· 

Testsignale

Konzerthäuser und Theater in die dritte Welle hinein öffnen? Keine gute Idee. Was man aber von der Kultur lernen kann: Auch an den Hochschulen müssen jetzt rasch die Testkapazitäten entstehen, damit im neuen Semester mehr Präsenz möglich wird.

Corona-Antigen-Schnelltest. Foto: Tim Reckmann / ccnull, CC-BY 2.0.

SIE MACHEN ES TATSÄCHLICH. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) will das Konzerthaus, die Staatsoper und weitere Kultureinrichtungen ab 19. März für zwei Wochen probeweise öffnen. Voraussetzung für den Ticketkauf ist der Nachweis eines negativen Corona-Antigentests am Tag der Veranstaltung. Bis zu 1000 Besucher sollen einem Schachbrettmuster zum Beispiel im großen Saal der Philharmonie sitzen, mit Abstand und medizinischer Maske. Lederer spricht laut Tagesspiegel  von einem deutschlandweit einzigartigen "Pilot".

 

Nicht ganz. Unter anderem hat auch Bayerns Kulturminister Bernd Sibler (CSU), der übrigens auch Wissenschaftsminister ist, angekündigt, dass ab 22. März die Theater-, Konzert- und Opernhäuser im Freistaat öffnen sollen – mit Abstand und den üblichen Hygienemaßgaben. Überall, wo die 7-Tages-Inzidenz stabil unter 100 liegt und bis zu einer Inzidenz unter 50 mit tagesaktuellem Coronatest. 

 

Je realer die dritte Welle wird, desto surrealer mögen solche Pläne wirken. Doch sind die Wünsche nach Lockerungen bei vielen gerade in der gebeutelten Kulturszene groß. Und Schnelltests, so die Hoffnung, sollen dabei eine große Rolle spielen.

 

Währenddessen haben Studierende verschiedener Berliner Hochschulen die Initiative "#Nicht nur Online" gegründet. In einem Offenen Brief an den Senat und an alle Berliner Hochschulleitungen berichten sie von "einer erheblichen physischen wie psychischen Belastung" vieler Studierender durch die "komplette Isolation" ausschließlich digitaler Lehre. Sie fordern daher "den vorsichtigen und selbstverantwortlichen Übergang zur Präsenzlehre ab dem Sommersemester 2021", die Ermöglichung kleiner Seminare, Tutorien und Kolloquien – natürlich mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen. "Die Selbstverständlichkeit, mit der die Universitäten geschlossen gehalten werden, entbehrt jeder Rechtfertigung", finden die Studierenden. Anfang März hatte HRK-Präsident Peter-André Alt von der Politik gefordert, die Hochschulen in Impf- und Teststrategien einzubeziehen.

 

Staatssekretäre: Kurzfristige
Verfügbarkeit von Testkits fraglich

 

Und was sagen die Wissenschaftsminister? Offiziell wenig. Intern gehen ihre Staatssekretäre allerdings davon aus, dass sich zunächst wenig ändern wird an den Hochschulen, weil gerade in den Flächenstaaten "erhebliche Bedarfe“ an Tests für Hochschulbeschäftigte und Studierende absehbar seien. Doch erscheine die "kurzfristige, verlässliche Verfügbarkeit von Testkits fraglich", zudem sei erst einmal die Organisation zu klären. 

 

Mit anderen Worten: Wenn 1000 Menschen für einen Konzertbesuch zusammenkommen wollen, gibt es dafür die Tests und die Logistik. Aber dafür, dass Studierende aller Semester zumindest ein-, zweimal die Woche für zwei Stunden in kleinen Gruppen große Hörsäle bevölkern, fehlen Politik und Hochschulen vielerorts die Fantasie und die Ambitionen. Und den Hochschulen zusätzlich die Absicherung im bundesweiten Corona-Stufenplan, in dem sie im Gegensatz etwa zu Theatern, Opern, Kinos & Co schlicht ignoriert werden.

 

Nun kann man sagen: Macht keinen Unterschied, Deutschland stolpert ohnehin gerade in die dritte Welle hinein. Vermutlich werden am Ende auch die versprochenen Kulturveranstaltungen kaum stattfinden können. Und doch dürfte schon die symbolische Ungleichbehandlung für viele Studierende und Lehrende schwer erträglich sein. 

 

Währenddessen kündigte der Rektor der Universität Magdeburg, Jens Strackeljan, an, seine Hochschule wolle ein eigenes Corona-Schnelltestzentrum für ihr Personal und die Studierenden aufbauen. Eine Kapazität von 150 bis 200 Tests pro Tag sei binnen zwei Wochen möglich. Für den täglichen Test aller Hochschulangehörigen natürlich noch zu wenig. Aber es gebe dann "Freiräume für die 30, die gemeinsam lernen wollen, für die im Sportstudium und für diejenigen, die abends in den Biergarten wollen", sagte Strackeljan der dpa. Zum Glück ein Beispiel unter immer mehr: Die Hochschule Bremerhaven führt Schnelltests für Studierende vor Präsenzprüfungen ein (Buten un binnen). An der Universität Heidelberg können sie Studierende vor Laborpraktika nutzen. Beschäftigte dürfen ebenfalls darauf zurückgreifen.

 

Wie tragfähig ist das angesichts der anlaufenden dritten Welle? Egal. Nur wer schon heute entschlossen die Testkapazitäten und -abläufe schafft, ist irgendwann in der Lage, tatsächlich zügig zu öffnen. Bis dahin sind es die Symbole, die Signale, die auch viele an den Hochschulen dringend brauchen.

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen3.


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    fk (Montag, 15 März 2021 10:21)

    An der Universität Göttingen existieren entsprechende Testmöglichkeiten für alle Universitätsangehörigen seit Dezember 2020; die Kapazitäten sind bei Weitem nicht ausgeschöpft, und dennoch gibt es keine erkennbaren Bestrebungen, einzig auf Grundlage von freiwilligen Tests im kommenden Semester Präsenz außerhalb von Laboratorien zu ermöglichen.

    Es erscheint mir doch erstaunlich oder zumindest überraschend, dass hier von der Zusammenkunft größerer Gruppen die Rede ist. Gehe ich Recht in der Annahme, dass im Konzerthaus dennoch Corona-Abstand gewahrt bleiben soll?!