch. Zweitens: Die Ausbreitung der zuerst in Großbritannien festgestellten Virus-Variante B.1.1.7. Wirkt sich diese doch überdurchschnittlich stark auf Kinder und Jugendliche aus?

 

Doch kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nur davor warnen, solche schnellschussartigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die haben sich schon in den vergangenen Monaten mehrfach als falsch erwiesen. 

 

Als die Corona-Zahlen bei Kindern und Jugendlichen zu Beginn des Lockdowns kräftig und stark überdurchschnittlich zurückgingen, sahen nämlich viele die klare Wirkung der Schulschließungen bestätigt. Tatsächlich lag die Entwicklung jedoch vor allem daran, dass mit den Schließungen die Corona-Tests bei den 0- bis 14-Jährigen ins Bodenlose (zeitweise auf unter ein Drittel) fielen. Und seitdem blieben sie nahezu auf dem Mini-Niveau.

 

Bis zur vorvergangenen Kalenderwoche ab 22. Februar. Das war in vielen Bundesländern die erste Woche mit eingeschränktem Kita-Regelbetrieb und teilweisem Präsenzunterricht. Die Testzahlen stiegen – und die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen machte ebenfalls einen Sprung. Ein Infektionsgeschehen in den Schulen konnte dieses Mehr an registrierten Neuinfektionen beim besten Willen noch nicht ausdrücken

 

Klarer sehen wir
erst am Mittwoch

 

Doch trotz des Test-Anstiegs vergangene Woche blieben die Kinder und Jugendliche im Vergleich zu Mitte Dezember immer noch massiv (um mehr als 50 Prozent!) untertestet. Der erneute Sprung bei den Infektionszahlen in der vergangenen Kalenderwoche lässt insofern vermuten, dass die Ursache zumindest teilweise in einem ebenso großen Sprung bei den Testzahlen liegt. Allerdings werden wir es mit Sicherheit erst sagen können, wenn das RKI am Mittwoch die Test-Statistik für Kalenderwoche 9 veröffentlicht.

 

Noch ein Satz zu der Vermutung, B.1.1.7. könnte verstärkt auf Kinder durchschlagen: Ausgeschlossen ist dies nicht, doch gab es laut RKI zuletzt zwar Belege dafür, dass die Variante zwar auch Kinder häufiger erkranken lässt, aber eben alle anderen Altersgruppen ebenso. 

 

Bis die neuen Teststatistiken vorliegen, sollten die stark erhöhten Fallzahlen bei den 0- bis 14-Jährigen vor allem erst einmal nur Anlass zum Aufhorchen und genauen Hinschauen sein. Übrigens böten sie, falls meine Test-These erneut richtig liegt, eine überraschend positive Perspektive. Dann nämlich gäbe es derzeit gar keine eindeutige Aufwärtsbewegung bei den Corona-Zahlen. Und das wäre nun wahrlich nicht die schlechteste Nachricht. 

 

Update am 9. März:

Das gestern noch vorläufige Bild hat sich bestätigt. Die gemeldeten Neuinfektionen bei Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahre sind in der vergangenen Kalenderwoche um 27,0 Prozent gestiegen. Bei der Bevölkerung ab 15 gab es im Wochenvergleich  ein minimales Minus um 0,1 Prozent. Genauer: Zwischen 15 und 69 ein leichtes Plus von 2,7 Prozent, bei den Über-70-Jährigen einen Rückgang um 15,2 Prozent. Jetzt gilt es umso mehr die Testentwicklung abzuwarten.

 

Update am 10. März:

Es war wie von mir erwartet: Die Zahl der getesteten Kinder unter hat in der vergangenen Woche um rund 36 Prozent zugelegt. Bei den 5- bis 14-Jährigen schlugen gut 30 Prozent zusätzliche Tests zu Buche. Damit entfiel fast das ganze Testwachstum in der Gesamtbevölkerung (+2,99 Prozent) vergangene Woche auf Kinder und Jugendliche, in anderen Altersgruppen gab es zum Teil sogar leichte Rückgänge bei den Testzahlen. Da die Positivraten auch bei den 0- bis 4- Jährigen (etwas stärker) und bei den 5- bis 14-Jährigen (leicht) gesunken sind, gehen die stark gestiegenen Meldezahlen bei den Neuinfektionen mit großer Wahrscheinlichkeit also mindestens zu einem guten Teil auf die höhere Testhäufigkeit zurück. Dass Kinder und Jugendliche im Vergleich zur Vorweihnachtszeit indes immer noch deutlich stärker untertestet sind, zeigt sich daran, dass ihre Positivrate auf dem selben Level liegt wie Mitte Dezember. Damals wurden aber noch rund 50 Prozent mehr 0- bis 14-Jährige pro Woche getestet. Als die Kita- und Schulschließungen begannen, gingen die Zahlen in den Keller – und steigen erst wieder seit den sukzessiven Öffnungen.


Was steckt hinter den Zahlen?

Bei den 15- bis 19-Jährigen war in der vergangenen Kalenderwoche fast keine Bewegung bei den gemeldeten Neuinfektionen zu sehen. Vorläufig liegt der Anstieg hier bei nur gut einem Prozent. Tatsächlich gab es in der Gruppe der 15- bis 34-Jährigen (kleiner skaliert das RKI nicht) zuletzt auch keine Veränderungen bei den Testhäufigkeiten. 

 

Bei den 0- bis 4-Jährigen und den 5- bis 14-Jährigen schon: Die Testzahlen waren in diesen Altersgruppen in der vorgegangenen Woche nach fast zwei Monaten Stagnation sprunghaft um jeweils mehr als 20 Prozent gestiegen, lagen damit aber immer noch nicht einmal halb so hoch wie im Dezember. Parallel zu den zusätzlichen Test stieg vorgegangene Woche wie erwähnt auch die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen bei den Kindern und Jugendlichen. 

 

Auffällig ist, dass der Anteil positiver Tests bei den 5- bis 14-Jährigen in Kalenderwoche 8 

parallel leicht zurückging – bei den 0- bis 4-Jährigen aber einen Satz nach oben machte. Was möglicherweise dafür sprechen würde, dass der Anstieg in der Gruppe der Kleinsten nicht vorrangig testbedingt war. Dafür war er mit 32 Prozent auch zu hoch. Inzwischen liegen die absoluten Meldezahlen bei den 0- bis 4-Jährigen wieder auf dem Niveau von Ende Dezember, bei den 5- bis 14-Jährigen liegen sie trotz des jüngsten Anstiegs nur etwa halb so hoch.

 

Das Kernproblem der RKI-Zahlen zu den Neuinfektionen besteht darin, dass sie durch veränderte Testhäufigkeiten und Auswahlkriterien häufiger kaum von Woche zu Woche vergleichbar sind. Was Trendsaussagen ärgerlich schwer macht und pandemiepolitischen Blindflug bedeutet.

 

Hier würde nur ein regelmäßig wiederholtes Bevölkerungssample helfen. Aber das hat Deutschland schon lange verpennt.



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Kommentare: 2
  • #1

    Matthias Willems (Montag, 08 März 2021 22:17)

    Ich würde mich freuen, wenn die Vermutung sich bewahrheitet, dass der Anstieg in der Altersgruppe durch mehr Tests zustande kommt.
    Ist es aber nicht so, dass auch bei Kindern nur bei Symptomen getestet wird und ansonsten nur eine Quarantäne ausgesprochen wird ?
    (Zumindest in unserem Kreis ?!)

  • #2

    Nicole Berger (Freitag, 12 März 2021 20:23)

    Die Einordnung Wielers in der heutigen PK haben Sie vermutlich gehört. Wieso kommen die Analysen von Menschen wie Ihnen nicht in der Politik an? Das wäre so wichtig!