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"Doppelbedrohung für die Skandinavistik"

Es gab sie mal an 15 deutschen Universitäten, jetzt sind es noch zwölf – und demnächst nur noch zehn? Die Skandinavistik-Fachverbandsvorsitzende Hanna Eglinger über die Gefährdung eines kleinen Fachs und die mangelnde Solidarität der Großen.

Frau Eglinger, Sie sind Vorsitzende des Fachverbands für Skandinavistik, ein kleines Fach mit gerade einmal zwölf Standorten und 20 Professuren in Deutschland. Jetzt schreiben Sie Brandbriefe und sammeln Unterschriften. Warum?

 

Weil wir es mit einer konkreten Doppelbedrohung zu tun haben. Gleich zwei der zwölf Standorte droht die kurzfristige Schließung. Die Universität Göttingen kämpft wie andere niedersächsische Hochschulen mit den Sparauflagen der Landesregierung, die schon vor Corona bestanden, durch die Pandemie jetzt aber verstärkt wurden. Eine der Professuren, die die Fakultät opfern will, ist die für Skandinavistik. Ähnlich finster sieht es in Tübingen aus, wo die Skandinavistik Teil des Deutschen Seminars ist. Eigentlich hatte man dort sogar vorgehabt, das Fach angesichts der anstehenden Neubesetzung der Professur auszubauen. Doch jetzt muss das Deutsche Seminar sparen, und das will es durch die Streichung der Skandinavistik-Professur. 

 

Was würde das für die Skandinavistik bedeuten?

 

Sie müssen sich vor Augen halten, dass, wie es für ein kleines Fach typisch ist, die Skandinavistik an vielen Standorten nur in einer einzigen oder zwei Professuren besteht. Das heißt: Jede geplante Stellenkürzung bedeutet, dass sofort die Existenz des Standorts insgesamt bedroht ist. Die Skandinavistik ist dadurch in den vergangenen Jahren schon von 15 auf 12 Standorte geschrumpft. Hamburg, Bochum, Saarbrücken: alle schon weg. Doch auch ein kleines Fach braucht eine gewisse Mindestzahl an Standorten und Professuren, um national und international vernetzt Forschung betreiben zu können. 


Hanna Eglinger ist seit 2017 Professorin für Komparatistik (Vergleichende Literaturwissenschaft) mit dem Schwerpunkt nordeuropäische Literaturen / Skandinavistik in Erlangen. Außerdem ist sie Vorsitzende des Fachverbands für Skandinavistik.

Foto: Stefan Otto-Ruiz.



Neulich hatten Sie sogar gewarnt, dass auch ein dritter Standort gefährdet sei – und damit gleich ein Viertel aller verbliebenen Standorte. 

 

Die dortige Professur hätte längst zur Wiederbesetzung ausgeschrieben sein sollen, da haben bei uns die Alarmglocken geschrillt. Doch zum Glück haben wir in den letzten Tagen ermutigende Signale von der dortigen Universitätsleitung bekommen. Aber natürlich warten wir weiter mit Zittern und Zagen. 

 

Wünschen Sie sich von den großen Fächern mehr Solidarität?

 

Hier in Erlangen-Nürnberg kann ich mich nicht beklagen, da wird mir der Rücken eher gestärkt, und natürlich hängt es immer auch von der personellen Zusammensetzung vor Ort ab. Aber vielerorts ist es schon so, dass die großen Fächer in den Entscheidungsgremien die Mehrheit stellen und im Zweifel die Sparmaßnahmen auf Kosten der kleinen Fächer diktieren können. Da schmerzt es, wenn lieber ein kleines Fach komplett ausgemerzt wird, als dass große Fächer sich bereit erklären, auf eine von möglicherweise vielen Professuren zu verzichten. Noch problematischer ist, wenn die Universitäten sich nicht überregional koordinieren. Wenn eine Hochschule und ein Bundesland bei einem kleinen Fach wie der Skandinavistik kürzt und eine andere Hochschule und ein anderes Bundesland das gleiche tut, aber man nicht einmal voneinander weiß. 

 

Aber es gibt doch die vom Bundesforschungsministerium geförderte Arbeitsstelle "Kleine Fächer", die alle Standorte bundesweit transparent macht.

 

Und das ist eine tolle Sache, nur hilft uns diese Transparenz auch nicht, wenn Entscheidungen vor Ort ohne Rücksicht darauf gefällt werden. Am Ende kommt es darauf an, dass eine Universität, die Fächervielfalt anstrebt, diese bei ihrer Gesamtplanung auch im Auge behält. Bis dahin bleibt uns nur das Sammeln von Unterschriften, um uns Gehör zu verschaffen.

 

Ist die Notlage der Skandinavistik ein Vorgeschmack für andere Fächer, wenn die Corona-Krise so richtig auf die Länderhaushalte durchschlägt?

 

Für eine solche Befürchtung braucht es nicht allzu viel Fantasie. Und wenn man schon sparen muss, würde man sich mehr Nachhaltigkeit wünschen, anstelle nur auf pauschalisierende Kriterien wie die Studierenden- und Auslastungszahlen zu starren. Denn da schneiden kleine Fächer, gerade in den Geisteswissenschaften, fast zwangsläufig schlechter ab. Ganz anders sähe die Rechnung aus, wenn die internationale Vernetzung, die Diversität oder Verbundforschung eine Rolle spielen würden. Dann würde zum Beispiel in Tübingen niemand die Skandinavistik streichen wollen. 

 

Dieses Interview erschien gestern zuerst in meinem Newsletter.


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Kommentare: 7
  • #1

    Wolpers (Donnerstag, 29 April 2021 09:05)

    und zur gleichen Zeit werden mehr als 200 (Stand: 2017) Professuren fuer gender studies geschaffen.

    Skål :-(

  • #2

    Schiedermair, Joachim (Donnerstag, 29 April 2021 10:35)

    Ich hätte nichts dagegen, wenn die Göttinger oder Tübinger skandinavistische Professur mit einem gender-Schwerpunkt eingerichtet und erhalten bleibt. Denn als Literatur- und Kulturwissenschaft ist die Skandinavistik ohnehin mit den Themen der gender studies befasst.

  • #3

    Django (Donnerstag, 29 April 2021 11:53)

    Ach ja, die pösen Gender Studies. Zu der genannten Zahl "200" hier ein Auszug aus dem Tagesspiegel (17.12.2019, https://bit.ly/3sXwVH7):

    "An Hochschulen in Deutschland gab es laut des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags im Jahr 2017 185 Professuren an deutschen Hochschulen, die sich mit der Geschlechterforschung befassen. Allerdings haben nur 27 davon eine Voll-Denomination im Bereich Gender, widmen sich dem Thema also ausschließlich.

    158 sind teil-denominiert, sie sind also einer anderen Disziplin mit zugeordnet. Strenggenommen handelt es sich bei letzteren also gar nicht um Professuren für Geschlechterforschung. Vielmehr sollen im Rahmen dieser Professur auch Aspekte der Geschlechterforschung berücksichtigt werden."

  • #4

    Nora Kauffeldt (Donnerstag, 29 April 2021 11:59)

    Der eigentliche Skandal ist, dass sich im Bildungsland Deutschland nun die „kleinen“ Fächer, zu den sie in den letzten Jahrzehnten geworden sind, gegenseitig ins Hauen und Stechen treiben, weil ausgerechnet Bildung Ziel der massivsten Sparmaßnahmen ist.

    Die Skandinavistik hat viele inhaltliche Argumente für sich, sie wird gebraucht um einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zum Verständnis der oft als Vorbilder bezeichneten Skandinavischen Länder zu vermitteln und die immer populärer werdende Verarbeitung Altnordischer Themen in weltweit erfolgreichen Serien, Computerspielen und Fantasy Literatur erforschen und vor Ideologisierung schützen zu können. Gerade die Skandinavistik hat hier eine historische Verantwortung, war sie doch einmal Teil der Schaffung eines Nordischen Ideals der Nationalsozialisten.

    Vielen Dank deshalb auch für ihren Beitrag, wolpers, macht er doch deutlich wie wichtig der Erhalt der Skandinavistik ist! Eine weitere Reduzierung der Institute wird nämlich dazu führen, dass immer weniger Menschen in der Lage sein werden, einzuschreiten, wenn eine Ideologisierung und Vereinnahmung der skandinavischen Kulturen und Geschichte für antisolidarische, nationalkonservative Strömungen und Neurechte Argumentationen immer stärker zunehmen. Wie sie vielleicht wissen, stehen die skandinavischen Länder im Geschlechter-Gleichstellungsindex der EU und dem Global Gender Gap Report allesamt auf den obersten Rängen. Schweden ist Vorreiter in der Schaffung einer Gendergerechten Sprache, ich könnte diese Liste fortsetzen. Diese Spitzenpositionen sind das Ergebnis einer jahrelangen Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen in der Gesellschaft!

    Das Problem ist nicht, dass große Fächer nicht abgeben wollen, sondern dass die Universitäten von den Kultusministerien gezwungen werden abzuwägen, welches Wissen in Zukunft in Deutschland nicht mehr gebraucht wird.

  • #5

    Th. Klein (Donnerstag, 29 April 2021 12:12)

    "Doch auch ein kleines Fach braucht eine gewisse Mindestzahl an Standorten und Professuren, um national und international vernetzt Forschung betreiben zu können." - Ich komme selbst aus einem Kleinen Fach. Trotzdem teile ich den Ansatz nicht. Ich vermisse eine europäische Antwort/Perspektive auf diese Frage. Wir sollten über eine Mindestzahl innerhalb der EU reden und nicht in Deutschland. Und dann stehen die Fächer oft gar nicht so schlecht da.

  • #6

    Åsa Wettre (Donnerstag, 29 April 2021 16:54)

    Hanna ! Jag behöver ha detta översatt Jag kan kanske förstå
    men inte helt och fullt
    Hej från Åsa Wettre

  • #7

    Norne (Donnerstag, 29 April 2021 20:41)

    "Die Skandinavistik hat viele inhaltliche Argumente für sich, sie wird gebraucht um einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zum Verständnis der oft als Vorbilder bezeichneten Skandinavischen Länder zu vermitteln und die immer populärer werdende Verarbeitung Altnordischer Themen in weltweit erfolgreichen Serien, Computerspielen und Fantasy Literatur erforschen und vor Ideologisierung schützen zu können. "

    Das ist in der Tat mal ein interessantes Thema! Schade, dass der überwiegende Teil der deutschen Skandinavistik sich so gar nicht damit beschäftigt.