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SPD-Wissenschaftsminister fordern bis zu 70 Exzellenzcluster

Mehr Geld, mehr Cluster, mehr Vielfalt: Wie soll es in der nächsten Runde der Exzellenzstrategie weitergehen? Die Länder stecken ihre Positionen ab, erste Vorschläge liegen jetzt auf dem Tisch.

Das war der Moment, in dem die 57 Gewinner-Cluster der ersten ExStra-Runde verkündet wurden. Und wie viele werden es beim nächsten Mal? Foto: Screenshot der Übertragung.

57 EXZELLENZCLUSTER wurden im September 2018 ausgewählt – weitaus mehr mehr als die 45 bis 50, die Bund und Länder einst vereinbart hatten. Doch würde es nach den SPD-regierten Wissenschaftsministerien gehen, könnte ihre Zahl in der nächsten Runde der Exzellenzstrategie noch einmal deutlich wachsen, und zwar auf bis zu 70. So steht es in einem internen Strategiepapier, auf das sich die Minister der sogenannten "A"-Seite geeinigt haben. 

 

Auf den ersten Blick scheint es so, als habe die Debatte über die Zukunft des Exzellenzwettbewerbs noch Zeit. Die Clusterförderung startete am 1. Januar 2019 und geht über sieben Jahre, hat also noch nicht einmal ihre Halbzeit erreicht. Doch ist der Vorlauf des Auswahlverfahrens enorm: Bliebe es beim Zeitplan der vergangenen Runde, würde die für die Cluster zuständige Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Ausschreibung beider Förderlinien – Exzellenzcluster und Exzellenzuniversitäten – im September 2023 vorlegen. Tatsächlich wird von der Politik sogar Ende 2022 für die Veröffentlichung der Förderbekanntmachung genannt. 

 

Das hieße: Wer noch ernsthaft etwas ändern möchte am Verfahren, muss die Debatte jetzt führen, um sie möglichst bald nach der Bundestagswahl, wenn die neue Bundesregierung steht, zum Abschluss zu bringen. 

 

SPD: Mindestens 20
neue Cluster auswählen

 

Was die SPD-Minister fordern: dass mindestens 20 neue Exzellenzcluster in die Förderung aufgenommen werden. Da aber die DFG davon ausgeht, dass weniger als ein Fünftel (etwa neun) der derzeit geförderten Forschungsverbünde von den Gutachtern aus der Förderung gekippt wird, liefe das rechnerisch auf elf zusätzliche Förderfälle hinaus, also knapp 70. 

 

Außerdem, so argumentiert das "A"-Papier, müsse die Fördersumme pro Cluster deutlich steigen. Denn: "Dadurch, dass aktuell 57 anstelle der in der Bund-Länder-Vereinbarung veranschlagten 45 bis 50 Exzellenzcluster gefördert werden, mussten in der letzten Verfahrensrunde erhebliche pauschale Kürzungen der Budgets vorgenommen werden." Um solche Kürzungen für die zweite "ExStra"-Förderrunde zu vermeiden, sei eine "angemessene finanzielle Ausstattung der Förderlinie" anzustreben. 

 

Ein konkreter Betrag steht nicht im Papier, aber er lässt sich leicht ermitteln. Derzeit sind 385 Millionen Euro pro Jahr für die Exzellenzcluster vorgesehen, rechnerisch ergibt das knapp 6,8 Millionen Euro pro Verbund. Die zwischen Bund und Ländern 2016 geschlossene Verwaltungsvereinbarung wäre bei 45 bis 50 Clustern aber auf 7,7 bis 8,6 Millionen herausgelaufen. Multipliziert mit 68 (der geforderten neuen Clusterzahl) ergibt das zwischen 524 und 582 Millionen Euro – also 139 bis  197 Millionen mehr als bislang. Tatsächlich orientieren sich die SPD-Minister intern am unteren Ende der Bandbreite und nennen 150 Millionen zusätzlich als Zielmarke. 

 

Ohne die Ausweitung auf deutlich mehr Cluster, warnt das Non-Paper, würden  "viele neue exzellente Kerne im Wissenschaftssystem keine Chance auf Förderung" haben, der Wettbewerb würde "statisch... und damit das in der Bund-Länder-Vereinbarung festgehaltene Ziel des Erhalts der durch die Exzellenzinitiative erreichten Dynamik im System nicht erreicht."

 

Bessere Chancen für
kleinere Universitätsstandorte?

 

Maßgeblich ausgearbeitet haben den Vorschlag offenbar die SPD-Wissenschaftsministerinnen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Manja Schüle und Bettina Martin. Sie hatten bereits im vergangenen November hier im Blog für eine Weiterentwicklung der Exzellenzstrategie plädiert, vor allem damit auch kleinere Universitäten in der neuen Runde eine Erfolgschance haben könnten. 


In dem Non-Paper werden sie nun konkret: Für "kleinere, mittelgroße und geografisch dislozierte Universitäten/Universitätsstandorte" müsse das Beantragungsverfahren für Verbund-Anträge "förderlicher ausgestaltet werden. Hierfür müssen die besonderen Erschwernisse und zusätzlichen Begründungszwänge für Verbünde beseitigt (etwa, dass im Regelfall nur Verbünde aus zwei Universitäten erlaubt sind und diese "gleichwertig" beteiligt sein müssen etc.), die Ausschreibungskriterien für Exzellenzcluster in diesem Sinne geändert und alle Ziele der Bund-Länder-Vereinbarung in den Ausschreibungen umgesetzt werden".

 

Auf diese Weise sollten "intra- und interuniversitäre, regionale und nationale Verbünde aus exzellenten Forschungskernen" zum Stellen von Förderanträgen ermutigt werden. Und damit solche "exzellente(n), aber in ihrer Größe "unterkritische(n)" Forschungskerne an verschiedenen Standorten überhaupt die Chance hätten, tragfähige Kooperationen aufzubauen, müsse ein neues ExStra-Format bereits den Aufbau dieser Kerner zu clusterfähigen Verbünden fördern können. 

 

Und was sagen die nicht SPD-regierten Länder, die sogenannte "B"-Seite zu dem Mehr-Cluster-Vorstoß? Offiziell nicht viel. Hinter der Hand wird dafür gemunkelt, die "A"-Seite sehe mit ihrem Vorschlag "ein bisschen aus wie der Club der Zukurzgekommenen". 

 

Der Kommentar bezieht sich darauf, dass naturgemäß Länder, die bei der aktuellen ExStra-Förderlinie viele Cluster abgeräumt haben, nicht den großen Veränderungsdruck in Bezug auf die Wettbewerbsregeln spüren. Umso erstaunlicher, dass Schüle und Martin unter den SPD-regierten Ländern auch die ins Boot geholt haben, die stark abgeschnitten haben: Hamburg und Berlin vor allem.

 

Ein zusätzliches Förderformat
für Langzeit-Cluster?

 

Die Erklärung ist allerdings einfach: Indem sie mehr Geld fordern, das zur Hälfte der Bund zahlen würde, könnten sich mit dem "A"-Vorschlag alle ein wenig als Gewinner fühlen. Zumal das Non-Paper einen bereits Ende 2019 vom rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD) formulierten Vorstoß aufnimmt. 

 

Wolf, der auch Vorsitzender der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern ist, regte damals an, dass Exzellenzcluster nach "mindestens 13-jähriger, nicht unterbrochener Förderung in Exzellenzinitiative und Exzellenzstrategie" unter bestimmten Voraussetzungen in eine dritte Förderlinie – Wolf nennt sie "Profilcluster" – wechseln würden.

 

Bedeuten würde dies zweierlei: Es gäbe wie bei der Linie "Exzellenzuniversitäten" keine Höchstdauer mehr bei der Förderung, und die Entscheidung über eine Weiterförderung würde nicht mehr auf der Grundlage immer neuer Wettbewerbsanträge erfolgen, sondern, ähnlich wie bei Instituten der Leibniz-Gemeinschaft, auf der Basis von Evaluationen. 

 

Im jetzt von allen "A"-Ländern unterstützten Papier steht nun, ein Ziel sollte es daher sein, für die kommende Auswahlrunde ein weiteres Förderformat zu etablieren. "Dort sollten mehrfach geförderte Exzellenzcluster auf der Grundlage einer regelmäßigen Evaluation langfristig nach Artikel 91 b Grundgesetz  gefördert werden können. Diese langfristig geförderten Cluster sollten in Universitäten verankert bleiben und neben den Exzellenzclustern als Fördervoraussetzung für eine Exzellenzuniversität berücksichtigt werden können." Auch hierfür müsse die Verwaltungsvereinbarung aufgestockt werden. 

 

Vergangene Woche haben sich Schüle, Martin und alle anderen Wissenschaftsminister mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) zu einem virtuellen "Kaminabend" getroffen, der sich als informelles Gesprächsformat vor offiziellen GWK-Sitzungen etabliert hat. Dort wurde der "A"-Vorschlag diskutiert. Am Ende muss die Rechnung ja vor allem mit dem Bund gemacht werden, aber eben auch mit der "B-"Seite. 

 

Hessens Wissenschaftsministerin Dorn will
Geistes- und Sozialwissenschaften stärken

 

Die ihrerseits dabei ist, eine Verhandlungsposition für die nun startende heiße Verhandlungsphase um die Zukunft der Exzellenzstrategie abzustecken. Und da zeigt sich: Der Raum für Kompromisse zwischen den Ländern könnte da sein.

 

Den bislang einzigen öffentlichen Aufschlag eines "B"-Ministeriums hat am Tag nach dem Kaminabend Hessens grüne Wissenschaftsministerin Angelika Dorn gemacht. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau rechnete auch sie vor, dass bei gleicher Förderhöhe nur etwa zehn neue Cluster eine Chance hätten. "Dafür ein aufwendiges Wettbewerbsverfahren aufzusetzen, dass im gesamten Wissenschaftsbetrieb bundesweit erhebliche Ressourcen bindet, ist ineffizient und fördert keine weitergehenden Entwicklungen." So werde die Motivation für neue Forschungscluster, sich auf den arbeits- und kostenintensiven Weg zu machen, "gegen Null" gehen. 

 

Damit neue Cluster eine Chance bekämen, müsse die Gesamtzahl vergrößert werden, findet auch Dorn, "und wenn wir die Gesamtzahl erhöhen, lohnt es sich, bestehende Formate zu erweitern oder anzupassen."  Corona habe gezeigt: Zur Bewältigung einer Pandemie brauche es neben der der Virologie auch Sozialwissenschaft, IT-Technik, Ökonomie und Verhaltenspsychologie. Und: "Wir dürfen die Gestaltung so grundlegender Veränderungen wie der Digitalisierung nicht allein Informatik und Ingenieurwissenschaften überlassen, wir brauchen die Verbindung zu Soziologie, Ethik und Kulturanthropologie, die ganze Vielfalt der Wissenschaft." 

 

Dorns Antwort: eine "eigene Förderlinie", um die Geistes- und Sozialwissenschaften "angemessen zu beteiligen". Denn unter den derzeit geförderten Forschungsverbünden, den sogenannten Exzellenz-Clustern, sei "mehr als die Hälfte in nur einem Wissenschaftsbereich angesiedelt". Womit sie vor allem auf die Natur-, Technik- und Lebenswissenschaften anspielte. 

 

Die Erkenntnis der Ministerin mag auch damit zusammenhängen, dass bei der ersten ExStra-Auswahlrunde der langjährige Frankfurter Geisteswissenschafts-Exzellencluster "Normative Ordnungen" prominent auf der Strecke geblieben war

 

Die großen "ExStra-Clusterformate", sagt Dorn jedenfalls, seien "gerade für die Geisteswissenschaften ein Problem, weil ihr Finanzbedarf oft nicht so groß ist; sie brauchen keine kostspieligen Apparate, und ihre größte Produktivität entfalten sie nicht zwingend in großen Verbünden – derzeit kommen auch nur 18 Prozent der Cluster aus diesem Bereich."  Die Schwierigkeit bestehe darin, den Wettbewerb immer wieder in die richtige Balance zu bringen, die auch Kooperation stärke, nicht Mainstream perpetuiere oder nur die Starken weiter stärke. 

 

Nach den Bundestagswahlen
kommen die Beschlüsse

 

Die Länder wollen mehr Cluster, demgegenüber hält sich der Bund, der die Hälfte der Zeche aufbringen müsste, offiziell noch bedeckt. Was soll Anja Karliczek auch sonst tun. Erstmal sind jetzt Wahlen, die neue Regierung, der die BMBF-Chefin erklärtermaßen wieder angehören will, wird die GWK-Verhandlungen zu Ende führen. 

 

Derweil bekräftigen Schüle, Martin und die übrigen SPD-Minister: Die Erfahrungen mit dem ersten ExStra-Antragsverfahren in den Jahren 2018 und 2019 habe gezeigt, dass die Exzellenzstrategie bereits vor ihrer zweiten Ausschreibung einer Weiterentwicklung bedarf. Die GWK habe dies bereits erkannt und 2019 eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe "Exzellenzstrategie" eingerichtet. Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bekräftige den Handlungsbedarf.  

 

Tatsächlich hatte HRK-Präsident Peter-André Alt bereits vor einem Jahr in der ZEIT gefordert," die hervorragend arbeitenden Langzeit-Cluster in ein neues Förderprogramm zu überführen", sie dafür 2025 "nach eigenen Wettbewerbskriterien zu evaluieren und ihre Nachhaltigkeit unter die Lupe zu nehmen. Damit bestünde die Chance, innovative Großprojekte in die Dauerförderung des Bundes zu überführen." Alt mahnte aber auch mit Verweis auf die 57 statt der ursprünglich vorgesehenen Cluster: "Grundsätzlich sollten es nach 2025 nicht noch mehr werden, damit man Spitzenvorhaben wirklich angemessen finanzieren kann."

 

Gleich viel oder mehr Cluster, dieselben oder zusätzliche Förderlinien: Die entscheidende Frage ist am Ende auch, wieviel Sondernummern für einzelne Disziplinen, Hochschultypen oder Regionen ein Exzellenzformat verträgt. Fest steht: Vieles wird sich am nach der Coronakrise noch vorhandenen Geld entscheiden. 


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Kommentare: 4
  • #1

    Gerhard Bludau (Mittwoch, 17 März 2021)

    Laßt doch endlich diesen Unfug. Geld sparen heißt die
    neue Devise. Bremen und Niedersachsen sind die echten
    Vorreiter.

  • #2

    Th. Klein (Mittwoch, 17 März 2021 16:20)

    Man kann es nach all den Jahren, die Exzellenzinitiative eingerechnet, nicht mehr hören. All die Hinweise, wer bei diesem Programm zu kurz kommt, die Geistes- und Sozialwissenschaften, die kleinen und mittleren Universitäten ... tja, so ist das ja auch nicht gemeint. Die ExStra muss ja nicht für alle zugänglich sein. Für jedes Programm gibt es Zielgruppen und dazu passende Kriterien. Bei der ExStra/ExIni will man dies aber ständig ändern. Vielleicht sollten sich die Anderen eben eher auf SFBs o.a. konzentrieren, wo die Rahmenbedingungen und Kriterien eben passen.

    Natürlich fällt dem Programm auf die Füße, dass man sich nie klar und alleine für die Spitze ausgesprochen hat. Er war parallel auch immer von der Stärkung in der Breite die Rede bzw. von der breiten Spitze. Und so läuft die Interpretation des ursprünglichen politischen Willens weiter ...

  • #3

    Edith Riedel (Mittwoch, 17 März 2021 19:10)

    Strukturförderung getarnt als Exzellenz. Da muss man erst mal drauf kommen. Sowas bringt auch nur unser föderaler Bildungsstaat fertig.

  • #4

    Ruth Himmelreich (Donnerstag, 18 März 2021 11:38)

    Es hört erst auf, wenn jede Uni ihren Cluster hat. Nur: dann ist man wieder genau da, wo man ursprünglich angefangen hat.